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Keine Gewöhnung: Gegen Rasenballsport Leipzig hilft nur Protest

Am Samstag spielt der 1. FC Union bei Rasenballsport Leipzig. In der Pressekonferenz vor dem Spiel (AFTV) sprach Trainer Urs Fischer davon, dass es im Spiel Phasen geben wird, die man aushalten können müsse. Aber ohne eigenes Spiel nach vorne und ohne außerordentliche Leistung seiner Mannschaft würde es schwierig sein, selbst zum Erfolg zu kommen. Aus jeder Äußerung des Trainers auf der Pressekonferenz wird klar, wie viel Respekt Urs Fischer vor der sportlichen Aufgabe hat. Ganz im Gegenteil dazu steht die Haltung von Union als Verein, der so eine Konstruktion wie Leipzig als Ganzes ablehnt.

Trainer Urs Fischer auf der Pressekonferenz vor dem Spiel in Leipzig, Foto: Matthias Koch

Ich finde es gar nicht schlimm, wenn es da unterschiedliche Auffassungen gibt. Das eine ist eine grundsätzliche Haltung von Fans und Verein, das andere ist eine pragmatische Herangehensweise der sportlichen Führung, die sich damit auseinandersetzen muss, dass Leipzig eins von 17 weiteren Teams im Wettbewerb ist. Spieler und Trainer kennen sich in diesem System und werden sich nicht wie Aussätzige behandeln, weil jemand plötzlich bei Leipzig, Hoffenheim oder Wolfsburg spielt. Die Begrenzungen für den Sport wurden noch einmal abgesteckt in diesem Winter. Nach dem abgesagten Test der U19 gegen Leipzig ist klar: Freiwillige Testspiele soll es nicht geben. Auch wenn das die sportliche Vorbereitung beeinträchtigt.

Am Sonnabend soll in Leipzig geschwiegen werden für 15 Minuten. Ich verstehe, dass das nicht gerne gesehen wird. Urs Fischer würde sich das auch anders wünschen. Aber er akzeptiert die Auffassung der Fans. Und ich frage mich auch, was denn die Alternative wäre: Sollen wir uns daran gewöhnen, dass es so etwas wie Rasenballsport Leipzig gibt? Dass es so etwas wie Hoffenheim gibt? So nach dem Motto: Genug protestiert, gewöhnt euch daran? Nein, das kann es nicht sein.

Ich kann mich nicht daran gewöhnen, dass sich irgendwer einfach in den Sport einkauft und mich während des Spiels mit seinen Werbebotschaften malträtiert. Ich kann mich auch nicht daran gewöhnen, dass mir eine Agentur per Werbung ihr tolles pseudodemokratisch zustande gekommenes Super-League-Modell schmackhaft machen will. Es muss klar sein, dass hier Grenzen überschritten werden. Und das geht nur über Protest.

Werbung der Agentur A22 Sports für ihr Super-League-Format auf Twitter, Screenshot: Textilvergehen

Und es spricht wenig für die Debattenkultur im Sport, wenn mehr über die Form des Protestes gesprochen wird als über den Inhalt. Denn es gibt offensichtlich wenig bis keine Bereitschaft mehr, sich offen damit auseinanderzusetzen. Damit meine ich nicht alleine einige Medien, die Rasenballsport Leipzig als gegeben hinnehmen. Sie folgen einem News-Zyklus, den ich mir erklären kann. Ich meine sowohl die Clubs der Bundesliga als auch die zugehörigen Verbände, bei denen das Thema keine große Rolle zu spielen scheint.

Wobei wir vielleicht doch eine kleine Form des Protestes sehen in der Neugründung des Teams Marktwert, das sich jetzt Team fanintensive Vereine nennt (Bild+ berichtete, ran hat es zusammengeschrieben). Diese Clubs wollen eine Neuverteilung der Fernsehgelder erreichen, wonach nicht allein die sportliche Performance ausschlaggebend sein soll, sondern wie interessant die Clubs für Fernsehzuschauer sind). Doch diese Form des Protests kommt eben erst, wenn es ans eigene Geld geht. Wenn Clubs wie Wolfsburg, Hoffenheim, Leipzig oder Leverkusen das Fernsehgeld kassieren, weil sie sich den sportlichen Erfolg erkaufen, indem sie Regeln missachten, die für andere aber gelten. Zu wenig, zu spät möchte ich da desillusioniert sagen in Richtung des Teams fanintensive Vereine (mal davon abgesehen, dass der Begriff aus meiner Sicht seltsam bescheuert und nach Problem-Clubs klingt).

Das sind die Artikel zum Spiel bei Rasenballsport Leipzig:

Beim DFB-Pokal-Halbfinale schwiegen die Unionfans 15 Minuten in Leipzig, Foto: Matthias Koch

Sheraldo Becker ist dritter Kapitän

Nach dem Weggang von Julian Ryerson hat Urs Fischer Sheraldo Becker zum dritten Kapitän gemacht (nach Christopher Trimmel und Rani Khedira). Diese Nachricht kann man aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Eine wäre es, sich zu fragen, warum nicht beispielsweise Robin Knoche diese Funktion erhält. Ich kann diese Sichtweise nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht teile. Robin Knoche ist ein unfassbar wertvoller Spieler und gehört zu der Art Fußballprofis, die man gerne aufzählt, wenn man von einer Achse in einer Mannschaft spricht. Aber aus meiner Sicht braucht Robin Knoche keine Wertschätzung im Sinne von: du bist jetzt unser dritter Kapitän. Ich würde auf diese Sichtweise mit einer Gegenfrage antworten: Wie würde sich die Rolle von Robin Knoche im Team ändern, wäre er dritter Kapitän?

Die zweite Sichtweise wäre, die Entscheidung des Trainers nachzuvollziehen zu wollen. Es ist eine Anerkennung für nun schon vier Jahre Leistung, die Sheraldo Becker bei Union unter Urs Fischer bringt. Und es ist möglicherweise noch einmal eine Option für Sheraldo Becker, mehr das Ganze im Blick zu haben und sich möglicherweise nicht allzu sehr mit missglückten Aktionen seinerseits zu beschäftigen. Ich mag es übrigens, dass Urs Fischer eine sehr sportliche Art hat, sich mit der offen zur Schau gestellten Unzufriedenheit von Becker wie während des Spiels gegen Mainz auseinanderzusetzen. Deshalb stellte der Trainer auch die offene Frage: „Zeigen Spieler Emotionen, ist es nicht recht. Zeigen Spieler keine Emotionen, ist es auch nicht recht. Wie sollen sie sich denn verhalten?“

Letzter Test beim HSV

Vor dem Spitzenspiel gegen Viktoria Berlin (gratis Tickets gibt es noch bei Union im Ticketshop) spielen die Frauen von Union noch beim Hamburger SV (Vereinsmitteilung). Anpfiff ist um 14 Uhr in Hamburg auf der Paul-Hauenschild-Sportanlage in Norderstedt.

Und sonst so?

Vielleicht interessant für künftige Union-Mitgliederversammlungen: Der Bundestag hat in dieser Woche beschlossen, dass Vereine ihre Mitgliederversammlungen künftig auch hybrid abhalten können (Mitteilung des Bundestages). Das bedeutet aber nicht, dass sie es müssen. Vereine können in ihren Satzungen von dieser Regelung abweichen und beispielsweise hybride oder rein virtuelle Mitgliederversammlungen ausschließen. Ich bin gespannt, ob wir von Vereinsseite den Versuch sehen werden, die Satzung so zu gestalten, dass nur Präsenzveranstaltungen möglich sind. Denn bei Gremienwahlen könnte es schon einen Unterschied machen, ob eine Veranstaltung in Präsenz oder hybrid abgehalten wird.

17 Kommentare zu “Keine Gewöhnung: Gegen Rasenballsport Leipzig hilft nur Protest

  1. Musiclover

    Spannender als Diskussionen zum Protest könnte die weitere Entwicklung in der Causa 50+1 werden und Bewegung in die Sache bringen. Mal kieken.

    • @musiclover Ich würde das gar nicht gegeneinander ausspielen. Bin auch sehr gespannt, wie das Interims-Duo bei der DFL diesen gordischen Knoten zerschlagen will.

  2. ich glaub, wenn man „fanintensiv“ mit „Problem“ assoziiert haben die vielen Pressemmitteilungen von Herrn Wendt leider gewirkt… ;-)

    Im Ernst, die „fanintensiven“ Vereine bilden ja nicht Bündnisse bevor entsprechende Maßnahmen oder anderweitige Lobbys agieren. Deren Anliegen wird ja erst akut, weil es die Superleague-Fussballkonzerne und hierzulande die von und für Bayern München genehm gemachte Geldverteilung gibt, die ungerecht ist, Ungerechtigkeit manifestiert und zur „Verbesserung“ immer weiter nach diesem Prinzip ausgebaut werden soll.
    Natürlich ist die Forderung der „fanintensiven Vereine“ eine Reaktion, die erst jetzt kommen kann.
    Man könnte aush sagen, da sind die Vereine, die die DFL-Struktur im Kern erhalten möchten, und es gibt die, die am liebsten ihre Rechte wie eine Filmproduktion jedes Jahr neu an den best zahlendesten Verlag verhökern möchten.

    Anzahl der Fans ist zwar eine interessante Kennzahl, aber aus meiner Sicht nur bzgl des Stadionpublikums wertig, und da auch nach Auslastung und nicht nur in absoluten Zahlen.

    Ich mache mir aber keine Sorgen. Deren Anliegen ist nicht wettbewerbsfähig, es guckt mit der Traditionsbrille ins Möchtegernland, ist emotionalisiert rückwärtsgewand, und wird daher nicht berücksichtig werden…. ;-)
    Wäre ja noch schöner, wenn man ohne Geld mitbestimmen könnte! ;-)

    • „Bei der wohl von dem Bündnis angestrebten Änderung der Verteilung der Gelder würde stärker als bisher berücksichtigt, welche Vereine die Zuschauer anziehen – ein klarer Vorteil für die Traditionsvereine.“ (ran.de)

      Das stellt sich mir die Frage, wie diese Zahl ermittelt werden soll? Der Zuschauerschnitt? Die Auslastung des Stadions? Das sind ja immerhin leicht abgreifbare Zahlen. Aber aus meiner Sicht komplett wertlos. Hertha hat den viertbesten Zuschauerschnitt der Liga, aber die schlechteste Auslastung. Bei uns ist es fast genau umgekehrt. Und nun?

      Oder welche weiteren Zahlen sollen hier herangezogen werden? Follower bei Twitter/Instagramm/Tiktok/StudiVZ? Mitglieder?

      Ich glaube, durch diese dünne Datenbasis wird das Bündnis wohl keinen Erfolg haben.

    • das hab ich mich auch gefragt, ansgesichts der TV-Zuschauerermittlungen, die immer noch per Settop-Box bei nur 5000 Haushalten stattfindet, und einem zunehemenden online Angebot, das so nicht erfasst wird, und wo es wiederum massive Überlappungen gibt (derselbe Zuschauer nimmt mehrere Kanäle wahr, man darf also die Zuschauerzahlen nicht einfach addieren), und deren Zählweise nicht von neutraler Seite stattfindet sondern vom Anbieter selbst, usw.

      Aber wie gesagt, das ist unwichtig. Wichtig ist, was Bayern vorgibt oder leiderleider vorgeben muss weil man sonst „den Anschluss an Europa“ verliert. Diskussionen ohne jede Konsequenz dürfen im Doppelpass stattfinden, notfalls wird geschlichtet durch Anruf eines wütenden Ex-Knackis. ;-)

    • @matze @derSepp Die Bild hatte beispielsweise als Variable die durchschnittlichen Einzelspiele ohne BVB und FCB gebracht. Dazu kommen die nicht veröffentlichten Quoten bei Dazn für die Einzelspiele. Das wird ja sicher von den Rechteinhabern kommuniziert. Erst recht, wenn die vielleicht den Preis für das Rechtepaket eher drücken wollen.

    • @Sebastian, das ist eine Rechengröße, aber verlässlich wäre das immer noch nicht.

      Nur der jeweilige Sender kann den Konsum messen, und auch das nicht genau – gucken 1-2-3-4 Leute pro Apparat zu? Schaut die Anzahl der Geräte pro Account gleichzeitig, und wenn ja in unterschiedlichen Orten oder im selben Haus, usw? (von technischen Hürden wie den verschiedenen Trackingverfahren im Smart-TV & (dem auch massiv asynchron nutzbaren) online-Bereich, und der Tatsache, dass das Tracking zT von Drittanbietern kommt, die nicht alle mit der gleichen Methode zählen, ganz abgesehen)

      Ich kann einer Zuschauerquote über die verschiedenen Sendekanäle nichts abgewinnen, da steckt zuviel Verzerrung, Unschärfe und das Potential zur Willkürmessung drin.
      Vermutlich wird das also genau der Maßstab nach dem sich dann die Liga richten wird! ;-)

    • @matze Ich teile deine Ansichten zur Unschärfe. Aber wenn die Sender mit einer Messgröße (oder um im Sprech zu bleiben: mit einem KPI) zu Werbekunden gehen, um ihre Reichweite darzulegen und das von Werbekunden akzeptiert wird, dann sollte das für Fußballvereine auch okay sein :)

    • „fanintensiv“ und „Problemclubs“ hätte ich so verstanden: Da sind Traditionsvereine mit großer Fanbase, die aber (weitgehend selbstverschuldet) seit Jahren dahindümpeln (HSV, FCK, FCN … you name it) – und jetzt wollen sie mit Verweis auf ihre Historie an größere Fleischtöpfe gelangen, statt ihre PS mal mit solider Arbeit auf die Straße zu bringen.

    • @Sebastian, ja natürlich. Aber das ist im Prinzip dasselbe wie die bisherigen Reichweitenmessungen über Hochrechnungen: Es wird sich auf einen KPI geeinigt. Der ist aber eben nicht objektiv oder umfassend und damit generell manipulierbar.

      Die Umstellung bei Werbefinanzierten Nachrichten-/Internetseiten Inhalten auf lange Klickstrecken (statt einem Artikel zum scrollen) ist nur erfolgt, weil Reichweiten nach Klicks und nicht nach echten Usern gemessen werden (bzw nach Hits, oder wie Analysten es nennen: How Idiots Track Success ;-).

      Ist ja auch egal ;-) Und logisch, dass man dafür eine übergreifende Kennzahl benötigt, die natürlich Unschärfen beinhaltet oder nur mit potentiellen Lücken erfasst werden kann.

      Meine Kritik ging dahin, dass bei Zuschauermessungen über das Stadionpublikum hinaus nicht viel substantielle Änderung der Geldverteilung erreicht wird – und so etwas auch zu absurden aber einfachen manipulativen Maßnahmen führen kann: Man stelle sich vor, ein Verein mit eigentlich weniger Zuschauern kauft diese irgendwo ein (als Clickworker) weil die Kosten für diese Akquise geringer sind als die Erträge durch den Zuschauerzuwachs. Das wäre nichtmal überraschend.

    • @Matze Mein Gefühl (ja, mehr habe ich da gerade auch nicht anzubieten) sagt mir, dass wir vielleicht den Einstieg aus dem Ausstieg der Zentralvermarktung sehen könnten. Das wäre dann auch ein Punkt, mit dem Bayern und BVB kein Problem haben dürften. Aber Clubs wie Hoffenheim etc. schon. Union möglicherweise aktuell auch. Weder Union noch Köln sind ja beispielsweise aktuell im Team fanintensive Clubs.

  3. Wäre es nicht eher ein Segen, wenn die Geldsackvereine sich in ihr selbsterschaffenes Ghetto verpissen und der Rest wieder eine ordentliche Liga veranstalten könnte?

  4. Moin,
    Becker kann mit seiner Erfahrung bei Union, Spieler mit nicht deutschen Wurzeln vielleicht besser integrieren als ein Knoche. Ich denke dieser Aspekt wird bei Union sehr groß geschrieben und könnte ein Zünglein an der Waage gewesen sein.
    Dies ist für mich nur ein weiterer Aspekt zu deiner Argumentation und stellt keinen Gegenpol dar.

  5. Danke Sebastian fürs Einnorden. Bist für mich im besten Sinne Journalist. Wie ich für mich zumindest menschlich ein klein wenig Frieden mit Pflichtspielen gegen das Werbungskonstrukt machte, steht am Sonntag in meiner Kolumne. Es tut mir gut, durch Deine Kameraführung die Dinge aus verschiedenen Sichten sehen zu dürfen. Eisern grüßt Dich Nussi

  6. Knut Krüger

    Das zur Verfügung stehende Fernsehgeld vor einer Saison durch 18 geteilt und jedem Verein der Bundesliga die gleiche Summe gegeben. Das käme Gerechtigkeit ein wenig näher. Dann hätten die reichen Vereine immer noch mehr Geld als Union , Bochum … durch Investoren , Werksgelder, Brausegelder oder Hopp. Natürlich wird das die deutsche Fußballmafia nicht zulassen. Man schwadroniert über Wettbewerb und sorgt seit vielen Jahren dafür , dass es keinen gibt. 50 + 1 gibt es doch auch schon längst nicht mehr , fragt nach bei VW in Wolfsburg , Bayer in Leverkusen , bei Salzburg Nord oder in Hoffenheim.

  7. Maria Draghi

    Schade, dass das Thema hybride MV unter aktuellen Aufregern wie Geldsackclubs und RB-Boykott (man könnte auch noch die wieder aufgelegte Diskussion um eine europäische Superliga anführen) verschüttet.
    Dieses Thema hätte es verdient, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Denn die Gesetzes-Neuregelung geht streng genommen über das bloße digitale Zusehen bei der MV hinaus; auch virtuelle Teilnahme, Redebeiträge aus der Ferne oder streng genommen auch der ganze Themenkomplex „transparente Fragenbeantwortung“ liegen damit auf dem Tisch bzw. das Präsidium kann sich nicht mehr hinter dem Nordkorea-Argument „steht nicht in der Satzung“ verstecken. Zumal wir inzwischen eine 11-köpfige Satzungskommission haben, die genau für die Klärung solcher Fragen angeblich da sein soll.

  8. Stadiontourette

    Solange WIR (und da nehme ich mich nicht raus) so dämlich sind und die TV-Rechte-Industrie mit unseren Abbos am Laufen halten, wird sich gar nichts ändern.

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