Blog State of the Union

Welche Vision gibt es für den 1. FC Union Berlin im Jahr 2035?

Die Meldung, dass der Union-Aufsichtsrat Präsident Dirk Zingler und die anderen Mitglieder des Präsidiums für weitere vier Jahre berufen hat, kam am Mittwoch so überraschend, wie die Tatsache, dass Wasser nass ist. Und wenn wir uns die Punkte anschauen, die sich Union als weitere Meilensteine gesetzt hat (Bau des Nachwuchsleistungszentrums, Ausbau des Stadion, Bau des Clubhauses, Etablierung der Männer-Mannschaft in der Bundesliga und Investition in die Nachwuchsabteilung, so dass dort Bundesliga-Spieler ausgebildet werden), so können wir festhalten, dass Dirk Zingler noch lange nicht fertig ist.

Im Moment ist Präsident Dirk Zingler häufig allein im Stadion, Foto: Matze Koch

Die Stärke der Amtszeit von Dirk Zingler besteht aus meiner Sicht darin, Entscheidungen zu treffen, deren strategische Tragweite sich erst später für uns herausstellt. Während die kurzfristigen Entscheidungen (vor allem im sportlichen Bereich) nicht immer so erfolgreich waren, hat er die langfristige Entwicklung des Vereins auf eine Weise vorangebracht, an die ich nicht zu träumen gewagt hätte. Nicht 2004, als er die Präsidentschaft übernahm, aber auch nicht vor 10 Jahren, als Union schon zwei Jahre Zweite Bundesliga spielte.

Union stellt sich breiter auf

Aber worum geht es Union jetzt, wenn wir auf die nächsten 5 bis 10 Jahre schauen? In fein geschliffener Sprache wird Dirk Zingler in der Mitteilung des Vereins so zitiert: „Unser Anspruch ist und bleibt, als eigenständiger, selbstbestimmter und selbstbewusster Fußball-Club erfolgreich zu sein und auf diese Weise unseren Positionen im deutschen Fußball Gehör zu verschaffen.“ Wenn ich das übersetze, und darauf sind aktuell alle Entscheidungen ausgerichtet, dann geht es darum, dass der 1 FC Union Berlin Handlungsspielräume bekommt.

Die sind kurzfristig durch die sportlichen Erfolge der ersten Männermannschaft gewachsen (allerdings auch die Ausgaben für diesen Erfolg), indem Union jährlich bei der Verteilung der Fernsehgelder aufholt. Bleiben wir mal bei einer wahnsinnig positiven Annahme und stellen uns vor, dass das Profiteam in den nächsten 5 Jahren vielleicht mit einem Jahr Unterbrechung Bundesliga spielt. Dann gibt es eine Begrenzung des Wachstum durch die Fernsehgelder, falls nicht die Dauerteilnahme am Europapokal hinzukommt (was eine vollkommen irre Annahme wäre).

Nach Bochum nur mit Fischerhut: Auch Dirk Zingler wechselte im Laufe seiner Amtszeit die Hutmode, Foto: Matze Koch

Wie also kann Union zusätzlich seine Einnahmenseite verbreitern? Da ist der Ausbau der Stadionkapazität, der die Spieltagseinnahmen vergrößern kann (in dem Zusammenhang der Hinweis auf die Ausbaupläne für den Regionalbahnhof Köpenick, der für 2027 geplant ist. Das bedeutet im Umkehrschluss übrigens nicht, dass der Stadionausbau erst 2027 fertig sein darf). Doch die veröffentlichten Pläne für das Stadion, die sicher nicht mehr die aktuellsten sind, zeigen auch ganz deutlich, dass Union die Einnahmen jenseits der Spieltage erhöhen will, weil viel mehr Veranstaltungsräume im Stadion (Tribüne Gegengerade) geplant sind.

Auch beim Nachwuchsleistungszentrum ist der aktuelle Stand so, dass viel Potential darin schlummert. Es mag im Tagesgeschäft nicht auffallen, weil Nachwuchsarbeit (wenn sie nicht brach liegt wie in Berlin seit November) eine langfristige Angelegenheit ist, die nicht allein durch viel Geld viele Erträge bringt. Aber die Ausbildung von Spielern (und vielleicht auch einmal Spielerinnen), die es dauerhaft in den bezahlten Fußball schaffen, muss der Qualitätsanspruch sein. Die Betreuung an einem Ort (Bau des Nachwuchsleistungszentrums) ist ein Baustein dafür.

Union muss von Unionern geführt werden

Das sind alles sportliche oder kaufmännische Entscheidungen, die bereits vor einigen Jahren getroffen wurden. Was mir genauso wichtig ist, sind aber die Punkte, die uns alle betreffen. Und die sind fast zeitgleich mit der Präsidentschaft von Dirk Zingler passiert und werden deshalb häufig mit seiner Person alleine identifiziert. Denn 2003/2004 hat sich die Bewegung formiert, die unseren Verein bis heute prägt: Es sollen Unionerinnen und Unioner diesen Verein führen. Es soll nie wieder jemand kommen und von einem Stadion in Berlin-Mitte fantasieren. Union ist nichts ohne seine Fans. Wir sehen das heute überall und nehmen es vielleicht für selbstverständlich. Aber das ist es nicht.

Paradigmenwechsel auf der Mitgliederversammlung am 27. Mai 2004: Unioner in die Vereinsgremien. Dirk Zingler war da kurzzeitig noch 2. Vorsitzender des Aufsichtsrats. Foto: Matze Koch Paradigmenwechsel auf der Mitgliederversammlung am 27. Mai 2004: Unioner in die Vereinsgremien. Dirk Zingler war da kurzzeitig noch 2. Vorsitzender des Aufsichtsrats. Foto: Matze Koch

Für mich ist deshalb das Clubhaus auch so eine strategische Entscheidung. Das wird dazu führen, dass das Vereinsgelände auch jenseits der Spieltage zu einer Heimat für die Unionfamilie wird. Dass Vereinsmitarbeiter auch weiter nicht nur an Spieltagen die Fans und Mitglieder sehen. Ich halte diese Durchmischung und dieses direkte Feedback in beide Richtungen für unglaublich wertvoll für die Vereinskultur. Sie ist uns in dem Pandemiejahr bisher nicht abhandengekommen. Aber es war schwieriger, das aufrecht zu erhalten.

Ich saß vor fast zehn Jahren mal mit Dirk Zingler in einem gar nicht so guten italienischen Restaurant in Kreuzberg. Ein Interviewtermin, den er einschieben konnten zwischen andere Termine. Da sprach er von Union im Jahr 2025. Ich dachte während des Gesprächs: Das ist so weit weg, es gibt so viele aktuelle Themen. Heute denke ich: Krass, was damals alles schon angestoßen wurde, auch wenn es vielleicht nicht auf Anhieb funktioniert hat oder vielleicht auch was dabei kaputtgegangen ist. Und ich frage mich: Wie sieht Union im Jahr 2035 aus und welche Vorstellungen hat vielleicht Dirk Zingler jetzt schon?

Das sind die weiteren Medienberichte zur Aufsichtsratsentscheidung:

Im Sport ist die aktuelle Lage klar: Die Mannschaft hat ein paar freie Tage. Akkus aufladen. Regenerieren. Es folgen die schweren Spiele gegen Wolfsburg, Leverkusen und Rasenballsport. Alles drei Clubs, die für die Bundesliga wie die Dementoren in der Harry-Potter-Welt sind. Sie saugen das Glück heraus. Wenn die Mannschaft tatsächlich in diesem Restprogramm bestehen kann, winkt vielleicht das Glück des Europapokals (RBB). Ginge es allein nach Torsten Mattuschkas Tipps, würde Union das schaffen (Bild).

Die Morgenpost (Bezahl-Link) erinnert daran, dass diese Situation weder für das Team noch den Verein alles andere als gewöhnlich ist. Ein Tenor, den auch Christopher Trimmel im Interview mit dem RBB gestern angeschlagen hat. Erwartungsmanagement heißt das, was da gerade gemacht wird. Aber hier möchte ich der Mannschaft gerne sagen: 8. Platz in der Bundesliga und Enttäuschung? Nicht mit uns!

Bleibt Keita Endo bei Union?

Während Joel Pohjanpalo im Fernsehinterview nach dem letzten Spiel durch die Blume hat anklingen lassen, dass seine Zeit in Berlin möglicherweise zu Ende geht (es ist klar, dass Leihspieler ihre Wohnung rechtzeitig kündigen), gibt es wiederum durch die Blume wohl die Nachricht, dass Keita Endo bei Union bleibt. Jedenfalls lese ich das aus dem Interview mit dem Außenbahnspieler in der Donnerstagsausgabe des Kickers heraus.

Darin ging es um seine Muskelverletzungen, seine Anpassung an Deutschland, die durch die Pandemiebedingungen und Verletzungen noch erschwert wurde, und um seine Zukunft bei Union. Die Entscheidung darüber sei ihm schon mitgeteilt worden. Wir wissen bisher nur, dass sein Leihvertrag eine Kaufoption beinhaltete. Aber eins und eins können wir alle zusammenzählen.

Und sonst so?

Die Saison der Frauen und Mädchen des 1. FC Union Berlin ist komplett ins Wasser gefallen. Die Nachricht ist nicht neu, aber ich möchte sie nicht unter den Tisch fallen lassen. Das ist alles einfach eine Katastrophe.

Die Kleiderspende im Fanhaus war ein großer Erfolg:

Und noch eine Nachricht, die mit Union eigentlich nichts zu tun hat: Juan Joya Borja ist im Alter von 65 Jahren gestorben. Wir kennen ihn vor allem aus dem Meme des Mannes mit dem schadhaftem Lächeln, der sich vor Lachen gar nicht mehr einbekommt. Robert aus unserem Team hatte das vor über 6 Jahren mal gebastelt, als der damalige Cheftrainer Norbert Düwel sich zu einem Torwartwechsel von Daniel Haas zu Mo Amsif hat durchringen können und Amsif gleich im ersten Spiel mit einer Roten Karten vom Platz flog. Das war sehr tragisch, aber anders als mit Humor war die Situation auch nicht zu ertragen.

6 Kommentare zu “Welche Vision gibt es für den 1. FC Union Berlin im Jahr 2035?

  1. Hey Sebastian, schöner Artikel!
    Hier hat sich glaube ich ein kleiner Fehler eingeschlichen (es sollte 2. Bundesliga heißen ;)):
    Nicht 2004, als er die Präsidentschaft übernahm, aber auch nicht vor 10 Jahren, als Union schon zwei Jahre Bundesliga spielte.

    • @flipsen Ups. Da hast du absolut recht und ich habe das gleich korrigiert. Danke für den Hinweis.

  2. cuttertom

    Mehr Robert!

  3. Das Video ist großartig. Ich habs mir in den letzten Jahren immer mal wieder angeschaut. Der Spanier fetzt einfach.

    • UnionerHC

      Der Spanier muss aber auch für alles her halten. Dabei geht er nur an den Strand und ins Meer. Ein Glück wer das erleben darf zur Zeit

  4. Martin Behnke

    Wünsche / Zinglers To Do´s:

    1. Bis zu Zinglers Abschied (2033?) unbedingt in die Satzung aufnehmen, dass ein Investoreneinstieg vor dem Jahr 2500 der Zustimmung von mindestens 99% der Mitglieder bedarf. (Herrlich wenn man selbstbestimmter Verein ist, da geht sowas nämlich)

    Ergänzung: Personen, die auch nur im Ansatz Vorschläge/Angebote unterbreiten, die der Eigenständigkeit des Vereins schaden könnten, wird ein lebenslängliches Hausverbot erteilt (ein steckbrieflicher Aushang dieser Personen dürfte leider nicht rechtlich haltbar sein).

    Mehr Wünsche hab ich nicht, die anderen werden eh bereits alle erfüllt, oder gar übererfüllt.

    Zaubern kann übrigens auch keiner: Hätte natürlich auch gern mal 4,5 Eigengewächse mit Einsätzen im Profikader… aber das wäre wohl eher in Liga 2 drin (also bin ich da mit meinen Wünschen mal lieber vorsichtig). Um sowas dann auf nem ligatauglichen Level zu wuppen… müsste man wohl auf 2 Kaderspieler bei den Profis verzichten (kein Kruse, kein Knoche, damit hochveranlagte 16-jährige bezahlt werden wie in WOB oder München, in der Hoffnung, dass pro Jahrgang später mal einer gut genug für Liga 1 ist und dann auch vereinstreu bleibt?)

    Ich hab mich selten so angenehm überraschen lassen, wie in den Einschätzungen des Präsis…. hab zugegeben die Hände überm Kopf zusammengeschlagen, als ich hörte, das Ziel sei nicht, Rücklagen zu bilden, sondern alles was da ist in die sportliche Wettbewerbsfähigkeit zu stecken… tja… was soll ich sagen ? Der Mann hatte wohl recht !

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