Blog State of the Union

Ohne Zuschauer hat Fußball keinen Sinn, erst recht nicht für Union

Nachdem das Land Berlin mit Verzögerung doch dem Beispiel der meisten anderen Bundesländer gefolgt ist und bis Ostern sämtliche Veranstaltungen ab 1000 Zuschauern untersagt hat (Video von der Pressekonferenz der Landesregierung), wird es im Stadion an der Alten Försterei mindestens so lange Geisterspiele geben. Union-Präsident Dirk Zingler hat mit einem offenen Brief daraufhin versucht, das schiefe Bild, das er und der Verein noch am Dienstag abgegeben haben, geradezurücken.

Darin gibt der Präsident Einblick in die jeweilige Lagebeurteilung und die Abstimmung mit den zuständigen Behörden und versucht zu erklären, warum Union so und nicht anders reagiert hat. Ich kann der Argumentation eigentlich ganz gut folgen und konnte das bis zu einem gewissen Punkt auch am Dienstag. Denn natürlich ist es so, dass der Präsident eine wirtschaftliche Verantwortung für Mitarbeiter und Verein trägt und es durch das Land Berlin keine einheitliche Regelung gab, weshalb nur das zuständige Gesundheitsamt Entscheidungen treffen konnte.

Ich glaube, dass allerdings ein Großteil des schrägen Bildes, das Union in der Öffentlichkeit abgab, an den doch sehr hemdsärmeligen Worten des Präsidenten am Rande des Trainings am Dienstagvormittag lagen. Dort hatte er unter anderem gesagt, dass der Bundesgesundheitsminister Union nicht empfehlen könne, auf die eigene wirtschaftliche Grundlage zu verzichten. Das war eine Fehleinschätzung von Dirk Zingler angesichts der dynamischen Entwicklung der Ausbreitung des Coronavirus und dem Versuch, eine ähnliche Entwicklung wie in Italien zu verhindern.

Union ist eben in dem Fall keine Insel, die Entscheidungen anders treffen kann. Damit ist das Thema für mich aber auch erledigt. Denn wenn ich die Kommentare so unter manchen Artikeln und Posts rund um die Geisterspiele für Union lese, ist der Präsident mit der Einschätzung nicht alleine. Ich kann nur das fortführen, was Daniel in den vergangenen Tagen schon öfter hier gesagt hat. Verzichtet so weit es möglich ist, auf direkten Kontakt zu Menschengruppen, fahrt so wenig wie möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln und nehmt lieber die Veranstaltungsabsagen hin. Es ist sicher nicht sinnvoll, ein Geisterspiel in der Kneipe zu schauen oder sich vor dem Stadion zu treffen wie gestern beim Spiel von Mönchengladbach gegen Köln geschehen. Wenn die Infektionen nicht schnell in den Griff bekommen werden, dann sind Geisterspiele nämlich noch die geringste Maßnahme.

Geisterspiele sind nicht unser Fußball

Ich verstehe die Emotionen und ich bin selbst wahnsinnig genervt, dass uns hier Highlights wie das Heimspiel gegen Bayern und das Derby gegen Hertha genommen werden, auf die wir uns alle wahnsinnig gefreut haben. Es kotzt mich regelrecht an. Und wenn ich sehe, wie solche Geisterspiele ablaufen, dann muss ich sagen: Ich will das nicht. Das ist nicht mein Fußball. Das ist nicht der Fußball von Union. Wenn Dirk Zingler sagt, dass wir in erster Linie Fußball für die Menschen im Stadion spielen, dann hat er Recht. Und natürlich wird uns mit Geisterspielen alles entzogen, wofür wir Union lieben. Die Gemeinschaft. Das Leiden, Lieben, Hoffen. All das ist besser Schulter an Schulter. Ohne Zuschauer ist, als ob man Union den Stecker zieht.

Natürlich wissen wir rational, dass die Geisterspiele stattfinden, weil die DFL sich (noch) an den Rahmenterminkalender halten muss und die Europameisterschaft (noch) direkt danach kommt und (noch) Europacupspiele ausgetragen werden. Und weil es Fernsehgelder für die Übertragung der Spiele gibt, die unsere Vereine zu einem großen Teil finanzieren. All das wissen wir. Aber wer will schon Union schauen und das Gefühl haben, man stünde Sonntag um 11 Uhr auf dem Kissingensportplatz beim Spiel von Fortuna Pankow? Das ist alles Scheiße! Sorry für die Wortwahl.

Aber wir müssen aktuell damit leben, dass Entscheidungen nach Beurteilung der Lage eines Tages so getroffen werden und diese am nächsten Tag komplett überholt sind. Eigentlich will die DFL Anfang der nächsten Woche beraten, wie sie weiter mit der Situation umgehen wird. Bis dahin sind wir alle schlauer. Warten wir ab, wie sich alles entwickelt und lasst uns hoffen (und einen Teil dazu beitragen), dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus greifen.

Hier kommen die Medienberichte zum Coronavirus und Union:

Ich hoffe, dass Union mir nicht einfach das Geld für die nicht gesehenen Heimspiele automatisch erstattet, denn ich möchte das Geld nicht zurück. Ich würde auch für die Kinder virtuelle Karten für die Geisterspiele kaufen und mir auch ein virtuelles Bier und eine virtuelle Krakauer im Zeughaus ziehen, wenn es dem Verein nützt. Wenn es Chancen gibt, dass wir mit unseren kleinen Beiträgen dem Verein in der aktuellen Phase helfen können, dann machen wir das sicher. Da die aktuelle Lage aber wie oben schon dargestellt Voraussagen schwer zulässt, dürfte es für Union schwierig sein, die kompletten finanziellen Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie auf den Verein darzustellen. Aber vielleicht kann man zum Bayernspiel mit virtuellem Bier und Bratwurst im Zeughaus schon anfangen.

Heute um 12.30 Uhr ist die Pressekonferenz zum Heimspiel gegen Bayern mit Trainer Urs Fischer:

Auf den anderen Plätzen

Unions A-Jugend gewinnt das Nachholspiel gegen Hannover mit 4:2 und festigt in der Bundesliga einen ganz starken 4. Platz (Spielbericht auf der Vereinswebsite).

18 Kommentare zu “Ohne Zuschauer hat Fußball keinen Sinn, erst recht nicht für Union

  1. Ich wette, dass es der letzte Spieltag diese Saison sein wird, wenn er überhaupt noch planmäßig erfolgt.
    Und danke für eure richtige Einschätzung wenn es um den Konsum der Geisterspiele geht.

  2. Hat jemand Zahlen, die die Einnahmeausfälle pro Heimspiel beziffern? Bei den Eisbären sollen es 200.000€ sein. Bei uns potenziell sogar noch mehr?!

  3. honeypie

    Werder Bremen beziffert die Einnahmeausfälle pro Spiel mit etwa 1,4 Mio €

  4. Vereine wie Gladbach sprechen von Einnahmeausfällen in Höhe von 2 Millionen, Dortmund spricht sogar von 3 Millionen. Bei uns dürfte es sich darunter bewegen, aber sicher näher an der Million als an den 200.000. https://www.wz.de/sport/fussball/borussia-moenchengladbach/coronavirus-massnahmen-gladbach-rechnet-mit-enormen-verlusten_aid-49472655

  5. Kann man sicher grob berechnen, 22000 Plätze x 20,00 EUR, + catering + Fanartikel und eventuell Ausfälle bei Bandenwerbung usw. Dann dürften 800000 bis 1 Mio wohl nicht nicht so unrealistisch sein.

  6. Honeypie

    So vernünftig der Abbruch der Saison auch klingt, für kleine Vereine könnte sich das als finanzielle Bedrohung erweisen. Ich denke die Rechteinhaber (Fernseh/Streaming/Audio) werden die Verwertungsgebühren für die ausgefallenen Spiele zurückverlangen. Das sind keine unerheblichen Summen + den Einnahmeausfällen die ja auch nur zum Teil bzw. nach viel Aufwand und Zeit vom Staat erstattet werden. Da brennt es lichterloh in Kassen. Die Etats sind ja gerade bei den Kleinen nicht auf Akkumulation genäht.

  7. @honeypie Ich glaube, ich habe das am Montag im Podcast schon gesagt: Auch Fußballspieler können sich infizieren und werden dann samt ihrer Kontaktpersonen unter Quarantäne gestellt. Wer soll dann spielen? Je schneller jetzt alles runtergefahren wird und Risiken minimiert werden, desto schneller kommen alle zurück auf normal. Das reduziert dann auch die Verluste und Einschränkungen, die aber sowieso unausweichlich sind, und zwar für so ziemlich alle.

  8. @honeypie

    Ich glaube darüber nachzudenken ist im Augenblick Spekulatius, der Ball liegt jetzt bei der DFL und die werden am Montag darüber nachdenken müssen wie es weiter geht. Und Lösungen müssen da sicher auch im großen Rahmen also mit der UEFA und den Rechteinhabern getroffen werden, haben schließlich alle das gleiche Problem. Glaube keiner hat ein Interesse daran das die halbe Liga krachen geht. Also erst mal abwarten und Tee trinken.

  9. Ich fand Deniz Aytekins Worte nach dem Geisterspiel Gladbach-Köln gestern treffend und ehrlich:
    „Es ist wirklich etwas ganz Anderes. Irgendwas fehlt – und zwar massiv. Ich kann nur hoffen, dass sich so etwas langfristig nicht durchsetzt. Es ist wirklich einfach beängstigend und irgendwie hat es mit Fußball auch nichts zu tun. Die Leidenschaft fehlt. Es war sehr schwierig, sich permanent zu konzentrieren.“

    Seine weitere Aussage „Egal wie – die Fußball-Familie muss zusammenhalten, dass Fußball-Fans auch im Stadion sein und die Mannschaften anfeuern können. Ohne Fans ist das tatsächlich nicht mal halb so viel wert.“ klingt für mich nicht nach Zustimmung für fortlaufende Geisterspiele, sondern nach Wunsch einer anderen Lösung wie zB eine Verschiebung der Spiele.
    Siehe https://www.kicker.de/772001/artikel/aytekin_gesteht_irgendwie_hat_es_mit_fussball_nichts_zu_tun_#omrss (den Videoschnipsel vom gestrigen Sky-Interview find ich grad nicht, so der irgendwo kursiert)

    Von mir aus (die grossen Fanorganisationen positionieren sich derzeit ähnlich) sollte zuerst die eh schon bekloppte EM verschoben werden, und ggf abgesagt, als die Europäischen Ligen und Europapokal sinnlos im Geisterspielmodus weiterzuführen.

    PS: In Bremen hat der Innensenator (der auch gerne die Polizeikosten privatisieren möchte) auf die Frage, was denn passieren würde wenn sich >1000 Fans vor dem Stadion treffen würden, geantwortet, dass das Spiel dann abgesagt werden müsste.
    Also: Die Androhung einer Versammlung vor dem Stadion könnte die Behörden zwingen, die Spiele abzusagen. Und folglich wäre auch die DFL und die UEFA in Zugzwang. Ich bin gespannt…

  10. Um Kneipenbesuche zu vermeiden überträgt Sky die Konferenzen der beiden nächsten Spieltage der 1.und 2.Liga unverschlüsselt.

    Ich werde mir das Derby dennoch zusammem mit anderen (auch Herthanern) vorm TV ansehen.

  11. Derbykartengewinner

    Die 45€ von Hertha für nen Sitz im Oberrang würde ich schon gerne zurück… Absage ist richtig. Aber wisst ihr, wie das bei Hertha geregelt ist?

  12. So wie ich es bisher verstanden habe, werden bei einer Spielabsage (bzw Publikumsausschluss) die Einzelkartenkäufer entschädigt. Die Dauerkarten aber möglicherweise nicht.

  13. Die Idee mit einem „virtuellen Bier und eine virtuellen Krakauer“ (ich nehme lieber ein Stück Kuchen) im Zeughaus finde ich sehr gut. Und ich will nicht irgendetwas Reales kaufen, sondern für eine echte Geldleistung nur eine symbolische Leistung …
    @Zeughaus: Stellt doch mal ein paar virtuelle Artikel ein!

  14. Eisernjuho

    Erst einmal abwarten! Es ist damit zu rechnen, dass das Spiel gegen die Bayern vorerst das einzige Geisterspiel bleibt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die UEFA am Dienstag die Europa Meisterschaft auf 2021 verschieben. Damit entspannt sich für den DFL der Termindruck und bis Ostern werden alle Spiele der Bundesliga und der zweiten Liga ausgesetzt. Und dann werden wir sehen wann und ob mit Zuschauern es gegen Hertha geht.

  15. Der erste Spieler von Hannover ist infiziert es muß alles abgesagt werden andere Ligen tun es auch selbst in USA und da stehen ganz andere Summen im Raum Fussball lebt von den Fans so muss es bleiben wie der gesamte Sport

  16. @Eisernjuho
    Auf welchem Planeten lebst Du? Verfolgst Du ab und an mal das Geschehen da draußen? Träum weiter!

  17. Pro virtuelle Wurst und Bier! Bitte anbieten, und wenn es analog im Zeughaus in eine Box ist.! Eisern zusammen

  18. Eisernjuho

    @uli49
    Gerade weil ich das Geschehen da draußen verfolge, gehe ich davon aus, dass der 26. Spieltag vor erst der letzte Spieltag sein wird. Wann und ob es es danach weiter geht, wird davon abhängen, wie der Infektionsverlauf weiter geht. Aktuell ist nicht vorhersehbar, ob die Infektion in den nächsten Monaten eingedämmt werden kann.
    Das ist kein Traum sondern leider bittere Realität.

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