Blog State of the Union

Dirk Zingler widerspricht der Darstellung von Union als „der andere Klub“

Mir ist gestern irgendwann während der Podcast-Aufnahme der Kragen geplatzt. Nicht wegen der Schiedsrichterleistung von Tobias Welz am Sonnabend beim 1:2 gegen Werder Bremen, sondern ein bisschen fälschlicherweise wegen des Klatschens der Gästefans nach Abpfiff. Einerseits ist  es mir völlig egal, ob Union beliebt oder unbeliebt ist, weil mir als Unioner vor allem Union wichtig ist und das alles so  läuft, wie es für uns alle als Union-Anhänger richtig ist. Aber vor allem, weil ich den Applaus der Werder-Anhänger etwas in den falschen Hals bekommen habe und mit diesen vielen Betrachtungen der vergangenen Wochen gleichgesetzt habe, in denen Union viel zu verkürzt als der etwas andere Verein dargestellt wurde, quasi als nostalgischer Sehnsuchtsort der Bundesliga. Ignorierend, dass die Bundesliga sicher nie so war, wie Union heute ist.

Mir ist die Erzählung vom „anderen Klub“ etwas zu einfach und zu billig. Sie verdeckt aus meiner Sicht die wirklich wichtigen Geschichten. Wenn meinetwegen erzählt wird, bei Union würde es nicht so sehr ums Geld gehen. Dabei wird ignoriert, wie hoch der finanzielle Einsatz in der Zweiten Liga zuletzt war und dass der Verein da beim Geld eigentlich nur von den großen Bundesliga-Absteigern getoppt wurde. Und wie Union an das Geld kam (Stichwort Quattrex), wird auch nicht gefragt. Natürlich hat der 1. FC Union verglichen mit den anderen Bundesligisten einen niedrigen Etat. Aber ist das nicht normal für einen erstmaligen Aufsteiger?

Jedenfalls habe ich die Nase voll von dieser Art Zoo-Berichterrstattung, in der Union betrachtet und meinetwegen bewundert wird, wie ein aus Besuchersicht exotisches Tier. Ich  habe das schon gehasst, wenn Leute mal nach Hellersdorf oder Marzahn gegangen sind, um zu schauen, wie die Leute dort so drauf sind und das ganz „spannend“ fanden. Als ob rund um den S-Bahn-Ring ein riesiger Zaun wie bei Jurassic Park wäre. Oder wie halt nach Wahlen in irgendeinem ostdeutschen Bundesland immer in die Gemeinde gefahren wird, in der die AfD prozentual die meisten Stimmen erhielt und in einem wenige Minuten langen Beitrag herausgefunden werden soll, wie der Ossi so tickt und warum er das mit der Demokratie immer noch nicht gelernt hat.

Dieser Beitrag gestern in der ZDF-Reportage bediente so ein bisschen die gleiche Geschichte vom anderen Klub. Und die Werbung auf Twitter dafür war dann wohl selbst  dem offiziellen Union-Twitter-Account zu viel:

Der Beitrag selbst aber war schon sehr aufwendig gemacht. Claudia Neumann, die den Film gemacht hat, hat viele Leute befragt, war an vielen Orten persönlich und heraus fiel auch ein längeres Interview mit Union-Präsident Dirk Zingler, das vom ZDF freundlicherweise noch einmal ungeschnitten veröffentlicht wurde. Darin sagt er zunächst, dass es mittlerweile 31.000 Mitglieder im Verein sind. In solchen Momenten möchte ich immer den jungen Mann aus der Schalte vom Relegations-Hinspiel einspielen, der in die Live Schalte ruft „Hertha, wir kommen!“ (bei Min 0:48)

Dirk Zingler sagt auch: „Wir finden uns relativ normal.“ Das wäre ein schöner Disclaimer für jeden Union-Verstehen-Beitrag. Und natürlich müssen wir diese ganzen Der-andere-Klub-Beiträge, das Kult-Gerede oder unreflektierte Meinungstexte in die andere Richtung wie diesen zuletzt im Weser-Kurier oder im Tagesspiegel auch einfach aushalten. Erstens sind die irgendwann auserzählt. Und zweitens hat Dirk Zingler auch recht mit dem, was er seit langer Zeit sagt und im ZDF auch noch einmal erwähnt hat: „Über erfolgreichen Fußball transportiert man am meisten. Die Meinung des 1. FC Union Berlin hat in der 3. oder 4. Liga keinen Menschen interessiert. In der ersten Liga hast du plötzlich diese mediale Kraft. Also geh damit sorgsam um und setze, wo es passt, Impulse.“

Dirk Zingler (Präsident des 1. FC Union Berlin) im ZDF-Interview
Dirk Zingler im ZDF-Interview; Screenshot: ZDF, Bearbeitung: Textilvergehen

Rückblick auf das Bremen-Spiel

Beim DFB hat sich Videobeweis-Chef Jochen Drees zu den gepfiffenen Elfmeter-Situationen vom Spiel gegen Werder Bremen geäußert und beschreibt den ersten Strafstoß als nicht regelkonform, die anderen beiden schon. Und mit diesem Thema, wahlweise in Bezug auf die Elfer-Entscheidungen oder auf die Art, wie Union nicht konzentriert genug das eigene Spiel verfolgt hat, beschäftigen sich die meisten Berliner Medien mit dem Thema:

Ein bisschen auf die Leistung von Rafal Gikiewicz in den ersten Bundesliga-Spielen schauen Kurier (noch nicht online) und Kicker. Der Keeper nimmt das zweite Gegentor zum großen Teil auf seine Kappe. Daraus aber zu machen, dass er nicht so konstant wäre wie noch in der Zweitligazeit, finde ich schwierig. Erstens weil wir erst an Spieltag 4 sind und zweitens weil es noch einige Abstimmungsprobleme gibt, die auch im Kicker-Heft heute zitiert werden. Vor allem das Thema „spielerische Lösung beim Spielaufbau“ hat große Auswirkungen auf den Keeper, ohne dass er das groß selbst beeinflussen kann. Aber auch die im Kicker zitierte Frage, wann er schnell spielen soll und wann lieber warten, bis alle in Position sind. Und zuletzt kommt natürlich hinzu, dass im Prinzip bei nahezu jedem Spiel andere Innenverteidiger  vor ihm stehen.

Wichtig ist aber in der Tat, dass die einfachen Fehler (nicht nur die zwei, die Gikiewicz angekreidet wurden, sondern bei der gesamten Mannschaft) stark reduziert werden müssen, wenn Union weiter punkten möchte. Es wurmt vor allem bei der Niederlage gegen Werder Bremen, dass alle wissen, dass da mindestens ein Punkt drin war. Oder wie es Rafal Gikiewicz auf Polnisch sagt: „Stracili?my punkt/punkty.“ Und dieser Verlust tut weh.

Der Kurier thematisiert im Kommentar heute noch einmal die Einigkeit zwischen Gästeblock und Waldseite was die Stadionnamen betrifft.

Unseren Podcast zum Spiel, in dem wir viele strittige Schiedsrichterentscheidungen thematisieren, findet ihr hier.

Auf den anderen Plätzen

Das erste Frauen-Team hat gegen Hohen Neuendorf den ersten Sieg geholt und 4:0 gewonnen. Das bedeutet aktuell Platz 6 in der Regionalliga. Die zweite Mannschaft hat sogar 8:2 bei Borussia Pankow gewonnen und belegt Rang 4 in der Berlin-Liga.

Bei den Männern holte die A-Jugend ein 1:1 beim Hamburger SV und steht in der Bundesliga auf Platz 3. Den Spielbericht gibt es hier.

10 Kommentare zu “Dirk Zingler widerspricht der Darstellung von Union als „der andere Klub“

  1. Mediale Aufmerksamkeit für fcu: ist sie kritisch – Aufregung. Ist sie wohlwollend – Aufregung. Manchen kann mans nie recht machen.

  2. HaHa, klar ist es eine Zoo-Berichterstattung, aber ist nun mal wie es ist. Ihr solltet doch am besten wissen wie Medien funktionieren. Andere Vereine haben Superstars für 100 Millionen mit Modelfreundin und Supersportwagen über die man schreiben kann, hat Union nicht also werden da andere Sachen medial aufgeblasen.
    Und die Alternative in unserer Medienwelt ist nun mal die kleine, langweilige Graue Maus über die keiner redet und die keinen interessiert.

    • @andreas Absolut. Das ist ja auch das, was Zingler sagt. Und ich weiß, dass er damit recht hat.

      @uli49: Ich bin nur genervt. Noch nicht aufgeregt. ? Und kritische Berichterstattung ist hier immer gerne gesehen.

  3. Die Werderaner haben applaudiert, weil es ein geiles Stadionerlebnis war, beide Fanlager sich solidarisch bzgl der Stadionnamen zeigten, und weil es fair und ohne jeden Schmähgesang zuging, auch wenn es auf dem Platz auch mal hektisch wurde. Das ist nicht immer so.

    Dieser Stolli (der diesen Blödsinn im Weser Kurier verzapfte) ist auch in Bremen und vor allem von Bremern nicht auszuhalten. Man merkt, dass der wirklich in Kleinkarierthausen beim Nebeltopf neben der Milchkanne lebt (Stadionsprecher wurde er versehentlich, weil die Pappnasen im Eventmarketing damals wohl dachten dazu müsste man Dudelradiomoderator in Hannover sein…).

  4. Das, was wir bei Union machen, ist normal. Das was die anderen machen, ist leider schon dem Fußball aus der guten alten Zeit ein Stück weit entrückt, je nach Verein mehr oder weniger.

  5. In freue mich über diese Berichterstattung (auch wenn ich sie im Detail nicht immer gelungen finde). Union pflegt eine besondere Fußballkultur, die hoffentlich auch andere Menschen und Vereine zum Nachdenken anreget. Dazu braucht man aber Aufmerksamkeit und Berichterstattung…

  6. ick lese und kieke dit meiste von dem janzen neo-bohei janich mehr.
    und mir jeht dit jut damit.

    jut, ihr als medienfuzzies ;-) müsst euch dit wohl einfach von berufswejen immer wieder antun.
    aber vielleicht würde ooch euch eene jewisse fastenzeit von diesem (im grunde weitjehend) verlogenen hype ooch mal janz jut tun?

    mensch, wir sind, wat wa sind und dit isdo im großen und janzen janz jut so.

    ick sags mal mit BAP: „lasse doch rede, mann!“
    ick bin mir ziemli sicher, die zeit kommt, wose uns ooch wieder verschärft ‚runterschreiben. so looft dit doch schon immer mit der journaille.

    und dit weißjott nich nur inner yellow press.
    die „qualitätsmedien“ jehn da oft jenuch sogar perfider – die würden wohl sagen: subtiler – vor mit ihrem (pseudo-) bildungsbürjersprech.

    scheiße labern (schreiben) uff (vermeintlich) hohem niveau…ick find dit balde manchma widerlicher als irjendsone bescheuerte BLÖD-ente, die da hundert pro schon alsbald wieder uff uns zurollt.

    sindwa do einfach stolze, manchma widerborstje, schnoddrije und ooch witzje eiserne menschen.
    wir müssen doch nich jedem jefallen oder erklären, wat und wie wir sind – dit jeht doch ooch janich bei der vielfalt der leute…

    union leben nach der jutem, alten, sprichwörtlichen berliner mutterwitz.

    unsre spezies muss nich aussterben.
    wissta doch:
    WIR werden EWIG leben!

    eisern!…die sollnma do am arsch lecken, die spinner. da..;-) ;-) ;-)
    eenfach SPORTI hörn und weglachen die scheiße!

  7. Vielleicht sind wir ja auch gar nicht so anders.
    Schließlich ist alles nur eine Frage der Wahrnehmung. Eiserne Grüsse.

  8. Thomas Metze

    Neben mir im Bremer Block waren auch einfach viele Berliner, die einer Berliner Mannschaft und ja auch deren Fans Respekt gezollt haben. Ich bin jahrelang selber zu Union gegangen (94-96, 01-06), konnte das aus verschiedenen Gründen später nicht mehr. Ich hab im Bremer Block die Union-Hymne mitgesungen und war nicht der einzige. Wenn Werder in Berlin zu Gast ist, ist der halbe Block immer aus Berlin.

  9. Christina Masch

    Wie schön, dass wir uns fast alle einig sind: Das Spiel lief suboptimal, der Schiri hat dem ganzen dann das Krönchen aufgesetzt, die Bremerfans sind ähnlich gestrickt wie wir und die Presse hat nach wie vor keinen blauen Dunst.
    Die Mannschaft muss weiter an sich arbeiten und uns schon „abzuschreiben“ (nach 4 Spieltagen) ist das allerletzte – sicher ist, ein Punkt wäre drin gewesen, es war nicht unser Tag – egal, nach vorne schauen und weiterhin an sich glauben und „Kämpfen und Siegen“, dann klappt das auch mit dem Klassenerhalt. Und wenn wir Anhänger dann auch noch unser Liedgut wortwörtlich können, dann ist auch die Stimmung rund um das Spielfeld elektrisierend und unsere Mannschaft wird gepusht… Also, aufstehen, Ärmel hochkrämpeln und weitermachen. U. N. V. E. U. – in diesem Sinne, schöne Woche.

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