Blog State of the Union

Oh Captain, my Captain. Union gewinnt erstmals nach einem Rückstand in der Bundesliga

Natürlich, der Spielverlauf sowie das Ergebnis tragen erheblich dazu bei, wie eine Partie wahrgenommen wird. Trotzdem hatte ich gestern erstmals seit längerem bereits in den ersten Minuten mal wieder richtig Spaß beim Schauen eines Union-Spiels. Auch wenn in den Wochen davor nicht alles schlecht war, Union in einigen Situationen nicht wenig Pech hatte und mich die gestiegene Anspruchshaltung einiger Fans nervt, ist natürlich auch mir nicht entgangen, dass die meisten Spiele schon sehr zäh waren.

Nach einigen Unentschieden konnte die Anzeigetafel mal wieder einen Sieg verkünden, Foto: Matze Koch

Zäh war es diesmal dagegen gar nicht. Union überließ dem 1. FC Köln zwar überwiegend den Ball (41%:59% Ballbesitz), schaltete dann aber immer wieder schnell um und kam so früh zu Chancen. Nachdem Prömel die erste vergeben hatte, erzeugte vor allem die Kombination aus Endo auf Musa Gefahr. Beide machten ein gutes Spiel – so war Petar Musa mit 19 gewonnenen Zweikämpfe der durchsetzungsstärkste Spieler auf dem Platz – auch wenn die Belohnung nichts Zählbares bereit hielt.

Von Anfang an auffällig war zudem, wie konsequent sich Union Ecken herausspielte. War das fehlende Durchdringen zur Grundlinie in den letzten Spielen noch ein Makel, offenbarte die Statistik nach nicht einmal 30 Minuten schon fünf Eckbälle. Zwar kam danach nur noch ein weiterer hinzu. Nichtsdestotrotz war der Unterschied gegenüber den Wochen zuvor einfach erkennbar. Dennoch traf Union das Tor nicht und ging letztendlich nach einem berechtigten Elfmeter sogar mit einem Rückstand in die Pause.

Ich weiß nicht wie es euch ging, aber ich war trotz der Kölner Führung in der Halbzeitpause nicht wirklich nervös. Zu gut fand ich Unions Auftritt bis dahin.

Neuer Tag, gleiches Ergebnis: Kruse trifft per Elfmeter, Foto: Matze Koch

Und als Schiedsrichter Deniz Aytekin wenige Zeigerumdrehungen nach Wiederanpfiff erneut auf den Punkt zeigte und Max Kruse daraufhin mal wieder einen Elfmeter souverän verwandelte, wurde meine Zuversicht auf drei Punkte immer größer.

Christopher Trimmel erzielt sein erstes Bundesliga-Tor

Als der wohl, nicht nur für mich, beste Spieler am gestrigen Nachmittag, Julian Ryerson, einen Kölner kurz mal ins Karussell mitnahm und anschließend einen Seitenwechsel über alle Köpfe hinweg zu seinem Pendant auf der rechten Seite spielte, war es endlich soweit: Mit einem beherzten und platzierten Schuss ins lange Eck erzielte Kapitän Christopher Trimmel im Alter von 34 Jahren sein erstes Bundesliga-Tor.

Wichtiger als das Tor selbst dürfte für Trimmel sein, dass er nun nicht mehr von den Kollegen aufgezogen wird und endlich den schon lange mit Marvin Friedrich abgesprochenen Jubel zelebrieren konnte.

Der Rest des Spiels ist eigentlich schnell erzählt. Joel Pohjanpalo traf trotz überragenden Schnittstellenpass von Max Kruse und optimaler Ausgangsposition (er kam von der Bank) nicht zum vorentscheidenden 3:1.

So richtig gefährdet war Unions Sieg im Anschluss aber nicht mehr, da Max Kruse frech eine Offensivaktion der Kölner per Hacke unterband und Julian Ryerson gefühlt jeden anderen Ball schon frühzeitig abfing. Durch den Abpfiff stand dann auch fest, dass nicht nur Kapitän Trimmel, sondern auch Union als Mannschaft eine Premiere feiern konnte. Erstmals in der Bundesliga gelang es der Mannschaft von Urs Fischer einen Rückstand in einen Sieg zu verwandeln.

Hat Union den Linksverteidiger für die nächste Saison schon längst gefunden?

Entscheidend daran beteiligt war wie schon erwähnt Julian Ryerson. Er zeigte gestern abermals nicht nur, dass er der wohl polyvalenteste Spieler in Unions Kader ist, sondern spielte auf der Linksverteidiger-Position schlicht überragend. In dieser Form hat Union seinen Linksverteidiger für die kommende Saison schon gefunden.

Klar. Ryerson hat schon einige gute Spiele auf ganz unterschiedlichen Positionen gemacht. Gestern hat er aber die für mich beste Leistung im Union-Trikot gezeigt und damit Oliver Ruhnert sowie Urs Fischer daran erinnert, dass sie in der anstehenden Transferperiode vielleicht doch keinen externen Nachfolger für Christopher Lenz verpflichten müssen.

Kurz vor Ende musste Julian Ryerson nach einem Zweikampf ausgewechselt werden, Foto: Matze Koch

Ryerson war nicht nur äußerst zweikampfstark und erstickte viele Kölner Offensivbemühungen durch gute Antizipation schon im Keim, sondern war nicht zuletzt mit seinen beiden Vorlagen (Elfmeter durch die Flanke herausgeholt) auch ein belebendes Element für Unions Spiel nach vorne. Kurz vor Schluss musste er jedoch nach einem Zweikampf ausgewechselt werden. Hoffen wir, dass dies nur eine Vorsichtsmaßnahme war.

Sollten nun neue Saisonziele ausgerufen werden?

Auch wenn es nach dem gestrigen Sieg und den anderen Ergebnissen der Abstieg rechnerisch immer noch möglich ist, können nun auch die letzten Zweifel am Klassenerhalt endgültig ad acta gelegt werden. Dennoch wird sich bei Union wohl niemand zu großen Europa-Kampfansagen hinreisen lassen, auch wenn Kapitän Christopher Trimmel zugab, dass die Ziele „intern vielleicht korrigert“ werden müssen, sobald die 40 Punkte erreicht seien.

Ähnlich wie Grischa Prömel vor kurzem, kann Max Kruse zumindest mit der neuen Conference League wenig anfangen.

Weitere Medienberichte zum Spiel gegen den 1. FC Köln

Corona-Tests vor dem Spiel

Neben dem sportlichen Geschehen auf dem Platz stand vor allem das Drumherum im Blickfeld der Öffentlichkeit. Union testete das Testen, um zu klären, wie ein Stadionbesuch zukünftig vielleicht doch bald wieder möglich wäre.

Nahezu alle Berliner Zeitungen haben das Thema dann auch aufgegriffen und eigene Erfahrungsberichte darüber verfassen lassen:

Und sonst so

Nachher gibt es wieder eine neue Folge des Textilvergehen-Podcasts. Wenn ihr live dabei sein wollt, schaut doch bzgl. des Links mal auf Twitter. Gegen 20 Uhr werden die Mikrophone freigegeben.

Ein anderer Podcast, den ich noch gar nicht kannte, hat das gestrige Spiel bereits auf ganz eigene Weise analysiert.

In Belgien steigt währrenddessen ein Verein als Meister in die erste Liga auf, der auch Union heißt. Vielleicht könnte ja Oliver Ruhnert eine Talentpartnerschaft mit gegenseitigen Leihen vereinbaren.

6 Kommentare zu “Oh Captain, my Captain. Union gewinnt erstmals nach einem Rückstand in der Bundesliga

  1. Stimmt:
    Seit langem sah das gestern wieder mal nach Spiel-(Spaß)-Fußball aus, den man auch am TV (halbwegs) ohne Zuschauer im Stadion „ertragen“ konnte! ?
    So durfte man auch einen sonnigen Blick auf die „Stammplätze“ auf der GG werfen!?
    u.n.v.e.u.

  2. „und mich die gestiegene Anspruchshaltung einiger Fans nervt“

    Mir geht es genau umgekehrt: Mich nervt manchmal das Kokettieren mit dem Underdog-Status und das aus meiner Sicht ungerechtfertigte Understatement.

    Nach 2/3 einer Spielzeit, zeigt eine Tabelle schon ziemlich genau, wo eine Mannschaft im Vergleich zu allen anderen Mannschaften einzuordnen ist. Dann kann man auch den Anspruch formulieren, dass die Mannschaft das nach Möglichkeit in jedem Spiel unter Beweis stellt.

    Abgesehen davon hab ich bei noch keinem Spiel (als wir noch in die Stadien durften) jemals erlebt, dass irgendjemand den Anspruch gehabt hätte, dass die Mannschaft „heute“ *nicht* ihr volles Potential ausschöpft, dass sie möglichst *nicht* an Ihr Limit geht und – egal gegen welchen Gegner – bitte *nicht* gewinnt ;-)

    • Stimmt nicht ganz!
      2010/11 Eintracht Frankfurt 14 Punkte Vorsprung auf Abstiegsplatz.
      Zur Winterpause noch Platz sieben
      ging es im Jahr darauf in Liga zwei weiter!! Lieber tief stapeln als tief fallen :-)

  3. Maria Draghi

    Die Zeitungen schreiben was über „Europa“, weil ihnen sonst schlicht nichts einfällt.

    Muss man ja selbst nicht drauf einsteigen.

    • Senfbeilage

      Herrjeh, wir haben verstanden was du an der Presse kritisierst. Aber was wundert dich gerade, dass die Presse sich bei Union mit dem Thema Europa beschäftigt?
      Ich sehe unser Restprogramm mittlerweile sogar als Vorteil, da wieder mal zu sehen ist, dass die Truppen die unten stehen eine Art 2. Luft bekommen und ziemlich unangenehm zu spielen seien werden.

  4. […] dem Spiel am Samstag hat Julian Ryerson wie schon erwähnt bewiesen, dass er mehr als nur eine Alternative für die linke Abwehrseite sein kann. Im Verbund […]

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