Blog State of the Union

2021: Ein Union-Jahr voller Highlights und Zerwürfnisse

2021 war ein Jahr, das für mich mit dem Tor von Max Kruse gegen Leipzig einen der schönsten Momente beinhaltete, den ich in meiner Union-Fanzeit erleben durfte. Ein unfassbares Highlight mit legendärer und für manche auch berüchtigter Parkplatz-Party. Denn wir durften mit Union wieder Europacup erleben. Und entgegen der schwarzen Europapokalserie aus Unions Geschichte öffnete sich sogar das Pandemiefenster so, dass alle Auswärtsspiele mit Fans besucht werden konnten (okay, in Finnland musste die Uefa zur Zustimmung bewegt werden).

Feier auf dem Zaun nach dem Sieg gegen Leipzig. Bild via Fernsehübertragung
Feier auf dem Zaun nach dem Sieg gegen Leipzig, Bild via Fernsehübertragung

2021 war aber auch ein Jahr, in dem sich gezeigt hat, dass die Diskussionskultur innerhalb der Unionfans gelitten hat. Und da meine ich nicht nur die harten, teilweise unsachlich bis persönlich geführten Diskussionen über Corona-Impfungen oder Stadionzutritt nach 3G, 2G oder 2G+. Die führten dazu, dass wir erstmals tatsächlich die Kommentare für ein paar Tage zur Abkühlung abgeschaltet hatten. Aber auch schon vorher zeigte sich bei manchen Themen eine Verhärtung. Als Beispiel möchte ich die Debatte um die verbale Auseinandersetzung zwischen Nadiem Amiri und Florian Hübner nennen. Oder die unbelegten Vorwürfe gegen das Nachwuchsleistungszentrum.

Manchmal habe ich mir gewünscht, dass man vielleicht einmal selbst einen Schritt zurück treten kann, um seine eigene Haltung zu überprüfen und mit einer anderen abzugleichen. Dabei würde man vielleicht feststellen, dass man auch damit leben kann, dass die andere Person etwas anders sieht.

Erste Runde Helsinki, zweite Runde Prag ..., Foto: Stefanie Fiebrig
Erste Runde Helsinki, zweite Runde Prag …, Foto: Stefanie Fiebrig

Union hat uns 2021 in einem Pandemiejahr, das an uns gezehrt hat, viele Highlights geschenkt. Es gab auch traurige Momente. Wie der, als auf der wieder einmal nur digitalen Mitgliederversammlung die Namen all derer aufgezählt wurden, die nur noch in Gedanken bei uns sind. Als beim Fantreffen an Achims Platz nur noch sein Bild stand. Es gab bestürzende Momente. Als die Union-Delegation in Rotterdam überfallen wurde. Als es gegen Haifa einige antisemitische Übergriffe gab. Und jeder einzelne davon hatte das Potential, sämtliche Bemühungen Unions zunichte zu machen.

Es gab wieder viele Gespräche. Vielleicht aber nicht so viele, wie nötig gewesen wären. Vor und im Stadion. Auf Auswärtsfahrten. Zu Hause. Wir haben uns geärgert. Die einen über diesen Satz. Die anderen über einen anderen. Und am Ende des Jahres waren wir wieder nicht zusammen beim Weihnachtssingen. Aber all das hat uns auch gezeigt: Union ist uns nicht egal. Lasst uns auch im nächsten Jahr freuen, trauern, streiten, lachen. Für Union.

Erstes Fantreffen ohne Achim. Foto: Steffen Teichmann
Erstes Fantreffen ohne Achim. Foto: Steffen Teichmann

Und weil ich nicht alle Begebenheiten aufzählen will und kann, die uns dieses Jahr bewegt haben, gibt es hier wieder in umgekehrter Reihenfolge die Top 10 der am meisten geklickten Beiträge des Jahres als kleinen Jahresrückblick:

10. Aufklären können nur Nadiem Amiri und Florian Hübner (7224 Views)

Es war am Anfang des Jahres, als die Emotionen zum Ende des Heimspiels gegen Leverkusen überkochten. Auch für Profiverhältnisse waren die Worte drüber, die auf dem Platz fielen. Darüber reden wollte danach eigentlich niemand. Bis auf Jonathan Tah, der im Field-Interview von einer rassistischen Beleidigung durch Florian Hübner gegen Nadiem Amiri sprach. Kurze Zeit später waren Insta-Posts, die das Thema aufnahmen wieder gelöscht, aber der Geist ging nicht in die Flasche zurück. Auch wenn bis heute die Öffentlichkeit nicht genau weiß, was gesagt wurde. Florian Hübner wurde später vom Sportgericht wegen Unsportlichkeit verurteilt. Für Union wird das nicht der einzige Fall im Jahr 2021 bleiben, in dem der Club mit Rassismus in Verbindung gebracht wird, ihn aber öffentlich nicht aufklären kann. So gab es unbelegte Vorwürfe zur Aussortierung von Jugendspielern aufgrund ihrer Herkunft (hier hatten wir eine Auseinandersetzung mit der Recherche veröffentlicht).

9. Die Ablöse für Taiwo Awoniyi ist nicht so hoch wie zuerst berichtet (7415 Views)

Entgegen unserem Glauben konnte Union tatsächlich Taiwo Awoniyi fest vom FC Liverpool verpflichten. Und das, obwohl der Angreifer endlich eine Arbeitserlaubnis für Großbritannien erhalten hatte. Für Union ein Glücksfall, was allein die Zahl seiner geschossenen Tore in der aktuellen Saison und die Wehmut über die Abstellung für den Afrika-Cup zeigen. Doch wie hoch ist die Ablöse? Auch hier gilt: Genaues wissen wir nicht. Doch Union sah sich bemüßigt, allzu hohe Beträge zu dementieren. So sagte Oliver Ruhnert: „Wir verpflichten keine Spieler, die 7,5 Millionen Euro Ablöse kosten.“ Das war möglicherweise ein Zeichen an den Transfermarkt und dessen Erwartungen, was Union zahlen kann. Fakt ist: Union hat tatsächlich stark investiert. Ob nun über Ablösen oder Gehälter, der Kader wurde vom Potential her noch einmal deutlich verstärkt. Ein Zeichen, dass sich der 1. FC Union Berlin sportlich in der Bundesliga zu etablieren beginnt.

8. Ein verschenkter Derby-Sieg und zwei Mini-Aufreger mit Potenzial für ein teures Nachspiel (7423 Views)

Geisterderby und Union spielt dem Spielverlauf nach nur 1:1 gegen Hertha. Die größten Aufreger aus heutiger Sicht waren ein ferngezündetes Feuerwerk, das für einen Mini-Brand an einem Imbiss im Stadionumlauf sorgte, und Santiago Ascacibar, der Nico Schlotterbeck mit den Worten: „Steh auf, Arschloch!“ aus der Horizontalen bewegen wollte, in die er den Union-Verteidiger durch ein Foul selbst erst gebracht hatte. Für das Feuerwerk gab es eine DFB-Strafe, die Verursacher hatten sich selbst beim Verein gestellt. Ascacibar ging für seine Worte, die für Berliner Straßenverhältnisse eher milde waren, straffrei aus. Wir lernen: Arschloch ist okay. Hurensohn nicht.

Außerdem: Derbys ohne Zuschauer sind wie Derbys, die nicht stattgefunden haben. Nämlich seltsam emotionsfrei.

7. Es gibt erste Hinweise darauf, wie das neue Union-Trikot aussehen dürfte (7661 Views)

Wie jedes Jahr im Sommer schießen die Gerüchte über neue Trikots etwas ins Kraut. Dieses Jahr gab es Nadelstreifen als Gerücht, die an die Trikots aus der einen erfolgreichen Saison in den 80ern erinnerten. Zwar hat das neue Trikot tatsächlich Nadelstreifen, sieht aber doch anders  aus. Eine witzige Sommerpausenbeschäftigung, die wir uns für 2022 natürlich auf Wiedervorlage legen können.

6. Mit Rani Khedira könnte Union eine Neuverpflichtung tätigen, die nicht nur eine sportliche Dimension beinhaltet (7840 Views)

Was wurde emotional über Rani Khedira diskutiert, weil er mal für Rasenballsport Leipzig gespielt hat. Alte Zitate von Dirk Zingler wurden hervorgeholt. Die Unvereinbarkeit mit den Werten des 1. FC Union postuliert. Dazu war Felix, der den Beitrag geschrieben hatte, auch sportlich nicht sehr euphorisch. Nach der Hinrunde können wir sagen: Rani Khedira passt sportlich perfekt zu Union. Und die Diskussion über seine Zeit bei Rasenballsport ist verschwunden. Zum Brüderkampf mit Sami Khedira bei Hertha kam es nicht, weil der dann im Sommer seine Karriere beendete.

5. Verlieren die Tickets bei Union ihre Attraktivität? (7842 Views)

2021 war komisch. Einerseits beschwerten wir uns, dass das Ticketing-System bei Union unter dem Ansturm manchmal komische Fehler produzierte und wahnsinnig viel Zeit bei denjenigen fraß, die eine Karte haben wollten. Und andererseits gab es erstmals seit gefühlten Ewigkeiten wieder so etwas wie einen freien Verkauf von Tickets. Und zwar sowohl in der Bundesliga als auch im Europacup. Ausgerechnet in der Pandemie, in der das Angebot an Tickets deutlich geringer war als im normalen Spielbetrieb. Die Frage nach dem Warum lässt sich bis heute nicht seriös beantworten. Da gibt es vor allem Vermutungen. Fakt ist, dass es bisweilen etwas Zurückhaltung beim Kartenkauf gab. Fakt ist aber auch, dass trotzdem alle Bundesligaspiele ausverkauft waren.

Und der Artikel bestätigte auch die gute alte Journalistenregel, dass geschlossene Fragen in Überschriften in der Regel mit „Nein“ beantwortet werden können.

4. Das Union-rote Olympiastadion hat auch für Hertha etwas Gutes (8055 Views)

Haben einige Herthafans das kalte Kotzen bekommen, als Union die eigene Fahne auf dem Olympiastadion gehisst hat? Und die blaue Tartanbahn verhängt hat? Und das Stadion rot angestrahlt hat? Ja. Aber die Diskussion hat noch einmal die Dringlichkeit eines eigenen Stadions als eigene Heimat für Hertha herausgearbeitet. Denn als Mieter konnte sich der Club nicht dagegen wehren, dass das Olympiastadion an Union vermietet wurde. Union hatte dagegen Viktoria nicht das Stadion an der Alten Försterei als Spielstätte für die 3. Liga überlassen. Das wäre wahrscheinlich eine zu schluckende Kröte gewesen, wenn das Stadion noch dem Land Berlin gehören würde. Union als Katalysator für Herthas stockende Stadionpläne. Ein Hot Take, der perfekt zu diesem Jahr passte.

3. Stadionausbau Alte Försterei: Noch kein Baubeginn absehbar und doch jetzt schon zu klein (9256 Views)

In einem Gastbeitrag wurde dargelegt, dass das geplante Stadion an der Alten Försterei eigentlich zu klein für den boomenden 1. FC Union Berlin sei. Ob das stimmt, weiß natürlich niemand. Denn wie schon immer gilt: Prognosen sind dann besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Was allerdings klar zu sein scheint: 2022 soll es endlich mit dem Planungsrecht klappen. Das ist gute 3 Jahre später als der ursprüngliche Plan, der etwas optimistischer war. Zwischendurch ging man vom Planungsrecht 2019 aus. Fakt ist: Union plant weiter mit dem Stadion an der Alten Försterei. Und ein gemeinsames Stadion mit Hertha, wie es dem Gastbeitrag im zweiten Teil der Analyse vorschwebte, wird es so nicht geben. Also wenn wir mal vom Olympiastadion als aktuell teilweise gemeinsam genutzten Stadion absehen.

Stadionausbauplan aus dem Jahr 2017, Foto: 1. FC Union Berlin
Stadionausbauplan aus dem Jahr 2017, Foto: 1. FC Union Berlin

2. Manchmal kocht die Gerüchteküche über: Warum ein Transfer von Kevin Prince Boateng zu Union reichlich unrealistisch ist (9371 Views)

Transfergerüchte sind ein bisschen wie die Trikotspekulationen im Sommer. Sie geben der faden Sommerpause etwas Würze. Aber sie haben so wenig Substanz, dass sie mit Saisonstart auch vergessen sind. Ich zum Beispiel konnte mich gar nicht erinnern, dass es das Gerücht, der Prince würde zu Union wechseln, tatsächlich mal gab. Nun ja, immerhin die Stadt stimmte bei dem Gerücht. Das ist eigentlich gar nicht schlecht für die übliche Erfolgsquote solcher Nachrichten. Aber knapp daneben ist auch kein Treffer. Angesichts der Fitness und Verletzungen könnte man jetzt diskutieren, ob Hertha dieser Transfer geholfen hat. Aber das kann gerne ein Hertha-Blog übernehmen.

1. Union bekommt als einziger Bundesliga-Club nächste Saison mehr Fernsehgeld (16.167 Views)

Union hat als Club, der wirtschaftlich aufholt, tatsächlich einen gewissen Pandemievorteil. So bekommt Union mehr Gelder aus der Fernsehvermarktung als in der Vorsaison. Und das obwohl die Ausschüttungen durch den neuen Vertrag geringer ausfallen. Das liegt einfach daran, dass Union aktuell jedes Bundesliga-Jahr ohne Abstieg etwas weiter nach vorne bringt in der TV-Rangliste und dadurch mehr Geld erhält. Weitere Pandemievorteile: Keine Spieler, die auf langfristigen teuren Verträgen sitzen, deutlich geringere Kosten im Verein. Kürzungen in ähnlichen Sphären wie bei anderen Clubs mussten nicht vorgenommen werden (was nicht bedeutet, dass es keine Einschnitte für die Union-Mitarbeiter gab). In Erwartung der nachholenden wirtschaftlichen Entwicklungen wurde tatsächlich in den Sport investiert, um die Corona-Krise zu nutzen, um die Lücke zu etablierten Clubs wie Mainz, Augsburg schneller schließen zu können. Bisher scheint die Strategie aufzugehen. Aber tatsächlich bewerten können wir das Ergebnis wohl erst, wenn Union bei den TV Geldern kein Zweitliga-Jahr mehr angerechnet wird.

8 Kommentare zu “2021: Ein Union-Jahr voller Highlights und Zerwürfnisse

  1. Hallo Sebastian, vielen Dank für die tolle Zusammenfassung und die sehr passenden Worte, die mich zu 100% berührt und mitgenommen haben.
    EU Thorsten

  2. Vielen Dank Sebastian für den Jahresrückblick! Vielen Dank an das gesamte SotU Team für alle Beiträge. Euch allen einen guten Rutsch, lasst es krachen und auf ein gutes Neues Jahr! Eisern!

  3. Danke euch für die vielen interessanten und kritischen Beiträge. Einen friedlichen Jahreswechsel euch und macht weiter so!

  4. Danke Sebastian und alle TV-Helden.. Für die tollen Beiträge, vor allem aber auch die abgewogenen fairen Analysen die die guten aber auch unschönen Seiten unseres Vereins beleuchten.

    • Will keine Diskussion aufmachen aber was sind denn die guten und die unschönen Seiten unseres Vereins und wer entscheidet denn, welches die guten und welches die unschönen Seiten sind? Die Guten oder die Bösen, die Schönen oder die Häßlichen… ??? ;-)
      Guten Rutsch

  5. Ein klasse SotU zum Jahresausklang.. Auch ich wünsche Allen einen schönen Jahresausklang und einen guten Start ins Jahr 2022..
    EISERN!

  6. Bleibt wie ihr seid. Kritisch, authentisch, eisern!

    Danke

  7. Honigmelone

    Gut oder Schön, Böse oder Hässlich…. es spielt keine Rolle. Das gehört zum Leben dazu, weil jeder eine Meinung hat. Wir sollten auf jeden Fall lernen, nicht zu schnell verurteilen & nicht immer nur zu meckern… Ich lese gerne Deine Ausgabe & bin mit mir selbstkritisch. UNION hat mich diesen ja sehr überrascht & trotzdem total begeistert. Kommt gut ins neue Jahr & bis bald

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