Blog State of the Union

Union im Lockdown-Modus und die ewige Frage, ob sich schöner Fußball in Zahlen ausdrücken lässt

Heute um 13 Uhr ist die Pressekonferenz vor Unions Geisterspiel in Hoffenheim am Montagabend. Wenn nicht Union beteiligt wäre, würde ich sagen, dass die Partie alles hat, was mich am modernen Fußball abtörnt. Es ist ein Montagsspiel. Es ist in Hoffenheim. Und es sind noch nicht einmal Zuschauer zugelassen. Aber da wir Union auch gegen Anker Wismar oder den Torgelower SV Greif schauen würden, verfolgen wir auch das. Und wenn die Mannschaft schon da ist, kann sie vielleicht gleich den von Dietmar Hopp für Herbst angekündigten Impfstoff gegen Covid-19 abholen …

Aber zurück zur Pressekonferenz. Die findet heute wohl noch unter „normalen“ Bedingungen statt, bevor Union endgültig wieder die Blase dicht macht. Wie das aussieht inklusive Charterflügen und Verzicht auf Hotelübernachtungen beschreibt die Berliner Zeitung ganz eindrücklich.

Sportlich gibt es wenig Neues. Der Kurier schaut noch einmal zurück in die letzte Geisterspiel-Phase, als Union 0:4 in Hoffenheim verloren hatte und zeigt, dass die Situation eine gänzlich andere war. Denn schließlich war das die Partie direkt nach dem sicheren Klassenerhalt.

Kann man schönen Fußball in Zahlen fassen?

Die Bild hingegen möchte anhand von Zahlen belegen, dass Union einen schöneren Fußball spielen würde. Ich habe da so meine Zweifel, ob das gelungen ist. Das liegt nicht daran, dass ich den Fußball, den Union zur Zeit zeigt, nicht schön finden würde. Ich finde nur die Beweisführung über Zahlen kaum möglich.

Denn schön ist erst einmal ein sehr subjektives Empfinden. Und selbst wenn ich einfach als gegeben voraussetzen würde, dass schön im Fußball übersetzt ist mit Offensivspiel, glaube ich nicht, dass Zahlen wie Ballbesitz oder Passquote hier weiterhelfen. Eine Mannschaft kann auch viel Ballbesitz haben und viele angekommene Pässe spielen, wenn sich die Innenverteidiger und Torhüter die Kugel zuschieben. Auch die genannten Werte wie weniger Fouls, weniger Zweikämpfe zeigen nicht zwangsläufig an, dass das Spiel besser geworden ist. Auch den Anteil der Standardtore möchte ich hier noch nicht als Beleg bringen, weil am 5. Spieltag zumindest ein Verein wie Union noch nicht so viele Tore erzielt hat, dass man hier schon etwas ablesen kann.

Ich vermute, dass wir über vertikale Pässe und weniger hohe Bälle uns eher dem annähern können. Dann wäre die Art der Torschüsse und ihre Entstehung ein Punkt, den man sich anschauen könnte. Und überhaupt die Zahl an Torchancen. Denn mit einer entsprechenden Zahl kommt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tor fällt.

Was mir an der Betrachtung aber prinzipiell nicht gefällt: das gibt mindestens unterschwellig den Eindruck wider, irgendjemand wäre mit der Spielweise zuvor unzufrieden gewesen. Und da möchte ich sagen, dass ich es genossen habe, als Fan so mit der Mannschaft in die Bundesliga aufzusteigen und mit einer disziplinierten und kämpferischen Mannschaftsleistung die Klasse zu halten.

Schöner Fußball in Zahlen, Foto: Matze Koch
Schöner Fußball in Zahlen, Foto: Matze Koch

Man kann natürlich auch offensiv werden und wieder absteigen. Aber wozu, wenn es anders geht? Es kommt doch darauf an, mit den Spielern, die im Team sind, das zu spielen, womit sie sich am wohlsten fühlen und was den meisten Erfolg bringt. Und deswegen würde ich in Abwandlung von Otto Rehhagels bekannten Spruch sagen: „Schön spielt, wer gewinnt.“

Jetzt habe ich mich hier länger mit dem Bild-Artikel auseinandergesetzt, als das beabsichtigt war. Es hätte auch gereicht zu sagen, dass ich die Empfindung des schönen Fußballs bei Union teile, aber die Beweisführung anhand der genannten Metriken mich null überzeugt.

Auf den anderen Plätzen

Der Nachwuchs von Union geht bereits in den Lockdown-Modus, weil die Spiele für dieses Wochenende in A- und B-Jugend (dort sowohl bei den Jungs als auch bei den Mädchen) abgesetzt wurden.

Das Regionalliga-Team der Frauen hat sowieso spielfrei, lediglich die zweite Mannschaft soll am Sonntag um 11 Uhr in der Berlin-Liga das Heimspiel gegen die Spandauer Kickers bestreiten (Kunstrasenplatz an der Alten Försterei).

Auf der Union-Website wird der Werdegang der drei Spielerinnen Annika Mahlau, Lisa Görsdorf und Julia Marinowski über die Nachwuchsteams bis in die zweite Mannschaft dargestellt. Ich mag erstens, wie sehr die Gemeinschaft und Unterstützung herausgestellt wird und auch, dass Julia Marinowski tatsächlich über den Frauenfußballfeiertag zu Union gefunden hat. Das ist wirklich eine wichtige Veranstaltung und es ist extrem bedauerlich, wenn die mal abgesagt werden muss.

Annika Mahlau, Lisa Görsdorf und Julia Marinowski (von links) sind über die Nachwuchsmannschaften bei Union in den Erwachsenenbereich gekommen, Foto: 1. FC Union Berlin
Annika Mahlau, Lisa Görsdorf und Julia Marinowski (von links) sind über die Nachwuchsmannschaften bei Union in den Erwachsenenbereich gekommen und spielen aktuell bei der 2. Mannschaft, Foto: 1. FC Union Berlin

Apropos Nachwuchs und Frauen-Fußballabteilung. Maria Kunitz, die dort als Yoga-Lehrerin arbeitet, bietet im Lockdown-November wieder online Yogastunden an. Immer am Dienstag um 20 Uhr. Alle Details könnt ihr bei info@mariayoga.berlin erfragen.

Und sonst so?

Gestern wurde der Fußballspruch des Jahres von der Deutschen Akademie für Fußballkultur prämiert und nach dem Hamburger Derby an den jetzigen HSV-Trainer Daniel Thioune übergeben. Als er den Spruch brachte, war er allerdings noch Osnabrücker Coach.

Zur Wahl stand auch ein Banner der Union-Ultras („Kein Stadionverbot fürs Geschlecht – Fansein ist ein Menschenrecht!“). Und überhaupt waren einige Kurvenbanner in der Auswahl, was mir noch einmal zeigt, was seit vielen Monaten fehlt. Auch in der kurzen Zeit, in der zumindest einige Zuschauer zugelassen waren. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Fußball findet nicht allein über Gremien und Funktionsträger der Vereine statt, sondern sehr stark auf den Rängen. Und dieser Part ist seit März zwar nicht untätig, aber beinahe stumm und unsichtbar.

Mein Lieblingsspruch des Jahres stammt übrigens von Schalke-Blogger Hassan Talib Haji:

6 Kommentare zu “Union im Lockdown-Modus und die ewige Frage, ob sich schöner Fußball in Zahlen ausdrücken lässt

  1. Musiclover

    Bei Union und auch anderswo gab es aber zuletzt prominent platzierte Banner im Stadion. Ich bekomme auf die Schnelle nicht alle zusammen. Vielleicht hat die jemand parat?

  2. Hmm… also Union bei Anker Wismar klingt spontan deutlich attraktiver als Union bei der TSG Hoffenheim: Kürzere Anfahrt, Ostsee und hübsche Stadt. Und halt nicht Hoffenheim. ;-)

    • Musiclover

      Kann ich bestätigen. War im letzten Jahr häufiger in Wismar unterwegs. Das Städtchen ist ganz nett.

  3. Maria Draghi

    Wismar hat den schönsten Sex-Shop der Welt…

    http://www.fcub.de/archiv/0506/wun.htm

    (nach unten scrollen) :-)))

  4. E.G. (Altunioner)

    “Von Hoffenheim lernen, heißt siegen lernen“ und dann im Text noch einer draufgesetzt:
    “Getreu dem altbekannten Motto:Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“

    … Auweia Kurier und Union Medienpartner oder wie soll ich sagen … Bildungspartner!

  5. Danke für einen Unionbericht ohne Coronascheiße….. ?

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