Blog State of the Union

Dirk Zingler, der neue Sponsor und der Fußball-Klassenkampf

Unions Präsident Dirk Zingler hat Kurier und Berliner Zeitung ein Interview gegeben, in dem er über die Wahl von Aroundtown als neuem Hauptsponsor des 1. FC Union, die Idee des Derby am 9. November und Unions Perspektive in der Bundesliga spricht. Die Sponsorwahl rechtfertigt er dabei einerseits damit, dass auch in der sozialen Konfliktsituation um das Thema Wohnraum Unternehmen differenziert zu beurteilen seien, und andererseits damit, dass Union schon seit langem eine Beziehung zu den handelnden Personen bei Aroundtown habe.

Zingler
Dirk Zingler fomuliert Unions Position in dem Interview ziemlich deutlich. Foto: Stefanie Fiebrig

Diese Beziehung geht nicht erst auf die letzten zwei Jahre zurück, in denen Grand City Properties Unions Nachwuchs gesponsort hat, sondern, wie Zingler sagt, zehn Jahre, seit Andrew Wallis, der Geschäftsführer von Aroundtown, zuerst als Sponsor bei Union aktiv wurde (mit dem Immobilienunternehmen Goal). Die Loyalität, die daraus erwachse, sei für den Verein wichtiger als Schwankungen in der öffentlichen Stimmung.

Das kann man sicher so sehen, und ist aus der Innenperspektive sehr nachvollziehbar. Auch Zingler verneint in dem Interview aber nicht, dass sich in dieser Zeit die Lage um Immobilien und Wohnraum in Berlin sehr stark verändert hat. Und mit Blick auf diese Veränderung und die aktuelle Situation kann man Unions Partnerschaft mit einem Unternehmen wie Aroundtown eben auch anders sehen.

Die Süddeutsche Zeitung hat einen Kommentar über Union, Werder und den Einfluss von Sponsoren überhaupt geschrieben. Der steht mit der Verwechslung von Union mit Hertha im dazugehörigen Tweet aber schon unter keinem guten Stern.

A propos Hertha: Über die Idee, das Derby am 9. November auszutragen, spricht Zingler in dem Kurier-Interview mit großem Unverständnis. Das Spiel von Hertha gegen Union steht, sagt Zingler, „für Rivalität, für Abgrenzung. Und für Fußball-Klassenkampf in der Stadt.“ Diese Gelegenheit stattdessen mit symbolischer Freundschaft aufzuladen, sei absurd.

Als kleine Spitze in Richtung Hertha darf man es vielleicht auch lesen, dass Zingler sie zusammen mit Augsburg, Freiburg, Mainz, Düsseldorf und Paderborn in der Kategorie von Gegnern in der Bundesliga ansiedelt, gegen die Union die nötigen Punkte für den Klassenerhalt holen muss. Der ist schließlich durchaus erwünscht und wird als realistisches Ziel erachtet. Selbst wenn das bedeuten würde, dass Union doch in der Bundesliga das Stadion umbauen und deshalb dessen Kapazität noch viel weiter einschränken müsste. Für den Umbau formuliert Zingler den Zeitplan ein Jahr für die Baugenehmigung, ein Jahr für den Bau selbst.

Was die Berliner Medien sonst über Union schreiben

Deutlich weniger markante Aussagen gibt es im zweiten Teil des Interviews mit Urs Fischer in der Bild (print) zu lesen.

Marvin #Freedrich

Ein Interview hat auch Marvin Friedrich gegeben (der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen). Dort erfahren wir etwa, dass sich Friedrich in Homberg spezielle orthopädische Schuhe anfertigen lässt, um die Verletzungen zu vermeiden, wegen der er lange ausgefallen ist.

Und wir lesen noch einmal, dass Friedrich sich bei Union sehr wohlfühlt und gern weiter hier spielen möchte, darauf aber wenig Einfluss hat.

Ansonsten habe ich mich dafür geschämt, erst aus diesem Interview zu lernen, dass Friedrichs Schwester Melissa in der Bundesliga für Leverkusen spielt.

Und sonst so

Einer der Aspekte, auf die ich mich als positive Nebenerscheinung des Aufstiegs gefreut habe, wird sich nicht materialisieren: Union wird nicht in den sehr guten Übertragungen von Eurosport mit Matthias Sammer zu sehen sein, weil der nicht länger als Experte arbeitet. Das ist sehr schade, nicht zuletzt, weil so an den ungeliebten Terminen des Spieltags (also denen, die man wahrscheinlicher im Fernsehen verfolgt), weniger Gutes bleibt.

17 Kommentare zu “Dirk Zingler, der neue Sponsor und der Fußball-Klassenkampf

  1. silberhacke

    neue zeiten brechen an. eben auch solche, in denen man sich fürs lernen nicht mehr schämen muss.

    immerweiterEisern

  2. wer lässt sich von spekulanten kaufen?

    (zuvor bereits) von der bundeswehr, allen erdenklichen ausbeuterischen, antisozialen, klima- und umweltfeindlichen, per se undemokratischen – da i.d.r. autoritär geführten – unternehmen?

    WIR…
    union und die unioner.

    ebenso, wie 95% prozent der mitglieder, fans und sympatisanten anderer vereine.
    uns unterscheidet vielleicht von denen noch, dass wir uns in signifikanter anzahl dessen bewusst sind.
    und ahnen, dass all das in einem global-apokalyptischen crash enden muss.
    kein mensch wird sich am tag X darum scheren, ob und wann verein A, B oder C in liga Y gegen klub Z spielt, oder nicht…

    bis dahin wollen wir >95 % einfach nur mal abschalten, uns erleichterung vom zwang zur erwerbsarbeit vorgaukeln und in all dem wahnsinn vorübergehd versuchen zu vergessen, dass wir wieder einmal alle mitmachen.

    ja…auch ich.

  3. Ernst Apfel

    Ach Herr Zingler sagen sie doch einfach das es egal ist, wo das Geld her kommt. Aber eine nachweislich antisoziale und gewinnorientierte Firma wie Aroundtown auch noch in Schutz nehmen und so zu tun als wäre sie anders als Deutsche Wohnen o.ä. ist für mich irgendwie heuchlerisch und Arrogant, gegenüber Unionern und anderen Bürgern von Berlin die sich ihre geliebte Wohnung nicht mehr leisten können.
    Sorry meine Meinung!

  4. Jens Otto

    Ersteinmal gut und auch wichtig dass sich Dirk Zingler so offen der Kritik stellt, es bestätigt auch meine Vermutung dass persönliche Vertrauensverhältnisse der handelnden Personen zu der Entscheidung geführt haben, ich bleibe aber bei meiner Kritik und je mehr ich mich mit Aroundtown beschäftige desto schlecher schneidet dieses Unternehmen bei mir ab. Ich finde es auch wichtig dass wir kontrovers darüber diskutieren und ich glaube und hoffe dass wir uns trotzdem nicht zerstreiten, bei so vielen doch unterscheidlichen Menschen welche zur Union-Familie gehören sind natürlich die Meinungen auch unterschiedlich. Nun gilt es sich der neuen Aufgabe Bundesliga zu widmen, ich kann es ehrlich gesagt nicht erwarten, habe mir für mich und einen Freund Karten für das Testspiel gegen Bondby gekauft und sauge geradezu alles ein was an Neuigkeiten vermeldet wird. In diesem Sinne: U.N.V.E.U.

  5. nojo @ernst…ziemlich selbstgerecht, wie ick finde.
    oder jehst du immer politisch korrekt inkoofen, verreisen und solidarisch mit deinem nächsten um?
    WER von uns wirft reinen gewissens den ersten stein?
    ick will diesit zitat nicht als totschlagaginstrument verstanden wissen.

    aber als damokleskeule zum denkanstoß, wie weit ein jeder von uns sich in dieses – wie ick es empfinde – grundsätzlich perverse system verstrickt bzw. auf welche weise man denn tatsächlich (sofern man das denn ähnlich empfindet, wie ick) ernstzunehmend verzicht oder gar widerstand leistet.

    da wird es kaum totalverweigerer geben (denn die dürften ihrer logik folgend gar nicht mit dem profifußball in kontakt stehen), sondern verschiedenste schattierungen von mehr oder minder sinnvoll-wirksam subversivem verhalten geben…

  6. @Ernst Apfel: Jedes Unternehmen ist erstmal per se gewinnorientiert.

  7. Ernst Apfel

    Hey mo,
    Wie ich mich privat verhalte kann ich dir bei Gelegenheit mal unter vier Augen erzählen.
    Um mich geht es aber nicht.
    Meiner Meinung nach hat das auch nichts mit Urlaub machen oder einkaufen. Es geht mir darum, das ich das Gefühl habe, das gerade jetzt mit Grundwerten im Verein gespielt wird. Wir verkaufen unsere Seele… hiesz es mal. Aber genau das tut Union gerade. Kenne 3 Leute die unabhängig von einander ihre Wohnung verloren haben. Eigentümer war jeweils Grand City Properties.
    Nur mal so, gegenüber den meisten Menschen bin ich solidarisch. Solange niemand ein Arschloch ist, helfe ich immer gerne so wie ich kann.

  8. Ist jetzt so wie es ist.
    Schlimmer geht es immer.

    Ick freu mir ufffff de neue Saison.

  9. silberhacke

    Es wird sich eben nur schwer unterscheiden lassen, wer nun dem Team und wer Aroundtown oder wer gar beiden im Verbund zujubelt. Das stellt dann schnell die gesamte Selbstverortung in Frage, wenn man davor die sauberste Fanmoral für sich in Anspruch genommen hat.
    Die Entscheidung für einen Sponsor wie besagtes Unternehmen, führt also jeden auf sich selbst zurück und kann als charakterbildende Maßnahme nur begrüßt werden.

    Sport frei und Eisern

  10. die 5 marktkonform reformierten wertephasen des unioners:
    (in wehmütiger erinnerung an die boon’schen tugenden von vermeintlich „anno dunnemal“)

    1.
    so kann dit doch nich weiterjehen! (empörungsphase)

    2.
    man muss die dinge eben nun mal nehmen, wiese sind…(relativierungsphase)

    3.
    scheiß druff…wat schert mich meen blödit jeschwätz von jestan (verdrängungsphase)

    4.
    hauptsache bundeslija – isdo ejal, wer dit bezahlt (adaptionsphase)

    5.
    pfeiftse aus, die scheiß millionäre. für die brüllick mir doch nich die kehle
    ausn hals…haste den XYZ da wieder jesehn, immer dit selbe mit die pfeife,
    der trifft doch keen bierwagen!
    ick hab viellei die schnaue voll – bin schon zur halbzeit raus!
    (normalphase – ooch als normopathie-phase bekannt – siehe MAAZ).

    *
    bitte NICHT bierernst nehmen.
    ick bin doch ooch selber immer wieder im zweifel und total zerrissen!

  11. EisernerStorch

    Ernst Apfel.

    Das wären ja mal erste belegbare direkte Fakten. Aus welchem Grund mussten diese Bekannte/Leute denn aus ihrer Wohnung raus?

    Wäre spannend da mal aus erster Hand mehr zu erfahren…

  12. Phrandts

    Mal was anderes: Beim Relegationshinspiel war der vermeintliche „Experte“ Sammer ja wohl sowas von peinlich, dass ich ihn nicht vermissen werde. Wie der da ohne jegliche Vorbereitung Unions Taktik analysieren wollte, keinen einzigen Spieler kannte und sich komplett unvorbereitet über die Zeit gerettet hat…das hat schon fast wehgetan :)

  13. Jens Otto

    @ mo: ja so ist das halt, ich denke dass wir alle froh sind dass die extrem schweren Zeiten überstanden sind (ob nun die Zeiten vor fast 20 Jahren, die Zeit um den Mauerfall oder gar die schweren DDR-Zeiten) und wir halt nach dem Motto leben „alles für den Verein“, ich finde es trotzdem wichtig dass wir kontrovers diskutieren und nicht gleich alles ohne Widerspruch hinnehmen. Persönlich glaube ich dass unsere Oberen schon genau wissen welche Gratwanderung manche Entscheidungen bedeuten. das konnte man nach der Entlassung von Keller 2017 und den dann aufgetretenen oder ans Tageslicht getretenen Problemen spüren und auch bei so mancher unpopulärer Entscheidung wie Videoassistent (Geschichten die das Leben schreibt: gerade jener Videoassistent hat dafür gesorgt dass wir beim Religationsrückspiel nicht in Rückstand geraten sind…), übrigens ist die Saison 2017/18 für mich genau das Beispiel dass eben genau das was wir ja so oft verloren glauben noch funktioniert: zum Ende der Saison haben wir alle trotz unetrschiedlicher Meinung, trotz unterschiedlicher Herkunft, ob Alt-Unioner oder Neuzugang, ob „wahrer Unioner“ oder sog. „Eventi“ zusammen gestanden und mit der Mannschaft gekämpft, genauso wie jetzt unter anderen Vorzeichen zum Ende dieser Saison. Eben auch deshalb mache ich mir dann weniger Sorgen, dass wir kämpfen müssen ist wohl jedem klar genauso wie wir zusammenhalten müssen.

  14. Das mit dem ausgerufenem Klassenkampf 8 Wochen vor dem Saisonauftakt empfinde ich auch nach mehrmaligem Lesen als befremdlich, unangebracht und übergriffig. Auch die überregionale „Welt“ beschäftigt sich schon mit dem Thema. Für mich passt das nicht mit unseren Union Werten zusammen. Ich versuche es mal mit einer Betrachtung von oben. Das mit dem Derby zum Jahrestag des Mauerfalls war natürlich unglücklich von der Tante Bertha Marketing, nicht zum ersten und auch nicht zum letzten mal, dass die auch bei den eigenen Fans unbeliebte Abteilung über ihren Unfug ins Rutschen kommt. Eine Lösung wäre, das ganze moderat weglächeln und damit Pluspunkte machen. Eine andere gleich den Klassenkampf auszurufen und Abgrenzung ins Spiel bringen. Sorry lieber Dirk Zingler, das klingt für mich wie Wachregiment. Mit dieser Art „Heckenschützenmentalität fülle ich vllt. das Sommerloch … Für mich leider völlig über das Ziel hinausgeschossen. Zum neuen Sponsor nur soviel. Dass es Seife wegen des grosskapitalistischen Hauptsponsors gibt, ahnte man ja. Nur, die heile Welt der Vergangenheit gibt es auch nicht mehr. Der Aufstieg war wegen der Schulden bei Michael Kölmel und dieser Heuschrecke im eigenen Pelz dringend notwendig. Diese Summen könnte man mit den zusätzlichen 15 Mio an Fernsehgeldern tilgen, aber das Tagesgeschäft muss auch gedeckt sein. Ich komme zum Abschluss: Ujah kommt auch nicht wegen der guten Luft am Müggelsee nach Köpenick. Eiserne Grüsse.

  15. einerseits zu konstatieren bzw. endgültig zu akzeptieren, dass man schlicht nicht „sauber“ bleiben kann, wenn man sich in der schmutzig-schlüpfrig-nimmersatten grotte der geilen hure spitzen-profifußball mitsulen will und…

    …andererseits (ausgerechnet) der bräsigen, alten tante aus klamottenburg unmotiviert den klassenkampf zu erklären, mag vielleicht als beleg der zerrissenheit gelten, welche nicht nur in unseren fanbrüsten wütet, sondern auch den zinglers, el_dis, und leschings – mehr oder weniger – an den herzen nagt.

  16. @ mo zu: die 5 marktkonform reformierten wertephasen des unioners: Gute Ableitung und sehr humorvoll. Mir hat’s gefallen.

  17. dankeschön! freut mich, dich erheitert zu haben. :-)

    dass wir uns alle hin- und herjerissen fühlen zum thema union im hochkapitalisierten profifußball, uns den kopp zerbrechen um unseren lieblingsverein und sein auskommen und ansehen, seine werte, ziele und grenzen, hat ja ooch seine berechtjung.
    man muss aber bei all dem aber ooch immer wieder mal daran denken, dassit dabei nich um leben und tot jeht.

    von mir jeht ein FETTER dank an dit janze TXTLVRGN-team hier!
    mir jefällt, wat ihr macht – gerade ooch dann, wenn ick anderer meinung bin – und ick freue mich, euch (wieder-)entdeckt zu haben.

    lets rock union together!

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