Blog State of the Union

Union ist brutal gegen Bielefeld und Max Kruse lebt sein Life

Wenn ich mir für das 5:0 gegen Bielefeld einen Spielverlauf hätte malen dürfen, dann wäre er genau so gewesen. Schnelles Tor mit der ersten Aktion, um dem Gegner was zum Nachdenken zu geben und gleich noch einen Treffer hinterher. Dann die Tore vor und nach der Halbzeit als heftige Wirkungstreffer, die den Gegner nach dem Niederschlag sich fragen lassen, ob es vielleicht besser wäre, nicht wieder aufzustehen.

Das 5:0 ist Unions höchster Bundesliga-Sieg, Instagram: Die Eisernen
Das 5:0 ist Unions höchster Bundesliga-Sieg, Instagram: Die Eisernen

Es war brutal, was Urs Fischers Team da angestellt hat. Aber diese brutale Effizienz war genau das, was in solch einem Spiel nötig ist, um nicht das Meme zu bedienen, das alle Fans von ihren Mannschaften haben: nämlich man sei der Aufbaugegner für Gegner in Schwächephasen.

Wie gemalt war die Partie für die Außenspieler Sheraldo Becker und Keita Endo, die mit ihrem Tempo die Außenverteidiger so dermaßen stehen ließen, dass es aussah, als würden die mit Gewichten laufen müssen. Schade, dass Endo noch in der ersten Halbzeit verletzt raus musste. Das sah leider nicht wie eine Verletzung aus, die nach der Länderspielpause sofort wieder verheilt. Aber er hat sein erstes Tor. Ebenso wie Becker.

Und für Endo kam Andy Gogia, der im Spiel noch nicht die gleichen Automatismen hat wie die anderen, aber den Elfmeter im Strafraum zum 4:0 herausholte und mit einem sehenswerten Lupfer das 5:0 vorbereitete. Wenn das die Ausbeute eines Spielers ist, der noch den Spielrhythmus braucht, dann kann man echt nicht meckern. Kaum vorstellbar, dass Union in der Partie noch Chancen hat liegen lassen.

Das Team von Urs Fischer hat einen Lauf zur rechten Zeit und ich verstehe einen leicht genervten Grischa Prömel, der lieber diesen Lauf mit der Mannschaft erleben würde, als in der Halbzeit bei Sky ans Mikro zu müssen, was er dem verdutzten Feldreporter Jest Westen auch direkt sagte.

Max Kruse macht Max-Kruse-Dinge und das ist am besten so

Überhaupt hat mich genervt, wie sehr der Kommentator sich schon auf ein Max-Kruse-Interview nach der Partie gefreut hat. Und wenn ich mir die Fragen an die Spieler nach der Partie so angehört habe, muss ich sagen, dass es wohl die beste Entscheidung war, Max Kruse nicht zum Interview zu schicken. Da wird die ganze Zeit versucht, das Bild einer Skandalnudel zu zeichnen, die aber merkwürdigerweise perfekte Leistung bringt.

Aus einem Halbsatz von Robert Andrich, der sagte, dass er sich mit Max Kruse fußballerisch perfekt verstehen würde, sollte ein Halbskandälchen gekocht werden. Da fragt Sky plötzlich hart nach. Wenn Millionen beim DFB verschwinden oder der FC Bayern einen Spieler wie David Alaba zum Trocknen raushängt, wird das devot übergangen. Es war wirklich zum Fremdschämen. Natürlich könnte man sagen wie Martin Schneider von der Süddeutschen, dass Max Kruse mehr aus seinem Potential machen könnte.

Aber vielleicht macht es ihm dann keinen Spaß mehr? Vielleicht braucht er den Kopf frei neben dem Training und der Arbeit als Leistungssportler, um das ganze monotone Leben als Fußballprofi zu ertragen? Vielleicht braucht er das für den Kick oder was weiß ich auch immer.

Es ist schlicht egal. Und mir zeigt das nur, wie bieder Sportberichterstattung beziehungsweise der Entertainmentpart immer noch ist. Wie verkniffen und bigott ist das eigentlich? Vielleicht passt hier das Martin Luther zugeschriebene Zitat am besten: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.“

Unions Resistenz, medial irgendetwas mitzuspielen, passt hier perfekt für Kruse. Genauso die hervorragende Eigenschaft Berlins, dass es furchtbar egal ist, was man macht. Das regt diese Stadt einfach nicht auf. Weder im Positiven noch im Negativen. Hier kann man auch als Fußballprofi ausgehen, ohne dass sich die Fotos davon in den Medien finden oder man ständig Autogramme geben muss. Und vielleicht ist es irgendwann auch medial zu mau, aus jedem Twitch-Stream oder jeder Insta-Story eine Geschichte machen zu wollen.

Für mich hat Max Kruse all die Eigenschaften, die auch Torsten Mattuschka bei Union hatte. Genialer Fußballer, nicht der asketischste Profi, lebt aber das Leben, wie wir alle es irgendwie machen würden und sagt auch Dinge, die die meisten sagen würden. Der Unterschied ist am Ende möglicherweise nur, dass Kruse aus der Nähe von Hamburg kommt und kein Malergeselle aus Cottbus ist.

Urs Fischer hat das alles in viel kürzeren Worten als ich auf der Pressekonferenz zusammengefasst: „Und dann gibt es auch noch einen Max privat. Da äußert er sich manchmal anders als ich das tun würde. Aber das ist auch sein gutes Recht. Bei der letzten Situation hat er sich entschuldigt. Auch das gehört dazu. Das zeigt dann eben auch die Klasse, die er hat.“

Nein, Union korrigiert jetzt nicht das Saisonziel

Neben dem bigotten Kruse-Hype bin ich von Europacup-Fragen genervt. Während man sich den Spaß machen konnte, am Abend vor dem Spiel Dortmund gegen Bayern zu hoffen, dass sich beide gegenseitig die Punkte wegnehmen, wissen wir alle, dass Union dort in der Tabellenregion über die gesamte Saison gesehen nichts zu suchen hat. Wie weit weg muss man von den Themen des Vereins sein, um ernsthaft zu fragen, ob jetzt das Saisonziel Klassenerhalt korrigiert würde?

Sorry, das ist hier normalerweise nicht mein Style, mich so viel auf Berichterstattung zu konzentrieren. Liegt vielleicht daran, dass ich nicht ins Stadion konnte und stattdessen Sky schauen musste. Ich genieße ehrlich gesagt den sorgenfreien Tabellenstand gerade. Erst recht in einer Zeit voller Sorgen.

Wenn Union international, dann sehe ich es gerade lieber, dass der deutsche Botschafter in Großbritannien Unioner ist:

Dass bei Union niemand durchdreht, zeigt auch die Tatsache, dass dieses Gif von Ritter Keule, wie er die Zahlen an der Anzeigetafel austauscht nur bis 5 vorbereitet wurde.

Hier sind die Spielberichte der Berliner Medien:

Auf den anderen Plätzen

Während die meisten Union-Teams aktuell nicht trainieren dürfen, hat die Trainerin des ersten Frauen-Teams, Juliane Guhr, ihren Vertrag aufgelöst. Ich bin gespannt, wer jetzt den Job übernimmt.

Und sonst so?

Marius Bülter ist nach positivem Coronatest in häuslicher Quarantäne (Mitteilung des Vereins).

Der Kicker berichtet von einem Treffen von 14 Bundesliga-Clubs (auch Union) und dem HSV am Montag, in dem es neben der schwelenden Frage der Verteilung der TV-Gelder auch um Zukunftsthemen des Profifußballs geht (Schwäche des DFB, Suche nach neuem DFL-Geschäftsführer und Corona-Pandemie).

Heute Abend erscheint eine Folge von „Pogovorim pro Fankulturu“, in der ich zum Thema Blog interviewt wurde. Darin ist auch die News, dass uns der 1. FC Union Berlin noch nie in Themen hineingeredet hat oder Einfluss genommen hat und das auch nie machen würde. Das ist aus unserer deutschen Sicht vielleicht gar nicht so spannend, aber angesichts der Besitzverhältnisse osteuropäischer Clubs dann doch. Und gerade an Vertreter von Fußballfankultur in Belarus, Ukraine und der Russländischen Föderation richtet sich die Reihe „Pogovorim pro Fankulturu“. Schaut euch gerne die anderen Videos an.

4 Kommentare zu “Union ist brutal gegen Bielefeld und Max Kruse lebt sein Life

  1. Maria Draghi

    Apropos Medien: Witzig auch, wenn Mottenpost-Färber auf der PK nach Europa fragt, Urs Fischer dies ausdrücklich verneint, aber Färber dann trotzdem genau diese Behauptung aufstellt.

    Nach dem Motto: Ich frag dich was und du kannst antworten was du willst, ich lege dir sowieso die Antwort in den Mund, die mir passt.

    Braucht sich kein Medium und kein Journalist wundern, wenn niemand bereit ist, für sowas Geld zu zahlen.

  2. „Für mich hat Max Kruse all die Eigenschaften, die auch Torsten Mattuschka bei Union hatte. Genialer Fußballer, nicht der asketischste Profi, lebt aber das Leben, wie wir alle es irgendwie machen würden und sagt auch Dinge, die die meisten sagen würden. Der Unterschied ist am Ende möglicherweise nur, dass Kruse aus der Nähe von Hamburg kommt und kein Malergeselle aus Cottbus ist.“

    Ich glaube, da gibt es noch einige andere Unterschiede und seid mit nich böse, aber man spricht hier von 2 _vollkommen_ unterschiedlichen Klassen an fussballerischem Potential. Wenn man dabei auch noch bedenkt dass Fischer vor 2 Wochen in der PK meinte, Max wäre im Training jetzt so bei 70%… Der Vergleich hinkt für mich, und das auch gewaltig.

  3. Bah, ich hasse Jürgen Klopp dafür, dass er „brutal“ als Synonym für „sehr“ bzw. „gut“ im Fußball etabliert hat und ich das nun überall ständig höre und lese.

    • Sepp,
      da hast Du mal brutal recht.
      Sehr dämliche Umwidmung eines sowieso schon unsympathischen Adjektivs.
      Muss man zum Glück trotzdem nicht „ständig überall“ hören, sondern eigentlich nur im Fussballkontext, in dem ja ohnehin viel Unfug geredet wird. Diese seltsame neue Brutalität ist aber zum Glück noch nicht im normalen Leben angekommen (in meinem jedenfalls noch nicht).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert