Blog State of the Union

Herthas Problem ist nicht der 1. FC Union Berlin, sondern bisher war es Hertha selbst

Mal fix vorneweg: Max Kruse war wegen einer Entzündung nach einer Zahnwurzelbehandlung nicht beim Training, sondern beim Arzt (Bild/BZ). Er dürfte heute wahrscheinlich wieder trainieren können. Ansonsten gibt es von der ersten Einheit in der Derby-Woche gar nicht so viel zu berichten, weil einige Spieler noch nicht von den Nationalmannschaften zurück sind. Von der recht lockeren Einheit berichten (Kurier, BZ, Kicker). Linksverteidiger Christopher Lenz nahm am kompletten Training teil und an einem Interview eines Sponsors auf Instagram.

Christopher Lenz absolvierte das komplette Mannschaftstraining, Foto: Matze Koch

Die Bild/BZ sucht jeden Tag einen Gegensatz zwischen Hertha und Union. Heute ist es der, dass mehr Stammspieler von Union auf Länderspielreisen sind als von Hertha. Stammspieler berechnet sich laut Text danach, welche Nationalspieler im vergangenen Bundesligaspiel in der Startelf standen. Das waren 3 von Hertha und 5 bei Union.

Das ist aus meiner Sicht jetzt kein riesiger Gegensatz und kommt vor allem durch die aufgeteilte U21-EM in Ungarn zustande (Gratulation an dieser Stelle an Nico Schlotterbeck für das Erreichen des Viertelfinales, das ab 31. Mai gespielt wird). Permanent im Startelfeinsatz waren die die drei A-Nationalspieler Christopher Trimmel, Marcus Ingvartsen und Joel Pohjanpalo jedenfalls bisher nicht, so dass sich deren Spielbelastung in Grenzen hielt.

Warum ist Union überhaupt Thema bei Hertha?

Apropos Gegensatz: Die Bild (Bezahl-Link) hat am Dienstag auch von Herthas Plan berichtet, schnell wieder mehr Mitglieder als Union zu bekommen. Das soll mit Hashtags, Aufklebern und einer Mitgliederwerbungs-Kampagne passieren. Wieso auch nicht?

Was mich allerdings schon wundert: Dass Union kurzzeitig ein wenig mehr Mitglieder hat und in der Tabelle vor Hertha steht, scheint dazu geführt haben, dass der 1. FC Union Thema bei Hertha-Gremien geworden ist. Ich kenne die internen Analysen von Hertha nicht, aber wenn ich der Berichterstattung der Bild entnehme, dass Hertha mittlerweile Union zur Zielmarke (oder um im Marketing-Sprech zu bleiben: zur Benchmark gemacht hat), dann bin ich doch irritiert.

Vergangenes Jahr gab es eine Fähnchen-Kampagne von Hertha, Twitter: Saumselig
Vergangenes Jahr gab es eine Fähnchen-Kampagne von Hertha … , Twitter: Saumselig

Erstens liegen zwischen Hertha und Union Welten, was die finanziellen Gestaltungsspielräume betrifft. Hertha hat zwar durch die Corona-Krise Verluste im zweistelligen Millionenbereich erlitten, aber durch das Geld von Investor Lars Windhorst recht viel Spielraum für Investitionen. Das ist zumindest kurzfristig ein Vorteil gegenüber sehr vielen etablierten Bundesliga-Clubs.

Ob das mittel- oder langfristig ein Vorteil sein wird, hängt von den Investitionen ab. Hier gilt wie bei allen Investorengeldern, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Es fließt nur neues Geld, so lange Anteile an der Kapitalgesellschaft verkauft werden. Die sind nicht unendlich (aktuell hat Hertha 66,6% der Anteile verkauft). Ein signifikanter Unterschied zu anderen Clubs in der Bundesliga wie Rasenballsport Leipzig, Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim, bei denen aus verschiedenen Gründen permanent Geld zufließen kann.

Es liegen auch Welten zwischen Hertha und Union was Stadiongröße, Zuschauerschnitt, Kosten für die Mannschaft und deren individuelle Qualität betrifft. Und aus dem Grund wundere ich mich ein wenig darüber, warum sich Hertha so klein macht, weil sie kurzzeitig bei zwei Kennzahlen hinter Union liegen.

Wenn Hertha-Präsident Werner Gegenbauer im Oktober 2020 ausgibt, bis 2024 die Marke von 50.000 Mitgliedern erreichen zu wollen, dann ist das ein strategisches Ziel, mit dem ich etwas anfangen kann. Aber sich als Ziel zu setzen, bis Ende 2021 wieder mehr Mitglieder als Union zu haben? Nun ja, das muss jeder Club selbst wissen. Union hat Hertha jedenfalls keine Mitglieder weggenommen und bis zum Sonntag mindestens auch keine Punkte in dieser Saison. All das hat sich Hertha selbst erarbeitet.

Und ich erkenne ehrlich gesagt nicht, wo (außer im Sponsoringbereich), sich die Wege beider Clubs tatsächlich ernsthaft kreuzen können. Herthas strategische Themen verschwinden nicht plötzlich, nur weil Union vielleicht mal wieder in die Zweite Liga absteigt. Die Probleme beim Erreichen werden durch die Anwesenheit von Union in der Bundesliga nur deutlicher. Ohne Konkurrenz wird im Zweifel das eigene Mittelmaß nicht sichtbar. Das gilt für alles im Leben.

Union hat ganz eigene strategische Ziele

Union hat viele eigene Themen, die bearbeitet werden müssen, um sich strategisch besser aufzustellen. Dazu gehört der Bau des Nachwuchsleistungszentrum, die bessere sportliche Integration des Nachwuchses, konstante Etat-Steigerungen in der Bundesliga, um auch finanziell wettbewerbsfähig zu werden und der Stadionausbau, nach dem Union beweisen muss, dass auch 38.000 Plätzen konstant belegt werden können.

Auch hier sehe ich nicht, wie sich die Clubs (noch einmal: außer bei der Sponsorensuche, wobei auch da die Regalhöhe durchaus unterschiedlich ist) ins Gehege kommen können. Union verhindert durch den eigenen Plan zum Stadionausbau nicht den Stadion-Neubau von Hertha. Das hat der Club durch das Agieren des Stadion-Managers Klaus Teichert bisher ganz alleine geschafft.

„Die Zukunft gehört Berlin“ steht hinter Union-Präsident Dirk Zingler beim Derby im Dezember 2020, Foto: Matze Koch

Wenn sich Hertha nun kurzfristig Union als Ziel setzt, um bei Mitgliedern und Tabellenplätzen wieder zu klettern, so lenkt das vor allem von eigenem Missmanagement in der Vergangenheit ab. So viel Ehrlichkeit muss schon sein.

Aber falls es jemanden interessiert: Stand heute hat der 1. FC Union 37.646 Mitglieder. Das sind 415 mehr als zum 31.12.2020.

Das ist die weitere Derby-Vorberichterstattung:

Und sonst so?

Bei T-Online gibt es einen ausführlichen Text zum Thema Qualifizierung als Manager eines Fußballvereins. Am Anfang gibt es einen langen Quervergleich zu den vielen vorgeschriebenen Qualifizierungen für Bundesligatrainer. Aber dann kommt es zu dem Zertifikats-Kurs von DFL und DFB zur Qualifizierung von Managern, der in dieser Saison erstmals stattfindet und den aus Union-Reihen Christian Gentner besucht.

Christian Gentner (rechts) absolviert den Zertifikats-Kurs von DFL und DFB und fehlt deshalb ab und zu im Training, Foto: Matze Koch

Die interessanteste Diskussion ist aus meiner Sicht im Text: Braucht es wirklich eine vorgeschriebene Qualifikation für die Manager-Positionen von Fußballvereinen oder ist das zu viel Regulierung?

Ich bin irgendwie aktuell in dem Status, dass ich finde, dass Vereine diese Qualifikationen bei der Suche nach Managern selbst festlegen sollten. Das führt dann vielleicht dazu, dass im Nachhinein die Ausschreibung geändert wird, damit sie für den Wunsch-Kandidaten passt. Aber das ist dann eben die unternehmerische Freiheit eines jeden Clubs.

13 Kommentare zu “Herthas Problem ist nicht der 1. FC Union Berlin, sondern bisher war es Hertha selbst

  1. Pándorà

    Naja Hertha ist ja wohl wenig bekannt Fehler bei sich zu finden statt bei anderen zu suchen was sie besser machen können. Ich bin ja auch der Meinung, dass wenn Hertha nicht aufpasst, dass sie in ein paar Jahren keine Rolle mehr spielen. Keine Kohle mehr, extrem unaktraktiv für Sponsoren und wenn dann auch im sportlichen Erfolg nichts geschissen bekommt weil man sich Spieler holt es aber nicht vermag ein Team daraus zu formen, dann haben wir bald ein weiteres Millionengrab wie 1860 München oder Aachen. Aber man ist ja der BigCityClub Berlins Nummer 1 will unbedingt Europa spielen und wedelt mit Millionen die sie durch Anteilkäufe erbracht haben. Weiß nicht wie lange das noch gut geht. Will gar nicht wissen was passiert wenn sie in der aktuellen Situation gar den Gang in die Liga 2 antreten müssten. Und das ganze natürlich ohne Hass geschrieben sondern nur aus meinem Blickwinkel über das Versagen der Vereinsführung von Hertha bevor sich der ein oder andere Herthaner hier über mein Kommentar aufregt.

    • Wenn ich in meinem Kiez sehe wie Herthafans mit Aufklebern aufrüsten scheint denen der Arsch gehörig auf Grundeis zu gehen.
      Kommt eigentlich wieder so eine Fahnenaktion von den Charlottenburgern? Auch die Ausreizung des Titels „Stadtmeister“ scheint denen janz wichtig zu sein.
      H.BSC ist für mich auf dem besten Wege den HSV und Schalke in den Schlagzeilen abzulösen. Das muß nicht immer gut sein.

  2. So viele Worte für die blau-weiße Peinlichkeit, die sind doch nur noch zum fremdschämen.

  3. Katrin W

    Es ist, wie im Privatleben! Jeder schmiedet sein eigenes Glück & setzt seine Ziele! Ich schaue auf Union & freue mich, was die Mannschaft dieses Jahr schon geschafft haben & was Sie sich selbst noch erarbeiten können. Bleibt alle Eisern

  4. Warum sich über belanglose BILD-BZ-Artikel wundern, um dann selbst so viele (unnötige) Worte über Hertha zu verlieren?

  5. silberhacke

    seit sich kein schwein mehr für die nationalmannschaft und spiele wie gegen nordmazedonien interessiert, sind länderspielpausen wie sommerlöcher. dann spricht man eben über hertha mit der bild als quelle. da hätte kruses wurzelbehandlung deutlich mehr zündstoff geboten. zb: welcher zahn ist denn betroffen? hat er noch schmerzen? wird er wirklich spielen können?

  6. J. Amelung

    Mal wirklich gut beschrieben wo Berthas Probleme liegen, ja das sie sich über uns abarbeiten müssen!? Ich lache mich scheckig und bin absolut Stolz auf unsere Truppe und weiß auch das Sie wissen, was am Sonntag umgesetzt werden muss. Übrigens hat die Bertha Mitglieder verloren, weil Unioner wegen der Derbykarten ihre vorübergehende Mitgliedschaft gekündigt haben, aber das wissen sie in Westend auch.

  7. Was mich allerdings schon wundert: Dass Union kurzzeitig ein wenig mehr Mitglieder hat… ähm, nö.

    Wir haben seit kurzen permanent mehr Mitglieder.

    Wir haben 37646 Mitglieder (Stand 31.03.2021).

  8. „Ein signifikanter Unterschied zu anderen Clubs in der Bundesliga wie Rasenballsport Leipzig, Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim, bei denen aus verschiedenen Gründen permanent Geld zufließen kann.“*
    *bis zur Grenze, welche momentan noch durch die FFP-Regelungen vorgeschrieben sind. Wohl nicht mehr lange. :(

    „Ohne Konkurrenz wird im Zweifel das eigene Mittelmaß nicht sichtbar. Das gilt für alles im Leben.“
    So wahr.

    Derbytime. Eisern.

  9. […] gegenüber. Das ist natürlich vor dem Derby naheliegend, aber wie Sebastian hier schon neulich geschrieben hat, sind die beiden Vereine füreinander nicht die aussagekräftigsten Messlatten. Und wie […]

  10. […] zu übermalen. Die Koketterie mit dieser augenscheinlichen Gegensatz ist nicht zu übersehen und auch wenn Union sich betont desinteressiert gibt, hat das Ganze dann doch eher den Anschein, als würde man versuchen sich weniger darüber zu […]

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