Blog State of the Union

„Europapokal, Europapo, Europapokal, Europapo, Europapokal…“

Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa! „Irgendwann, irgendwann einmal“ ist jetzt! (Oder zumindest bald). Union spielt nach genau 20 Jahren wieder international. Und da ist es auch scheißegal, was das für ein Wettbewerb ist. Denn diese Teilnahme ist einfach die Belohnung für eine unfassbare Saison.

Für eine Saison, über die man mit Fug und Recht sagen kann, dass es die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte ist. Natürlich hat Union nicht den Pokal gewonnen wie damals oder ist nach anfänglichen Schwierigkeiten souverän aufgestiegen und hat als großer Außenseiter nur knapp das DFB-Pokal-Endspiel verloren wie 2001. Auch die Saison 1985/86 mit dem FDGB-Pokal-Finale, dem Gewinn des Intertoto-Cups und einer für einen Aufsteiger sehr guten Endplatzierung war sicherlich legendär. 1970/71 ist zudem die Spielzeit in der Union seit der (Neu-)Gründung 1966 den bisher höchsten Tabellenstand (5. Platz) überhaupt erreichte.

Und dennoch. Ich würde den 7. Tabellenplatz in dieser Saison höher einordnen als alles bisher Dagewesene. Im Jahr 2021, in dieser Fußballwelt, ist ein 7. Rang für einen Verein wie Union, auch mit Blick auf alle anderen ehemaligen DDR-Oberliga-Mannschaften, einfach phänomenal und vielleicht – ich hoffe es nicht, jetzt habe ich Blut geleckt – auch das höchste der Gefühle.

Der Spielbericht muss ausfallen

Soviel zur relativ nüchternen Einordnung einer Saison, die eigentlich nicht nüchtern betrachtet werden kann. Die Szenen des gestrigen Tages sind dagegen eher in die Kategorie „Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann“ einzuordnen. Ich für meinen Teil bin nach einer nicht allzu langen Nacht auf jeden Fall im Union-Trikot aufgewacht und habe trotz nicht übermäßigem Alkoholkonsums dann doch erst einmal auf dem Handy gecheckt, ob das gestern wirklich alles so stattgefunden hat.

Trotzdem verzeiht mir bitte, dass ich nicht groß auf Spielszenen eingehen werde, da ich nur die erste Halbzeit in einer Kneipe gesehen habe und vom Rest bisher nur die Zusammenfassung kenne. Wer einen Spielbericht lesen möchte kann dies hier tun. Und die Highlights wie das unfassbare Volley-Eckentor von Marvin Friedrich (Kostadin Vidolov bist du es?) sowie das komplette Spiel gibt es natürlich auf AFTV.

Max Kruse dreht nach seinem Tor für Europa ab. Foto: Stefanie Fiebrig

Rund ums Spiel

Doch wo soll man bei den vielen Eindrücken vor oder auch nach dem Spiel anfangen? Bei den Verabschiedungen von Aufstiegshelden wie Hübi, der über Marius Bülters Trinkverhalten Interessantes zu sagen hatte, Andy Gogia, der sichtlich emotional vor der Kamera ein paar Abschiedsworte an die Union-Fans richtete, und Lenzi?

Christopher Lenz wird vor dem Spiel verabschiedet, Foto: Stefanie Fiebrig

Bei den Szenen nach dem Spiel in und ums Stadion, als sich innerhalb weniger Minuten eine feiernde Menschenmasse auf dem Parkplatz einfand und „erstmal steigen wir auf, dann Pokal, international“ sang.

Oder beim achtarmigen Teufelskerl Andreas Luthe, der völlig zurecht mehrmals mit Sprechchören gefeiert wurde und dem das fast ein bisschen unangenehm schien, da er ja eigentlich nur mit Papa (?) den Moment genießen wollte.

Mit einem enthusiastischen Bengalofeuerwerk in ziemlich vielen Farben, das mich trotz oder gerade wegen der Maske zwischenzeitlich zwar fast ersticken ließ, ansonsten aber einfach nur schön anzusehen war?

Oder bei Anthony Ujah, der sich als Feierkönig ja schon einen gewissen Ruf erarbeitet hat und gestern neben seinen Knipser-Tätigkeiten (mehr Fotos hat gestern wohl nur Steffi gemacht) auch als Pyromane eine gute Figur abgab.

Stimmungskanone und Einheizer Anthony Ujah, Foto: Matze Koch

Es gab etliche, kleine, schöne Momente wie die des überraschenden Feierbiestes Keita Endo, der sich auf dem Balkon noch auf einen Tisch stellte und von Grischa Prömel sehr gewissenhaft und liebevoll festgehalten wurde, damit er nicht runterfällt.

Keita Endo will hoch hinaus, Foto: Matze Koch

Taiwo Awoniyi entledigte sich, genau wie Sheraldo Becker oder Niko Gießelmann, schon früh seines Oberteils und sammelte dann fleißig Fashion-Punkte.

Ich könnte jetzt noch unzählige, weitere kleinere und größere Anekdoten oder Beobachtungen wiedergeben. Über Marvin Friedrich beispielsweise, der zwar leider nicht seine Vertragsverlängerung verkündete, aber am Megaphone als Einpeitscher dennoch eine gute Figur abgab. Oder über Sebastian aus unserem Team, der aufgrund von Euphorie „kurz vorm Stadionverbot“ stand.

Alle Beteiligten haben wahrscheinlich eh sehr vielfältige Perspektiven auf den gestrigen Tag. Eine Emotion hat uns Unioner wahrscheinlich aber dennoch verbunden: Eine ungeheuere Freude, eine überschwängliche Euphorie, die nur schwer in Worte zu fassen sind. Ich meine nochmal: Der 1. FC Union wird nächste Saison internationale Spiele bestreiten. Das ist einfach fucking unfassbar!!!

Kritik an kaum eingehaltenen Corona-Regeln

Für alle Anwesenden waren die gestrigen Erlebnisse wahrscheinlich Szenen, die sie sehr sehr lange im Kopf behalten werden. Szenen, die in der jüngeren Vereinshistorie nur durch den Aufstieg in die Bundesliga getoppt wurden. Und dennoch war es diesmal natürlich anders. Und auch das muss erwähnt werden. Ich war selbst vor Ort und auf dem Parkplatz und kann daher jegliche Kritik an den nicht eingehaltenen Abständen aber vor allem an den wenigen Maskenträger*innen verstehen. Insbesondere wenn sie von Unioner*innen kommt, die sich bewusst – obwohl sie sicherlich große Lust gehabt hätten – dagegen entschieden haben auch an die Alte Försterei zu kommen.

Alle, die das Zusammenkommen scheiße fanden, kann ich verstehen. Ich möchte mich auch null in Relativierungen flüchten und nehme jede, auch persönliche, Kritik an.

Trotzdem ist ab einem bestimmten Punkt eine kaum noch zu stoppende Eigendynamik entstanden, die nach über einem Jahr Pandemie mit viel Verzicht und noch weniger Stadionbesuchen vor allem im Verbund mit dem verrückten Saison- und auch Spielverlauf, schwer zu stoppen war.

Ich hoffe einfach, dass alle Anwesenden in den nächsten Tagen etwas in sich reinhören, sich am besten regelmäßig Testen lassen und wenige Leute treffen. Dirk Zingler hat sich bereits geäußert und dabei erwähnt, dass die Abläufe mit den Sicherheitsbehörden so abgesprochen waren.

Medienberichte zu Unions Europapokal-Einzug

Danke an alle Unionerinnen und Unioner, an alle Leserinnen und Leser

Zum Abschluss möchte ich mich einfach Kapitän Christopher Trimmel anschließen und auch „Danke“ sagen!

Nach meiner ersten Saison beim Textilvergehen möchte ich mich ganz herzlich beim ganzen Team dafür bedanken, dass sie mich, auch wenn ich die meisten immer noch nicht persönlich kennengelernt habe, so freundlich und hilfsbereit aufgenommen haben! Ich hoffe, dass wir uns bald mal alle sehen. Außerdem möchte ich mich bei allen Leser*innen fürs Lesen, Diskutieren und Fachsimpeln bedanken und auch dafür, dass mich viele auch immer wieder super persönlich gegen Kritik verteidigt haben. Vielen Dank dafür!

Das soll allerdings nicht heißen, dass nicht mehr kritisiert werden soll. Solange alle Meinungsverschiedenheiten, wie es zum Glück größtenteils hier auch immer geschieht, in einem respektvollem Rahmen ablaufen, sollten wir uns weiter streiten. Für mich gehört das nämlich genauso zu Union wie sich nach einem Tor in den Armen zu liegen. Hoffen wir einfach, dass wir genau das nächste Saison wieder häufiger in der wunderschönen, immergrünen Alten Försterei tun können!

Danke und niemals vergessen: EISERN UNION!!!

15 Kommentare zu “„Europapokal, Europapo, Europapokal, Europapo, Europapokal…“

  1. Lassen wir einfach mal feiern und geniessen. Was ‚der Sport‘ bei Union geleistet hat, ist unfassbar. Die Diskussionen um den Parkplatzfeier sollten dies nichgt überschatten. Ich hab brav eine Maske getragen, andere nicht. Jeder darf sich dazu seine Meinung bilden, aber wie erwähnt passieren solche Sachen manchmal einfach wenn nach 15 Monaten Elend es endlich was zu feiern gibt. Eisern!

  2. Ich muss ganz dringend Abbitte leisten: Ich war BIS GESTERN kein großer Luthe-Fan und fand seine Spieleröffnung immer recht abenteuerlich. Was der Typ aber gestern rausgeholt hat, war unfassbar und lässt mich meinen Hut ziehen. Vielen Dank an das komplette Team auf dem Rasen und auch herzlichen Dank an das Team vom Textilvergehen für eine exzellente Saison. „We have a grandios Saison gespielt!“ – Roman Weidenfeller

  3. Phrandts

    Also bei allem Verständnis für Eigendynamik: Wie kann man zu Beginn des Spiels ausdrücklich an alle Anwesenden appellieren, die Regeln einzuhalten, und dann nach dem Spiel ausdrücklich alle zur großen gemeinsamen Party einladen??? Das ist schon sehr merkwürdig…

  4. Danke Felix für dein SotU heute! Es ist wirklich megakrass und einfach nur der Waaaaaahnsinn, dass Union Platz 7, 50 Punkte, 16 ungeschlagene Heimspiele geschafft hat. Ich habe das allein in meinem Wohnzimmer gefeiert und das 2:1 Siegtreffer gefühlt 100 mal angeschaut, um immer wieder den Fernseher zu zu jubeln :)
    Ich möchte aber in all der Union-spielt-International-Partylaune noch kurz erwähnen, dass mit Frank-Peter Raasch ein Mitarbeiter von Union Berlin in Folge einer Covid 19 Erkrankung nach monatenlangem Kampf vor kurzem verstorben ist. Er wäre sicherlich auch auf dem Balkon zu finden gewesen und hätte mit der Mannschaft gefeiert. Der Sieg war auch für ihn. Christoph Biermann erwähnt ihn auch kurz in seinem Buch auf Seite 99. „Wenn die Zeit endet, beginnt die Ewigkeit! Ruhe in Frieden, Frank-Peter.“

  5. Konrad Neumaier

    „Ich möchte nichts relativieren, trotzdem…“
    Bitte an den ersten Halbsatz halten!

    Das Verhalten vieler Unioner ist frustrierend. So verlängert man die Pandemie und der Zeitpunkt, ab dem wir wieder ganz normal in die Försterei kommen können. Es ist zum kotzen und eiserne Scheiße, die da gestern produziert wurde.

    • Felix Morgenstern

      Für mich ist das mit der Eigendynamik keine klassische Relativierung sondern sollte ausdrücken, wie ich die Situation empfunden habe. Trotzdem kann dieser Erklärungsansatz auch als Relativierung gelesen werden.

      Inhaltlich hast du insgesamt natürlich komplett recht. Mittlerweile habe ich trotz all der Freude auch große Bauchschmerzen und finde es scheiße dabeigewesen zu sein. Ich hoffe einfach, dass wir alle (die Anwesenden) daraus lernen und sich niemand angesteckt hat!

  6. Martin Behnke

    Bei allem Verständnis für Euphorie find ich das auch extrem übel.

    Folgerichtig wäre es wohl, beim nächsten Heimspiel nur noch halb so viele Zuschauer, dafür aber doppelt so viele Ordner einzubestellen.

    Apropos Zuschauer: Dürfte in der Conference wohl die einzige nennenswerte Einnahmequelle werden, daher war das gestern gleich doppelt sch….

    …asozial darf man wohl ruhig sagen, wenn beim nächsten Spiel statt denkbarer 5000 nur 1000 eingelassen werden. 4000 gucken dann in die Röhre, die auch gern mal wieder Live-Fussball gesehen hätten.

    Sportlich kriegt Union das schon irgendwie hin. Späte Abgänge von Ergänzungsspielern/Leihrückkehrern, erste Pokalrunde mit der dritten Reihe, 2 safety-Zugänge kurz vor knapp, separate Vorbereitung für EM-Teilnehmer.

    Wenn ich in 30 Jahren mal bei ner Quizshow bin, und nach dem ersten Deutschen Teilnehmer in der Conference League gefragt werde, dann brauch ich jedenfalls mal keinen Telefonjoker !

  7. Snowlife

    Leute, die Virologen unterscheiden immer wieder zwischen Indoor and Outdoor.
    Zurecht.
    Für mich war wichtig, dass keine Menschen angegriffen wurden.
    Schlussendlich war die Party friedlich.

  8. Auch ich will nichts relativieren. In der Mitte auf dem Parkplatz war es zu eng und z.T. leider auch ohne Maske. War nicht ok. Gleichzeitig waren alle getestet (negativ) und schon etwas aus der Mitte raus, wurde Abstand gehalten und Maske getragen. So habe ich und viele andere es getan.

    • Glaube nicht das alle getestet waren, wenn im Stadion 2.000 waren, auf dem PP aber doppelt so viele (wohl um die 4.000). Du glaubst doch nicht, dass alle zusätzlichen wirklich getestet waren

  9. Der Tagesspiegel-Kommentar bringt es auf den Punkt.
    Mehr ist dazu nicht zu sagen.

    • Konrad Neumeier

      Tests bringen da keine Sicherheit.

  10. Ich möchte mich auch mal ganz herzlich bei der Mannschaft und allen anderen Mitarbeitern des 1.fc union recht herzlich für diese super geile Saison bedanken. Einfach nur geil. Zu dem Thema feiern vor dem Stadion noch ganz kurz meine Meinung nicht ok aber gegenüber was in Köln und Bremen war kann ich es vertreten Mfg. Eisern Union

  11. Danke Felix für deine offenen Worte.
    Ich war auf eine Bierlänge nach dem Spiel auf dem Parkplatz. Ich habe in viele glückliche Gesichter geschaut. Du kriegst die Liebe zum Verein, zu den Spielern, zu der sportlichen Sache an sich, nicht raus aus einem (Union) Fan.
    Ich habe auch die wenigen Polizisten am Eingang gesehen. Und ich glaube, die hatten die Lage ganz genauso eingeschätzt. Sie schauten da zu, weil einfach etwas lange Aufgestautes raus musste. Und das ohne jegliche Aggressionen. (Hallo DD)
    Ich weiß um das Risiko und teile Eure Bedenken.
    Bitte setzt aber bei der Diskussion auch mal die aktuelle Inzidenz auf die Zahl der Leute dort um. Wieviel theoretisch Infizierte waren dann noch dort? 1/3 der Leute trug ne Maske. Umarmungen habe ich kaum gesehen und Platz war genug.
    Man kann die Leute nicht ewig aussperren oder reglementieren.
    Und zum Artikel im Tagesspiegel nur soviel. Für jemanden, der jedes Heimspiel zwar legitimiert aber dennoch privilegiert im Stadion verbringen durfte, wäre ein differenzierter Beitrag gegenüber allen, die sonst ins Stadion dürfen und auch da hingehören, angebracht gewesen.
    Wenn wir dem folgen, sitzen wir in 5 Jahren immer noch auf der Couch und schauen Fußball. Ach nee, der stirbt ja leider ohne uns Fans. Der Sportjournalist kann dann kommen und den Scherbenhaufen wegfegen.

Kommentare sind geschlossen.