Blog State of the Union

Wie im Traum: Unions Defensive ist gerade besser als die der Bayern

„Union braucht keinen Karneval, Unioner feiern überall!“ Dieses Lied, das schon in Mainz erklang hat so eine Ohrwurm-Qualität, das ich es selbst heute am Morgen nach dem 2:0 über den 1. FC Köln beim Aufstehen gesummt habe.

Doch bevor das Feiern los ging, wurde viel Arbeit verlangt. Auf dem Rasen, denn Union fand zunächst wenig Mittel, um gegen den Köln gefährlich vor das Tor zu kommen. Ganz im Gegenteil die Abwehr war schon einigermaßen beschäftigt und verursachte einige Freistöße in aussichtsreicher Position. Auch auf den Rängen kam Union schwer in die Gänge. Es war ein bisschen wie nach einer Wanderung bei nasskaltem Wetter, nach der man ein wenig Zeit braucht, um sich aufzuwärmen und die Kälte abzuschütteln.

Rafal Gikiewicz vom 1. FC Union Berlin pariert im Bundesliga-Spiel gegen den 1. FC Köln einen Freistoß von Birger Verstraete, Foto: Stefanie Fiebrig
Rafal Gikiewicz pariert einen Freistoß von Birger Verstraete, Foto: Stefanie Fiebrig

Erstaunlich fand ich, dass die eigentlich in der Offensive gut besetzten Kölner sehr wenig zielgerichtet vorgingen. Das hat vielleicht etwas mit fehlendem Selbstvertrauen zu tun. Aber dass so schnelle Spieler wie Jhon Cordoba und Kingsley Ehizibue ihre Qualitäten vor allem zum Herausholen von Freistößen nutzten, hat mich schon irritiert. Fast hätte man meinen können, Köln sei das neue Düsseldorf.

So konnte sich Union auf Rafal Gikiewicz verlassen, der nach dem Zu-Null-Spiel wieder einen Strich auf seiner Kühlschrankliste machen kann. Schon die Hälfte der 8 Spiele ohne Gegentor in der Bundesliga hat er geschafft. Eigentlich Wahnsinn, denn ich hatte den Keeper vor der Saison für verrückt erklärt, als er sagte, was er sich vorgenommen hat. Andererseits: Wenn er wirklich zur EM mit will, muss er sich ins Rampenlicht spielen. Da hilft dann so eine Grafik:

Sebastian Andersson ist Unions Astronaut

Neben dem Torhüter gibt es auch eine weitere bewährte Kombi, die beinahe wie Horst Hrubeschs legendäre Beschreibung „Manni Banane, ich Kopf Tor“ klingt: Standard Trimmel, Andersson Kopf Tor. Oder wie Rafal Gikiewicz angesichts der Flugkünste des schwedischen Angreifers bewundernd nach dem Spiel bei AFTV sagte: „Unser Astronaut heißt Sebastian Andersson.“ Dass der Schwede zum Ball hochging als würde er keine Schwerkraft kennen, während sein Bewacher Simon Terodde von ihr am Boden gehalten wurde, war ein bisschen sinnbildlich für die Partie.

Union war nicht so souverän, wie es vielleicht in der Euphorie nach Schlusspfiff schien. Köln war einfach nicht gut und strahlte spätestens nach dem zweiten Andersson-Tor keine Gefahr mehr aus. Urs Fischers Team verteidigte das weg, wobei es mal wieder ein Sonderlob für das Mittelfeld-Zentrum Andrich-Gentner von mir gibt. Aber zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass dieses Wegverteidigen gegen andere Teams ins Auge gegangen wäre, denn offensiv spielte Union seine Situationen nicht aus.

Sebastian Andersson vom 1. FC Union Berlin jubelt nach seinem zweiten Tor gegen den 1. FC Köln, Foto: Stefanie Fiebrig
Sebastian Andersson jubelt nach seinem zweiten Tor gegen den 1. FC Köln, Foto: Stefanie Fiebrig

Unions Spiel klemmte

Besonders ärgerlich in dieser Hinsicht war der überragende Konter noch in der ersten Hälfte nach Kölner Ecke, der durch einen gewonnen zweiten Ball durch Ingvartsen über Andersson eingeleitet wurde und bei dem Gentner rechts den leicht im Abseits befindlichen Sebastian Polter anspielte, statt den links neben ihm durchlaufenden Marcus Ingvartsen. Solche krassen Überzahl-Situationen bekommt man in der Bundesliga eigentlich nie.

Auch neben dem Platz klemmte es in der einen oder anderen Situation. Nicht nur beim Gesang am Anfang, sondern auch an der Anzeigetafel, bei der es einige Minuten harter Arbeit brauchte, um die festhängende 1 herauszubekommen. Da musste Werkzeug herbeigeschafft werden und Muskelkraft vom Rang war auch nötig. Aber am Ende stand die 2.

Gemeinsam für die 2: Ein Zuschauer und ein Stadionmitarbeiter bemühen sich minutenlang, die festgeklemmte 1 an der Anzeigetafel des 1. FC Union zu befreien, Foto: Nadine Kittner
Gemeinsam für die 2: Ein Zuschauer und ein Stadionmitarbeiter bemühen sich minutenlang, die festgeklemmte 1 an der Anzeigetafel zu befreien, Foto: Nadine Kittner

Die Fernsehzuschauer durften sich hingegen wundern über einen Sky-Reporter, der nach Anderssons Tor erst einmal davon sprach, dass die Torlinientechnologie nicht funktionieren würde. Dabei war lediglich die Animation nicht dem Fernsehen sofort zur Verfügung gestellt worden (Sportschau). Im Stadion war allerdings klar sichtbar, wie Schiedsrichter Patrick Ittrich auf seine Uhr schaute und dann das Tor gab.

Es gab noch zwei Situationen, die ich durchaus als aufregend bezeichnen würde. Zum einen schrammte Michael Parensen nur um wenige Zentimeter am schönsten No-Look-Hacken-Eigentor vorbei, was ich glücklicherweise im Stadion aus 100 Metern Entfernung nicht so detailliert gesehen habe wie später im Re-Live auf AFTV.

Zum anderen gab es eine Szene in der 52. Minute kurz nach Anderssons zweitem Treffer, in der Robert Andrich im Strafraum seinen Gegenspieler Louis Schaub durch Beinstellen zu Fall bringt. Der Schiedsrichter entschied auf Weiterspielen und einen Eingriff des Video-Assistenten gab es nicht, einen Check sehr wahrscheinlich schon. Einen Elfmeter hätte man hier geben können. Und es ist schon fast zu viel der Ironie, das nun wieder Andrich in so einer Szene beteiligt war, nachdem er in ähnlicher Situation mit Beinstellen im vergangenen Spiel einen Elfmeter herausholte.

Robert Andrich gegen Louis Schaub, Screenshot: AFTV
Robert Andrich gegen Louis Schaub, Screenshot: AFTV

Hier sind alle Spielberichte der Berliner Medien:

Und jetzt kneifen wir uns alle einmal. Denn der Blick auf die Tabelle zeigt Union auf Platz 10. ZEHN! Könnt ihr das glauben? Nach dem 14. Spieltag? So heiß konnte meine Pfanne nicht sein, um davon zu träumen. Noch mehr unfuckingfassbar ist, dass Union tatsächlich weniger Gegentore als der FC Bayern kassiert hat. IN DER GLEICHEN VERDAMMTEN LIGA! Ich habe mir schon eine eiskalte Wanne eingelassen, um meine Temperatur gleich etwas herunterzukühlen.

Sehr schöne Bilder vom Spiel gibt es hier von:

Auf den anderen Plätzen

Die zweite Mannschaft der Frauen hat gestern 13:0 gegen Blau-Weiß Hohenneuendorf II gewonnen und liegt damit weiter auf Platz 2 in der Berlin-Liga.

Siegerselfie des 2. Teams nach dem 13:0 gegen Hohenneuendorf, Foto via Hauptstadtarroganz
Siegerselfie des 2. Teams nach dem 13:0 gegen Hohenneuendorf, Foto via Hauptstadtarroganz

Und sonst so?

Für ein Raunen sorgten gestern die Fotos dieses Union-Flugzeugs, auf dessen Antrieb beispielsweise steht: „Wir werden ewig schweben!“

Die Fotos wurden zuerst in der Gruppe „Die Eisernen“ gepostet. Das Flugzeug gehört zu German Airways, mit denen Union für Charterflüge kooperiert (Pressemitteilung aus dem Oktober). Wer das Flugzeug verfolgen will, kann das unter der Nummer D-ABQK (DHC Dash 8-400) machen oder direkt hier über Flightradar. Union ist bei dem Unternehmen nicht der einzige Fußballklub, sondern auch Wolfsburg, Frankfurt und Düsseldorf nutzen die Dienste. Und das würde ich schon gerne sehen, wie die Fortuna mit diesem Flugzeug fliegen darf.

14 Kommentare zu “Wie im Traum: Unions Defensive ist gerade besser als die der Bayern

  1. Ich fand es schon erschreckend wie oft die Kölner bei der leichtesten Körperberührung abgehoben sind… Da bekommt der Name ihrer Fankneipe in Berlin schon ne ganz andere Bedeutung…. SCHWALBE..!!!
    EISERN ?? ? ?

  2. Mein Eindruck war auch, dass wir zwar nicht richtig gut, die Kölner in den entscheidenden Situationen aber schlechter waren (sinnbildlich dafür der verstolperte Freistoß in Hälfte 2). Und der Schiri war auch definitiv kein Kölner, da gab es so einige Situationen, die er für uns gepfiffen hat, wo es genauso gut andersrum hätte laufen können. Läuft halt grad bei uns…

  3. Danke Sebastian für die gute Analyse, ich bin immer noch ungläubig beim Blick auf die Tabelle, schwanke zwischen Euphorie und „Vorsicht da ist noch viel zu tun“, das ging glaube ich vielen von uns so, wie es auch für viele unglaublich ist das wir wirklich Bundesliga spielen und nicht im Tabellenkeller sondern im Mittelfeld, trotzdem hat es sehr viel Spaß gemacht auch wenn ich gestern (diesmal Sitzplatz auf der Haupttribüne) neben mir einige Kölner hatte die keinen guten Faden an ihrer Mannschaft gelassen hatten … faszinierend wie auch die Analyse des Kölner Trainers der uns lobte und als Beispiel nannte, nicht für schönes Spiel aber für effektives Spiel und Kampfkraft. Was die Gesänge angeht so merkte man deutlich dass bestimmte Lieder nicht bis in das letzte Drittel der Gegengerade und Sektor 4 vorgestoßen sind oder es länger dauerte bis sie dort angekommen sind.

  4. Ja fühlt sich wie ein Traum an, und doch ist es Realität, besser noch nur ganze 6 Mannschaften haben weniger Tore kassiert als Union.
    Warum das so ist, ist mir gestern Abend bei einem anderen Spiel wieder bewusst geworden. Union hat m.M.n. einen der besten Trainer der Bundesliga, am Anfang der Saison mußte man oft lesen: Old School, taktisch limitiert, keine Ideen nach vorne.
    Nach besagten Spiel von gestern Abend sagte Bremens Trainer Kohlfeld Sinngemäß: Wir sind im Abstiegskampf, aber nur mit Kampf ist nicht unser Anspruch, wir wollen auch schönen Fußball spielen.
    Da dachte ich mir wie gut das wir einen Old-School-Trainer haben der genau weiß was die Mannschaft kann oder nicht kann und nicht versucht ihr eine am Laptop entworfene Tiki Taka Philosophie überzustülpen ohne die entsprechenden Spieler zu haben. Und tatsächlich funktioniert die alte Strategie „Hinten muß die Null stehen“ ganz gut wie man an der Tordifferenz sehen kann, zu den letzten dreien der Tabelle ist die nämlich fast soviel wie ein Punkt wert.

  5. @ Andreas: volle Zustimmung, man spürt die ruhige, konzentrierte Art, es kommt einem so vor als ob diese Mannschaft schon lange so zusammen spielt und Urs schon lange Trainer ist, auch funktionieren Kostellationen wie die beiden Sebastians sehr gut wie auch andere hier im Artikel beschriebene, etwas was oft bei anderen, auch „größeren“ Mannschaften nicht funktioniert UND: die Konstellationen sind auch auswechselbar wenn mal jemand ausfällt, auch plötzlich; diese Mischung ist einfach großartig.

  6. „Unfuckingfassbar“ ist genau das, was ich mir auch denke wenn ich auf die Tabelle gucke. Und dann erinnere ich mich an die Goal Impact Prognose von vor Beginn der Saison wo Union genau auf diesem 10. Rang statistisch am wahrscheinlichsten verortet wurde, was damals absolut utopisch erschien. Hier der Disclaimer: funktioniert nur mit einem intakten Team und einem Trainerstab der das Potential des Kaders effektiv einsetzt, unter Idealbedingungen sozusagen.

    Und diese Idealbedingungen im Stadion zu erleben, zu sehen dass es auf dem Platz stimmt, dass 90 Minuten lang jeder alles für das Team gibt und sich niemand zu schade ist sich für die anderen reinzuhauen, das freut mich irrsinnig und macht mich stolz. Das ist für mich schöner Fußball.

  7. Kann mir irgendwer sagen, was es mit den Kölner Tatortreiniger-Outfits auf sich hatte? War das nur halb zu ende gedacht oder war da mehr geplant, was warum auch immer nicht umgesetzt werden konnte? Hab die ganze Zeit vergeblich darauf gewartet, dass sich die Frage um die Outfits auflöst. Weiß irgendwer mehr?

  8. @Eric

    Laut Kölnischer Rundschau:
    „Dem drohenden Gang in die 2. Liga zollten die FC-Fans im Gästeblock Tribut. Mit weißen Regenumhängen ausgestattet stellten sie Abstiegsgespenster dar.“

    https://www.rundschau-online.de/sport/1-fc-koeln/spielbericht-1–fc-koeln-verliert-auch-beim-berliner-mitaufsteiger-33584900

  9. Londonkraut

    @Trick17. Danke für die Klarstellung; ich hatte auch auf irgendeine Überraschung gewartet und war zutiefst enttäuscht. Die eigene Mannschaft mit 2000 Abstiegsgespenstern zu „unterstützen“ ist wohl mehr als in die Hose gegangen.

  10. @ Eric: Tatortreiniger ist gut, @ Trick17: danke für die Info, denke mal es ist für die Kölner nicht einfach, die Kölner neben mir waren schon ganz schön frustriert und gegenüber ihrer Mannschaft auch Agro …

  11. Ich fand gestern auch das man auf den Rängen schwer in Gang kam. Woran es lag? 3 Gründe fallen mir dazu ein.
    1.) Sonntagsspiel (tja, „Depri“-Sonntag haben wir früher immer gesagt, wenn das Wochenende in den letzten Zügen liegt und der Montag gnadenlos seine Fühler ausstreckt, das drückt sonntags halt auf die Stimmung)
    2.) alkoholfreies Bier (niemand speecht mit nem Rucksack voll Bier durch die Ränge)
    3.) (Heim)Spiel 1 nach Vossis Abgang
    Aber trotz alledem, war am Ende wieder richtig Feuer unterm Dach.

  12. Ich denk, wir haben uns auf der GG ganz schön ins Zeug gelegt! Na ja besser u. lauter geht nicht immer (siehe Relegation + Dortmund/Hertha)!
    Nicht zu verachten war der SW-Wuhlewind, der bestimmt Teile unseres GG-Potentials wieder unter das Dach zurückgeschoben hat! Und gänzlich ohne Bier ist es eh‘ schwer!?

  13. maria draghi

    Gegengerade diesmal teilweise sehr schön laut; und vor allem nicht wie gegen Hertha wie das Kaninchen vor der Schlange darauf wartend, was denn die Ultras/Waldseite als nächstes machen. Selber machen war das Motto. Großartig.

  14. Entschuldigt, aber den Ausschnitt finde ich einfach nur schön und will keine Diskussionen zum Weihnachtssingen damit anregen:

    https://youtu.be/-kM0TVYaQ_U?t=96

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