Blog State of the Union

Dirk Zingler: Der Fußball darf sich nicht abkoppeln von der gesellschaftlichen Entwicklung

Bei AFTV gibt es vor Ostern ein paar Worte von Union-Präsident Dirk Zingler zur aktuellen Lage. Die wohl wichtigste Frage, die wir uns alle stellen, nennt Pressesprecher Christian Arbeit zu Beginn: „Ist Union akut existenziell gefährdet?“

Die Antwort von Dirk Zingler lautet: „Nein, das sind wir nicht.“

Mehr Details gibt es nicht. Wir müssen uns mit dieser Antwort begnügen. Gehört Union zu den Vereinen, die Ende Juni Insolvenz anmelden müssten? Wir wissen es nicht. Hat Union im Vorgriff auf die noch zu zahlenden Fernsehgelder schon Geld von Banken oder anderen Geldgebern erhalten? Wir wissen es nicht. Hat Union jenseits von Kurzarbeit staatliche Unterstützung angenommen. Wir wissen es nicht.

Wem das alles egal ist, den wird die Antwort von Dirk Zingler zufriedenstellen. Mir ist sie zu vage. Vor allem, weil er sagt, dass Union ein Szenario bis Sommer entwickelt und wenn die Krise darüber hinaus gehe, müsse man noch einmal schauen, ob alle Maßnahmen reichen würden. „Bis Sommer“ ist vage, auch wenn wir alle davon ausgehen können, dass hier der 30. Juni gemeint ist, das Datum zu dem viele Spielerverträge (auch bei Union auslaufen).

Ich erwarte von Dirk Zingler nicht, dass er alles weiß und genau und richtig einschätzen kann. Denn das kann im Moment niemand. Viele Unternehmen versuchen gerade, sich Zeit zu kaufen, weil ein Ende der Einschränkungen durch das Coronavirus aktuell nicht seriös in Sicht ist. Also muss ich vielleicht damit leben, dass wir nicht mehr als diese Aussage „Union ist nicht akut existenziell gefährdet“ bekommen.

Präsident Dirk Zingler und Pressesprecher Christian Arbeit halten auch beim AFTV-Gespräch Abstand, Foto via AFTV
Präsident Dirk Zingler und Pressesprecher Christian Arbeit halten auch beim AFTV-Gespräch Abstand, Foto via AFTV

Zu den vielen Anfragen nach Unterstützung sagt der Präsident: „Wir nehmen die Hilfe an. Aber nicht wie früher, als wir bluten mussten, um zu überleben. Alles hilft uns, aber wir werden stabil durch die Situation kommen. Das einzige Risiko ist, dass wir nicht wissen, wie lange es dauert.“

Ich finde es gut, dass man sich im Verein auch damit beschäftigt, wie man all denen an der Frontlinie der Epidemie dankt, im Bezirk und in Berlin generell. Doch irgendwie klingt das noch lange weg. Wir wissen so vieles nicht. Nicht, wann wir alle normal zur Arbeit gehen können. Nicht wann die Schulen und Kindergärten wieder geöffnet sind. Nicht, wann Prüfungen geschrieben werden. Das alles macht es mir schwer, mich mit anderen Dingen als den Mühen des Alltags zu befassen.

Zingler fordert Bedacht beim Wiederbeginn der Bundesliga

Doch Union beschäftigt sich mit Themen wie einem Ligastart. Und dieses Thema wird kontrovers diskutiert. Der Fußball hätte den Bezug zur Realität verloren (Zeit), heißt es dann. Und natürlich ist der Bezug einfach herzustellen, wenn ein Profi beim FC Bayern gerade seinen millionenschweren Vertrag verlängert und gleichzeitig ein Verein wie Union den virtuellen Imbisswagen öffnet und dessen Fanklubs dazu aufrufen, das Geld für bereits bezahlte Eintrittskarten nicht zurückzufordern.

Dirk Zingler fordert deswegen eine bedachte Lösung und kein Über-das-Knie-brechen für den Wiederbeginn. Aus seiner Sicht ist es sinnvoll, erst Schulen und Kindergärten zu öffnen und vielleicht auch kleine Geschäfte, bevor über Geisterspiele gesprochen wird. Auch hier geht es immer darum, Zeit zu gewinnen. „Wenn wir uns abkoppeln von der gesellschaftlichen Entwicklung, tun wir uns keinen Gefallen. Lasst uns einen Zeitpunkt finden, der eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz hat“, sagt Zingler. Und ich gebe ihm da recht. Vielleicht ist das erst im Juni, Juli oder August. Aber dann ist es halt so.

Denn wir wissen aktuell auch noch nicht allzu viel darüber, unter welchem Modus die Geisterspiele stattfinden können. Gestern kam noch die Nachricht, dass Yunus Malli unter häuslicher Quarantäne steht (Vereinsmitteilung) Denn am Ende reicht nur ein Bild von Pflegepersonal ohne ausreichende Schutzkleidung, während es gleichzeitig vielleicht im Profifußball vorhanden ist, um alles einstürzen zu lassen.

Dirk Zingler saß auf einer kleinen Mauer vor dem Forsthaus, als er sagte: „Wir werden uns alle hier wiedersehen und Fußball schauen.“ Ich hoffe es.

Das schreiben die Berliner Medien über die Videokonferenz mit Trainer Urs Fischer:

Felix Kroos platzt auf Twitter der Kragen

Wir beschreiben hier seit Wochen den Status der Ungewissheit. Und ich bin sicher, dass sehr viele Menschen irgendwie damit versuchen klarzukommen. Auch die Fußballprofis. Doch gestern ist Felix Kroos angesichts dieses Tweets von FDP-Chef Christian Lindner etwas der Kragen geplatzt.

Felix Kroos antwortet auf Twitter FDP-Chef Christian Lindner, Foto via Twitter
Felix Kroos antwortet auf Twitter FDP-Chef Christian Lindner, Foto via Twitter

Hilfsaktion von Unionfans

Die Aktion „Eisern trotz Handicap“ kauft aktuell Pfannkuchen bei der Bäckerei Scholz und verteilt sie an Pflegepersonal wie gestern im Diakonie-Haus Elisabeth in Karlshorst oder in einem Heim für Geflüchtete.

Pfannkuchen für Pflegepersonal, Foto via Diakonie
Pfannkuchen für Pflegepersonal, Foto via Diakonie

Auch der Gabenzaun an der Union-Tanke kommt gut an, wie das Fanprojekt schreibt: „Der Gabenzaun in Köpenick findet großen Anklang und wechselt ständig sein Gesicht. Die 157er haben nun auch in Königs Wusterhausen einen solchen organisiert. In Marzahn und Hellersdorf soll es in Kürze auch Zäune geben. An alle Spender richten wir folgende Bitte:
Die Gaben sollen sinnvoll für Bedürftige sein. Verzichtet also auf das Entrümpeln Eurer Haushalte. Irgendwann hat die BSR auch wieder länger geöffnet …“

Gabenzaun an der Union-Tanke in Köpenick, Foto: Fanprojekt

Termin

Heute Abend um 19 Uhr könnt ihr Vertretern der Fan- und Mitgliederabteilung, der Unionstiftung, dem Eisernen Virus und dem Wirtschaftsrat auf Union-Kommunikationsplattform „Wir – Union vereint“ zuhören. Sie erzählen, warum sie sich gegründet haben und was sie eigentlich machen.

Wenn ihr online seid, könnt ihr 19 Uhr in den Veranstaltungsraum der Stiftung unter Sprachkanäle kommen und zuhören:

7 Kommentare zu “Dirk Zingler: Der Fußball darf sich nicht abkoppeln von der gesellschaftlichen Entwicklung

  1. „Wem das alles egal ist, den wird die Antwort von Dirk Zingler zufriedenstellen. Mir ist sie zu vage.“

    Das werden viele vielleicht ähnlich sehen, aber in der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Situation kann ein falsches Wort auch ganz schnell eine Lawine lostreten derer man dann nicht mehr Herr wird. Von daher sind weniger Worte manchmal besser als zu viele.

  2. »Ich erwarte von Dirk Zingler nicht, dass er alles weiß und genau und richtig einschätzen kann.« na ich bin mir doch ziemlich sicher, dass er mehr weiß und einschätzen kann, als er öffentlich weitergibt. mir reicht das im moment wirklich.

  3. Musiclover

    Da es hier noch nicht erwähnt wurde:

    Sonstiges: Hertha hat einen neuen Trainer.

    Frohes Osterfest!

  4. Man stelle sich vor, Zingler hätte auf die Frage nach der Existenz mit ja geantwortet.

    Aufschrei der Medien, der Sponsoren und Unruhe wären die Folgen.

  5. Ein Glück ist Kroos Fußballer und nicht Politiker geworden. ?

  6. meine meinung:

    union im sinne eines „teilnehmers“ an einer sich fortlaufend pervertiert habenden turbo-profitumspirale, also in seiner jetzigen verfassung, ist nach meinem empfinden sehr wohl – und NUR in diesem sinne – existenziell gefährdet.

    nicht jedoch – niemals! – aber als idee und wertegemeinschaft, als hochsozialer fußballclub also!

    und das muss auch so sein:
    denn das real existiert habende ökonomische system ist – vollkommen unideologisch gesehen, vielmehr rein logisch betrachtet – an seinen endpunkt gekommen.

    und das weiß natürlich auch ein kluger, hochverdienter, verantwortungsvoller und um die vielen für seinen herzensverein tätigen menschen besorgter mann wie dirk zingler.

    woran es gegenwärtig fehlt, und das liegt in der natur der dinge, ist ein tragfähiges, geordnetes ausstiegsszenario aus dem profi-fieberwahn.
    dieses gilt es zu erarbeiten.

    es wird weiterhin menschen geben, die als haupterwerbszweig fußball spielen.
    warum auch nicht?

    aber der neue, bezahlte fußball wird sich gemäß seiner untergeordneten relevanz für das funktionieren einer wahrhaft sozialmarktwirtschaftlichen gesellschaft den prämissen angemessen einordnen müssen.

    kein unioner muss angst um seinen verein haben.
    nochmal:
    WIR stehen zusammen.
    WIR werden EWIG leben!

    lasst uns union neu denken.
    zurück zum besten, was uns ausmacht…back to the roots.

    eisern!

  7. […] worum ging es in den gut 20 Minuten? Aus meiner Sicht stellt Dirk Zingler eine Kontinuität her zum Video von vor 14 Tagen, in dem er noch gefordert hat, dass der Fußball keine Sonderrolle einnehmen dürfe. Die Situation […]

Kommentare sind geschlossen.