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Blendendes Derby

Nimmt man die Zeit, in der die Brötchen im Mediencontainer bei Union verschwinden, als Indikator, dann ist das Spiel gegen Hertha BSC in eine solche Kategorie einzuordnen wie vielleicht letztmalig das Halbfinale gegen Borussia Mönchengladbach. Das letzte Brötchen wurde knapp 75 Minuten vor dem Anpfiff verspiesen. Knapp 60 Minuten vor Spielbeginn versuchten noch einige Leute von Sky den letzten Kaffee aus der Kanne zu kippen. Erfolglos, wie die Kaffeelache darunter verriet.

Ansonsten war das nicht der Tag, an dem Objektivität zu den Kernbereichen der Sportberichterstattung gehörte. Ein Mitarbeiter vom Deutschlandfunk hatte sich zum Beispiel seinen Herthaschal um die Tasche gebunden. Wir trugen die Derby-Shirts. Und als Santi Kolk nicht angegriffen durch das Mittelfeld der Hertha spazierte und dann zum 1:1 traf, jubelte auch ein Teil der Presse. Der andere Teil hatte bereits in der zweiten Minute die Arme heben können, als ein langer Freistoß von Rukavytsya die Abwehr von Union in tiefe Verwirrung stürzte. Torgüter Glinker macht zwei Schritte nach vorn und zwei zurück. An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit vielleicht der Beginn einer vielversprechenden Diskokarriere. Beim Fußball steht das allerdings sinnbildlich für Unentschlossenheit. Madouni, so sieht es aus, verliert Niemeyer aus den Augen. Und nach dem 0:1 brüllt Brunnemann den eigenen Torhüter an. Danach das große Zittern. Nicht auf den Rängen, sondern auf dem Rasen.

Nach dem Spiel darf sich Union bei Hertha bedanken. Diese präsentierte sich trotz Führung wie ein Aufbaugegner zur rechten Zeit. Sie überließ der Heimmannschaft das Spielfeld und so konnte diese Stück für Stück Ballsicherheit gewinnen. War vorher bereits ein Sicherheitspass über fünf Meter ein Problem, so gelangen vor allem über die mit Parensen endlich wieder komplette linke Seite Kombinationen, in die sich auch Mosquera einbringen konnte. So etwas war in den ersten vier Pflichtspielen dieses Jahr nicht zu sehen gewesen.

Festmachen kann man diese Spielentwicklung an Spielern wie Christoph Menz und Dominic Peitz. Menz war in der ersten halben Stunde die Nervosität in Person. Er musste von Madouni über die Mittellinie geschubst werden, um sich in das Offensivspiel einzureihen, und sich anschreien lassen. Und Peitz führte Zweikämpfe, denen man zwar das Bemühen nicht absprechen konnte, über denen aber die ganze Zeit der Präfix „un“ zu schweben schien: Unglücklich. Ungeschickt. Als Rauw verletzt das Spielfeld verließ, zeigte Uwe Neuhaus Peitz mit symbolischem Klatschen auf die Wangen an: Aufwachen! Für den Rest des Spieles konnte mit Peitz die Kopfballhoheit im defensiven Mittelfeld gewonnen werden. Ein Mittel, um die langen Bälle auf Friend zu verhindern. Und Christoph Menz hätte seine zum Schluss gute Leistung noch mit einem Tor krönen können. Aber vielleicht hat er sich nach dem Spiel einfach bei Ramos bedankt, das dieser ihn defensiv nicht beschäftigt hat.

Trotzdem darf nichts darüber hinwegtäuschen, dass Union nicht drei Punkte aus dem Spiel mitgenommen hat und nach vier Spielen in der zweiten Liga immer noch sieglos dasteht. Das am Anfang kämpferische und zum Schluss auch spielerische Engagement muss sich in den nächsten beiden Spielen bestätigen. Das brachte auch Karim Benyamina zum Ausdruck, als er auf die Frage eines Reporters, wie die Spieler das Derbyergebnis feiern würden, ironisch antwortete: „Wir werden heute Abend richtig saufen und dann das Spiel gegen Osnabrück abschenken!“

Bilder: Stefanie Lamm

23 Kommentare zu “Blendendes Derby

  1. Hehe, schöne Antwort von Karim.
    Bin mir beim Gegentor sehr unsicher, wer sich um Niemeyer hätte kümmern müssen und ob Neuhaus bei Standards Raum- oder Manndeckung anordnet, aber es schien mir beim ersten Ansehen so, als hätte Madouni Rob Friend gedeckt. Müsste man die Absprachen kennen.

  2. Schöne Bildergalerie. Die fängt viel von der Stimmung ein.
    Zum Thema journalistische Objektivität, von der wir alle wissen, dass es sie nicht gibt: Ich fand es sehr angenehm an der Alten Försterei, wie die Union-Berichterstatter und die Hertha-Reporter der gegenseitigen Unterstützung bedurften: „Äh, wie wird der Rukadingenskirchen geschrieben?“ oder meine achtmalige Nachfrage: „Benyamina nicht mit j?“
    Da haben wir uns alle als Halbblinde geoutet, in einem Spiel, in dem es definitiv zu wenig war, über „seine“ Mannschaft Bescheid zu wissen.
    Es war schön zu sehen, dass immer jemand da war, der geholfen hat.

  3. @keanofcu Ich konnte da keine Zuordnung ausmachen. Madouni stand allerdings am nächsten.

    @ubremer Mir hat das gestern auch sehr gut gefallen. Trotz der Enge und eines labilen W-LANs waren die Printkollegen untereinander kollegial. Das hat mich, ehrlich gesagt, beeindruckt. Denn die Arbeitsbedingungen waren gemessen am Druck, noch Texte in die Ausgabe zu bringen, und der Vielzahl an Journalisten bescheiden.

  4. Hm, das liest sich mir alles nicht positiv genug. Natürlich, am Ende zählen die Punkte, und da ist einer zu wenig, keine Frage. Aber ich fand zum Beispiel, dass sich die Mannschaft erstaunlich schnell gefangen hat nach dem Gegentor, dass auch ein früher Genickbruch hätte sein können. Richtig, Peitz brauchte ein bißchen um die nötige Präzision zu bekommen und Brunnemann hat eigentlich die komplette erste Halbzeit jeden Zweikampf verloren – aber insgesamt funktionierte das Zusammenspiel sehr schnell sehr gut. Insgesamt eines der besten Spiele Unions, dass ich im sagenwirmal letzten Jahr gesehen habe.

  5. @ubremer das freut die fotografin, dankeschön!

  6. marathoningo

    Hey, schön zu lesen, wie immer !
    Ja…, und auch gut anzugucken,;-) !
    Nun glaubt mir meine Frau auch dass ich dabei war, :-O !!!!!
    UNVEU!!!!!11

  7. @Sebastian Hab’s mir gerade noch mal auf AF-TV angesehen, die haben so ab 0:12:05 eine Wiederholung mit Blickrichtung auf’s Zuckertor, bei der ich (anders als der Liga-total-Mensch) zu erkennen glaube, dass Madouni tatsächlich mit Friend mitgeht, Peitz aber Niemeyer laufen lässt. Ich mag mich aber auch irren.

  8. @mars Sehe das genauso. Auch im Unionforum sind mir viel zu viele negative Äußerungen aufgefallen.

    Kritisch sein, ist generell ok. Wo sich bei mir aber der Hutfaden löst ist, wenn das noch am selben Abend bzw. einen Tag später schon passiert. Da bekomm ich den Eindruck, dass man nicht dasselbe Spiel „erlebt“ hat… Ich habs erlebt! in der Fankurve.

    Sei’s drum. Es ist wie es ist. Und alles wird gut.
    Werd da schon sehn!

  9. PS: Wirklich schöne Fotos! Am besten gefällt mir Tusche im Vordergrund.

  10. @Sohle erstens: danke! zweitens: ich gebe die kommentare hier frei für spontane begeisterungsbekundungen! wir haben uns schon ne menge mecker dafür eingefangen, dass es hier nach DEM spiel so ruhig zugeht – korrigiert ihr das über die kommentare, dann stimmt der gesamteindruck wieder! außerdem wollen wir eigentlich noch podcasten.

    ich weiß ja nicht, wie es euch allen so ging – aber wir waren freitag abend nach dem spiel erschöpft. komplett alle, piff und paff. kann ich gar nicht anders beschreiben. es war toll, es war ein berauschender, aber die woche vor dem derby war unfassbar anstrengend, weil es einfach kein anderes thema mehr gab. das stört uns normaler weise im blog wenig, da darf auch mal abseitiges thematisiert werden, und mit der tagespresse braucht man im normalfall ohnehin nicht in konkurrenz treten. aber vorige woche gings nicht. da mag niemand was anderes lesen, wir selber waren ja genauso hibbelig. und hinterher: luft raus. erleichtert. bißchen wie silvester 2000. ach kieke mal: die welt ist ja doch noch da … puh!

  11. Na auf den Podcast freuen sich sicher alle Textilvergehenleser und -hörer schon. Den müsste ihr einfach machen :)

  12. original von Steffi „“wir haben uns schon ne menge mecker dafür eingefangen, dass es hier nach DEM spiel so ruhig zugeht – korrigiert ihr das über die kommentare,““

    Ich habe mich zurückgehalten wegen zweifacher Befangenheit. Zum Einen wollte ich das Genießen angesichts des schönen Abends nicht anpissen und zum Andern ist es mein Respekt vor dieser Zeitung hier, der meine Lust auf schwere Einschläge dämpft. Wenn ich mich nicht freiwillig ausbremse, kann sich das finster anhören. Stammgäste am Tresen wissen, wovon ich rede.

    Also was ich hier niemals in dieser seriösen Öffentlichkeit schreiben würde, am Tresen aber jedem erkläre, ob er es wissen will, oder nicht, ist, daß ich so heftig am Trainerstuhl säge, daß die Späne fliegen. Ob meine Gründe was taugen, spielt keine Rolle, ich werde einfach wahnsinnig, wenn Neuhaus mit Mosquera eine Stürmerstelle streicht, die Kolk oder Safran jederzeit besetzen könnten; ich krieg Anfälle, wenn Kolk dann doch kommt, und unser Siebenundachzigster Kapitän zum dritten Mal in Folge rausgenommen wird. Hauptsache Killer Mosquera spinnt bis zum bitteren Ende durch.

    Mosquera hat alle Vorraussetzungen der Welt, ein Fußballer zu sein, das bestätige ich jederzeit, aber ein Stürmer hat Vorrausetzungen, die Mosquera nicht hat. Ich bin leider weit und breit der(fast) Einzige, der das einsieht und der behauptet, daß das Mosqueraexperiment das Teuerste ist, das sich Union bis jetzt geleistet hat. Die Vertragsklauseln kenn ich nicht, aber gekostet hat die Leihgabe viele Punkte, 250 000 Euro im Pokal, Nerven auf den Rängen und sicher auch in der Mannschaft. Das der Junge Bremer mir leid tut, tut nichts zur Sache, aber ich will nicht mit ihm im Sturm absteigen. Das er wieder mal gut war, will ich nicht mehr hören, nicht nur, weil Stürmer zum Treffen da sind, sondern auch, weil es sowieso nicht stimmt.
    Stürmer haben die Ruhe am Ball, Stürmer riechen, wo der Ball hinkommt, Stürmer nutzen den Moment. Alles Qualitäten, die Kolk hat, die ich Safran zutraue, die ich bei Biran gesehen habe und die Glinker noch vor Mosquera hat. Ich werde wahnsinnig wie Mosquera selbst, wenn er mal frei zum Schuß kommt. Meine Ruhe vor dem Sturm ist dahin.

    Das Derby lief allerdings prächtig. Hertha war so schwach wie unsere Mannschaft gut war und weshalb wir nicht gewonnen haben mit Kolk und Safran auf der Bank, Mosquera im Sturm und einer prächtigen Kulisse, daß verstehe ich auch nicht.

  13. @Milan
    Hui, sehr starke Kritik am Spieler.
    Aber ich kann es nachvollziehen, bin jede Saison aufs Neue davon überzeugt, daß Piotr Trochowski nun endlich sein bestimmt vorhandenes Potential ausnutzt… Und werde enttäuscht.

  14. @nedfuller – du solltest mal die Tage im 5 Ziegen vorbei kommen und dich an den Tresen lehnen, ein Bier bestellen und nebenbei den Satz fallen lassen: „Ich habe den Mosquera beim letzten Spiel gar nicht so schlecht gesehen.“ … Es könnte sein das der Orkan dich direkt zur Kneipentür hinausfegt, so du nicht einige Standfestigkeit mitbringst.

    Zum Spiel und vor allem der Stimmung. He was ging ab, wir haben die Hertha platt gemacht und zwar stimmungstechnisch.
    Das ging schon los, als der Gästeblock die Regierungshoheit an der alten Försterei beantragte und das halbe Stadion statt zu pfeifen in Gelächter ausbrach. Die Spontanchoreo von der Gegengrade beim Warmlaufen der Herthaspieler war ja nun mal ohne gleichen, lang, lang ist es her, dass solcherlei Dinge stattfanden.

    Nach dem 0:1 mussten wir alle wohl mal eine Runde schlucken, da durfte dann auch der Gästeblock mal lauter sein. Aber so wie unsere Jungs auf dem Platz haben wir uns gefangen und das getan, was wir am besten können unsere Jungs nach vorne schreien und singen.

    Inhaltlich war nur von Hertha was neues zu hören, da hat sich die Kraetivabteilung von Hertha wochenlang den Kopf zerbrochen und „Scheiß Union“ ist bei raugekommen. Unbelievable.
    Mein Steppke der über dem Zaun hing reagierte auf die dritte Wiederholung dieses Klassikers mit einem gebrülltem „Schnauze – SETZEN!“ Was mir vor Stolz die Tränen in die Augen trieb.

    Höhepunkt war allemal die inszenierte Selbstverbrennung – warum diese nicht schon veranstaltet wurde als noch die Blockfahnen oben waren, liegt wohl eher an dem ungewönlich hohen IQ. Den auch ein Unioner bewies, der da noch einen Böller obendrauf setzen musste.

    Als Santi uns mit dem Ausgleich erlöste, hat sich dann die Dachkonstruktion als stabile Sache bewiesen.

    Die Feier im Anschluß des Spieles war eine schöne und stimmungsvolle, bei der man nach den ersten vergeigten Spielen endlich mal wieder ohne Trotz in der Stimme „wir sind Stolz auf ihn“ singen konnte.

    Weitermachen.
    Nu Sajaz pagadi!

  15. @Milan Meiner Meinung nach ist Neuhaus der beste Trainer seit langem bei uns. Ich kann die viele Kritik zu Mosquera nachvollziehen, finde sie aber zum Teil ungerecht. Z.B. war Mosquera gegen Hertha auf dem Flügel unterwegs und Benyamina der einzige Sturm. Wie fällt deine Kritik zum ihm denn aus?

  16. @NuSajaz
    5 Ziegen? Hört sich nach einer netten Kneipe an. Wenn ich mal in Berlin sein sollte, werde ich da mal reinschneien und das mal so in den Raum werfen. Wobei, hoffen wir mal, daß bis dahin ein Tor von ihm geschossen wurde…

  17. Ich mag mich täuschen, aber wurde der Fäkalien-Gesang nicht zu einer neuen Melodie (17 Jahr, blondes Haar) angestimmt? Was ihn inhaltlich nicht wirklich besser macht.

    Die Choreos am Anfagn waren klassen, auch wenn sich die waldseitge recht schwer erschloss, weil die Aufmerksamkeit sehr lange darauf verweilen musste. Denn ein tolles Stück Arbeit, gelebte Fankultur.

    Ein paar pfiffige Schmähungen hätte man dann schon ganz gerne vernommen. Andererseits haben wir uns mit unserem leidvollen Klassiker „Nur zu Hertha ….“ auch nicht gerade für das Kollektiv „Junge Kreative“ empfohlen.

  18. […] “Für Hertha!” Der Unioner winkte nur noch ab. Weitere Zweitmeinungen gibt es hier, hier und […]

  19. BimmelBammel

    also ob die hertha gesänge neu sind oder nicht ist mir schnurz

    aber die scheinen einfach nur vorhandenes liedgut abgewandelt zu haben…irgendwie ging das mal schalala schalala hertha bsc oder so ähnlich

    und als ich letztes wochenend eim oly war und ungläubig fragte was die denn da singen wurde mir auch erstmal von nem herthaner erklärt „schalala schalala hertha bsc“ bis er genauer hinhörte leicht errötete und sich dann entschuldigte

  20. @nedfuller 5Ziegen ist ne nette Kneipe, nur der Wirt ist gefährlich.

    Herthas Blockfahnen sahen aus, wie vom Senat gesponsort und die ewigen Scheiß-union Gesänge sind einfach nur schlechter Stil, wohlgemerkt von ausgelosten Live-dabei-seiern und nicht einfach nur vom Kindergarten.
    Wenn ich die sehe und höre denke ich unfreiwillig immer an Grebes Brandenburg, einfach nur Stulle und ganz anders , als die Herthaner, die ich kenne.

    @Sohle das mit dem besten Trainer seid langem, ist auch so ein Satz, den du mal bei mir am Tresen probieren solltest.

  21. Ach so @ Sohle, du fragtest nach meiner Ansicht zu Beyamina. Da bin ich vorsichtiger, geradezu zurückhaltend. Auf jeden Fall aber halte ich ihn für einen Stürmer, er ist torgefährlich. Das ist dünne, ich weiß, aber hier fällt mir eine Kritik schwer.

  22. @nedfuller quatsch, der wirt ist nicht gefährlich! nur bärtig isser, ohne brumm, und nicht gut auf mosquera zu sprechen. unbedingt also solltest du dort einkehren!

    @milan my blog is your tresen ;)

  23. hab mich rasiert @Steffi und bin nicht gut auf Neuhaus zu sprechen.

    My Blog is your Tresen- danke Steffi, your blog is my Stammpub.

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