Blog State of the Union

Union will auch in der Bundesliga vor Zuschauern spielen. Doch will das auch die Bundesliga?

Die Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin erlaubt ab 1. September 5000 Teilnehmer bei Freiluftveranstaltungen, wenn es ein mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmtes Hygienekonzept gibt und der 1. FC Union Berlin wird diesen rechtlichen Rahmen auch ausnutzen. Denn am 5. September wird es ein Spiel vor Zuschauern gegen den 1. FC Nürnberg geben. Genau 100 Jahre nach dem feierlichen Eröffnungsspiel gegen den damaligen Deutschen Meister hat es nicht geklappt. Aber diese kleine Verschiebung um einen Monat wird in historischen Zeitdimensionen kaum auffallen. Aber die Vorzeichen haben sich geändert. Der Club aus Nürnberg ist Zweitligist und Union Bundesligist.

„Kein Virus kriegt uns klein – was zählt ist der Verein“, Foto: Matze Koch/1. FC Union/Pool

In der Medienberichterstattung geht es vor allem aber um den Aspekt, dass Zuschauer zugelassen werden. Dabei werden einige Dinge durcheinander geworfen, die ich hier doch mal richtigstellen muss, falls ihr im Freundeskreis damit konfrontiert werdet:

  • Der Tagesspiegel schreibt: „Die Köpenicker bleiben also ihrem Kurs ungeachtet der Konferenz am Donnerstag treu, mit einem umfangreichen Coronatestvorhaben möglichst schnell wieder ihre Fans im Stadion der Alten Försterei empfangen zu können.“ Das ist so irreführend, dass ich schon blaue Flecken davon habe, so oft wie ich nach dem Lesen mit der Stirn auf die Tischplatte geknallt bin. Halten wir mal auch für den Kollegen, der den Text für den Tagesspiegel geschrieben hat, fest: Es wird keine Tests für das Testspiel geben. Und es wird keine Tests für die Bundesligaspiele geben bis Ende Oktober. Das hätte man ganz einfach der allen zugänglichen Vereinsmitteilung vom 23. August entnehmen können.
  • Im Tagesspiegeltext wird auch suggeriert, Union würde die Konferenz der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit der Kanzlerin am Donnerstag ignorieren. Das wiederholt auch die Morgenpost: „Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder erst am Donnerstag beschlossen hatten, der Profisport solle bis mindestens Ende Oktober ohne Besucher stattfinden? Scheint die Köpenicker nicht weiter zu stören.“ Doch auch das ist falsch. Denn im Protokoll der Konferenz (pdf) steht nur:

“Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist, sollen mindestens bis Ende Dezember 2020
nicht stattfinden. Zum einheitlichen Umgang mit Zuschauern bei bundesweiten Sportveranstaltungen wird eine Arbeitsgruppe auf Ebene der Chefs der Staatskanzleien eingesetzt, die bis Ende Oktober einen Vorschlag vorlegen soll.”

  • Auch über das Testkonzept wird etwas missverständlich geschrieben. So schreiben die BZ oder der RBB: „Union Berlin hatte erst kürzlich mit Plänen überrascht, schon zum Start der neuen Spielzeit wieder vor einem ausverkauften Stadion spielen zu wollen. Dies war aber nicht realisierbar und erhielt von der Politik eine deutliche Absage.“ Erst einmal wurde das Konzept vom regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) als „spannend und toll“ bezeichnet. Das ist weit weg von einer deutlichen Absage. Es gab zwei Knackpunkte, nämlich: was passiert in der Zeit zwischen Test und Einlass zum Stadion und natürlich die Testkapazitäten (Details gibt es hier zum Nachlesen). Und vor allem hätte das Testkonzept in die Infektionsschutzverordnung aufgenommen werden müssen, damit die Gesundheitsämter auch legal darüber entscheiden dürfen. Ziel von Union war es, diese Maßnahme  in eine neue Verordnung aufzunehmen. Da die aktuelle Verordnung nun bis 31. Dezember verlängert wurde, gehe ich davon aus, dass erst einmal kein Testverfahren aufgenommen wurde. Der Grundtenor der Politik war zum Testkonzept: Das wollen dann alle und wir haben nicht so viele Testkapazitäten.

Ich will keinem Medium unterstellen, hier mutwillig falsche oder irreführende Informationen zu verbreiten. Aber bestimmten Erzählungen wie „Union ignoriert Beschluss der Länder-Bund-Konferenz“ muss man schon bestimmt entgegentreten. Denn so etwas setzt sich sonst im Zweifel fest.

Hier sind noch einmal alle Berliner Medienberichte zum Zuschauerthema:

Wie reagiert die Bundesliga auf die unterschiedlichen Regeln?

DFL-Geschäftsführer Christian Seifert im Gespräch für die Union-Doku "Dit is Union, verstehste!", Screenshot Film
DFL-Geschäftsführer Christian Seifert im Gespräch für die Union-Doku „Dit is Union, verstehste!“, Screenshot Film

Ist jetzt alles tutti und Union kann locker bis Jahresende mit rund 4500 Zuschauern (plus Teams, Personal für Ordnungsdienst, Catering etc.) planen? Leider nicht. Erstens können Verordnungen verändert werden. Sei es aufgrund atmosphärischer Veränderungen in der Politik oder durch das Infektionsgeschehen insgesamt. Und dann haben wir da auch noch die DFL. Am Donnerstag, also zwei Tage vor Unions Test gegen Nürnberg, treffen sich die Clubs mal wieder zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung.

Das übergeordnete Ziel der DFL scheint zu sein, über den Bund eine für alle Bundesländer verbindliche Regel für die Zulassung von Zuschauer bei Bundesliga- oder Zweitligaspielen zu bekommen. Dafür wurde zuletzt schon von den Clubs freiwillig auf Stehplätze, Alkoholausschank und Gästefans verzichtet. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man hier erstens für die bundeseinheitliche Regelung diesen Beschluss verlängert und zweitens sagt, man würde freiwillig bis November auf Zuschauer verzichten. Bisher ist noch nicht durchgesickert, ob und wenn ja welche Punkte zur Abstimmung kommen. Sicher ist trotz rechtlicher Rahmenbedingungen erst einmal nichts, denn die DFL-Clubs haben schon einmal bewiesen, dass sie weitergehen würden als der Rechtsrahmen.

Und was ist sportlich los?

Christopher Trimmel sagte im Interview mit dem RBB, dass man Spielern wie Max Kruse auch etwas Zeit geben müsse. Ganz Kapitän übt sich Trimmel hier im Erwartungsmanagement.

Toni Leistner hat seinen Vertrag mit Queens Park Rangers aufgelöst und sich dem Hamburger SV angeschlossen (Kurier).

Und sonst so?

Matze Kochs Buch über die erste Bundesligasaison ist jetzt erhältlich. Direkt hier beim Verlag bestellen oder überall, wo ihr Bücher bekommt. Sobald ich es gelesen habe, berichte ich noch einmal darüber.

4 Kommentare zu “Union will auch in der Bundesliga vor Zuschauern spielen. Doch will das auch die Bundesliga?

  1. Immer wieder starten Versuche für bundeseinheitliche Regeln, obwohl das Ländersache ist. Die Länder werden auf Ihre Rechte bestehen, da führt kein Weg vorbei. Da müssten sich wenigstens alle Bundesländer mit Erst- und Zweitligisten einigen. Das klappt mit Sicherheit (nicht).

    Warum die DFL eine bundeseinheitliche Zulassung von Zuschauer verfolgt, bleibt mir ein Rätsel. Die Stadien sind nicht bundeseinheitlich, die Stadien sind Alle unterschiedlich von 13090 Zuschauern in Würzburg bis 81365 Zuschauern.

  2. Wir haben uns mit diesem Alleingang keinen Gefallen getan. Steigende Infektionszahlen, merkwürdige Anti-Corona-Demo in der Hauptstadt und unser Verein hat nix besseres zu tun als zu einem Testspiel (ja, es hat irgendwie eine historische Komponente) 5.000 Menschen ins Stadion zu holen. Angesichts der An- und Abfahrtswege mit dem ÖPNV, dem Treffen vor dem Stadion. Wer redet da ernsthaft noch von Abstandsregeln?

    Und: Will wirklich irgendjemand zu einem Testspiel in ein zu einem Viertel gefülltem Stadion? Wir müssen uns damit abfinden, dass Fußball wie wir ihn verstehen in 2020 nicht mehr stattfinden wird. Das kann leider auch unser Präsident nicht ändern. So gern ich es vielleicht hätte …

  3. silberhacke

    einmal noch ins stadion, bevor wir alle sterben. – danke, dirk! und wieder die ewige lotterie – erst gabs zu wenig plätze, jetzt sind es zu viele. aber so ist das leben. und es könnte schlimmer sein – das kann es immer. leistner beim hsv – ok, am ende wollte er nur noch weg von union und hat seine spiele zwar solide, aber ohne leidenschaft absolviert. wenn er nun die insel verlässt, wo er ziemlich erfolgreich und beliebt war, legt das die vermutung nahe, dass die hamburger ordentlich was auf den tisch gelegt haben. es sei ihm gegönnt.
    fußball vor leeren rängen ist nichts. fußball, das sind wir gegen die – jedenfalls war das mal die idee, und vielleicht sollte man sich wieder darauf besinnen. geht doch so lange zu euren vereinen vor ort – da kickt der sohn vom nachbar, der bäcker und der typ vom lieferservice. überlasst den profifußball doch den profis – den funktionären, den auftragsspielern, den sendern und empfängern, den inhabern der rechte in ihren büros und anstalten. für den fan werden sich diese leute ganz bestimmt nicht einsetzen, weil sie keine ahnung haben, womit er sich identifiziert. weil sie nicht wissen, wofür die identifikation mit dem verein im leben des einzelnen steht. für diese leute sind wir zahlende kunden, mehr nicht. natürlich finden die das auch geil, wenn ordentlich stimmung von den rängen kommt, aber doch nur, weil sich mit dieser begeisterung, das produkt noch besser verkaufen lässt. und das ganze gesinge, das ganze gebrüll gibts frei haus – bzw. na ja, der fan muss schon selbst in seine tasche greifen, um die rakete zu zünden. tut oder kann er das nicht, kommt die stimmung eben vom band.
    zingler liegt schon richtig, wenn er sich für zuschauer im stadion engagiert. es ist ihm ein wirkliches anliegen. er ist selbst fan und identifiziert. er macht das gut, sich nicht vertrösten oder abwimmeln zu lassen. es ist nicht sache der fans, sich den eintritt ins stadion zu erbetteln. es ist sache des vereins um die menschen zu werben, für die das spektakel in seinem ursprung gedacht ist.
    dran bleiben, zingler!

    EISERN

  4. […] 1.FC Nürnberg zum Jubiläumsspiel – und diesem sollen wohl 5.000 Fans beiwohnen dürfen. Das Textilvergehen fasst die Hintergründe und verschiedenen Betrachtungsweisen zusammen und überlegt auch, was das […]

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