Blog State of the Union

Union sorgt für fast zu viele Gefühle an einem ersten Spieltag

Im Fußball ist immer von der Momentaufnahme die Rede. Auch Urs Fischer ist bekannt dafür, dass er den Moment nicht überbewerten möchte. Für den Trainer der Männer des 1. FC Union Berlin macht ein Sieg noch keine erfolgreiche Saison. Das ist die sportliche Momentaufnahme nach dem 4:1 des 1. FC Union Berlin am ersten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison. Doch es gab am Sonntag so viele Momente, dass ich mir wünsche, die Aufnahme davon so lange wie möglich im Gedächtnis und auch im Herzen zu tragen.

Es reicht der Platz nicht, alles zu beschreiben: die Aufregung auf dem Weg zum Stadion, Wumme, der im Prinzip das Best-of-der Union-Lieder vor der Hymne spielt, die aufwendige Choreo mit einer so klaren und einfachen Botschaft. Wir sind komplett angezündet. Dann Kevin Behrens von der ersten Minute an, der sich keinen Kopf zu machen scheint, wer da alles neben ihm verpflichtet wurde. Die vielen neuen Spieler, die gute Eindrücke hinterlassen. Die Worte in der Halbzeitpause zu Matti. Die gehaltenen Elfmeter danach. Und am Ende fast mehr Kinder auf dem Platz als Spieler. Der Sieg der Frauen über Hertha. Und die Würdigung von Sebastian Bönig für seine 500 Spiele als Co-Trainer bei Union.

Das einzig Richtige an diesem Tag machte Kevin Behrens: Die Emotionen einfach rausrennen, Foto: Matthias Koch

Es war fast zu viel. Ich wollte gleichzeitig die Fäuste ballen wie Christopher Trimmel auf der Ehrenrunde, alle Leute umarmen, weinen und alleine sein mit meinen Gedanken. Sollte euch mal jemand fragen, warum ihr zu Union geht und was der Fußball euch bedeutet, dann erinnert euch an diesen ersten Spieltag der Saison 2023/24. Das war alles.

Und manchmal geht das auch dichtgedrängt in wenigen Sekunden. Wie kurz vor Schluss. Frederik Rönnow hält den zweiten Elfmeter. Das Stadion ruft, nein es schreit: „Rönnow! Rönnow! Rönnow!“ In dieses Schreien hinein wird Hattrick-Schütze Kevin Behrens ausgewechselt und ich habe kurz das Gefühl, dass er um seinen Applaus gebracht werden könnte, doch da wechselt das Stadion fast ansatzlos von „Rönnow“ zu “ Behrens Fußballgott!“ Eingewechselt wird Kevin Volland. Union-Debüt. Auch eingewechselt wird Aljoscha Kemlein. Bundesliga-Debüt. Eines Nachwuchsspielers von Union. Alles in nicht einmal 60 Sekunden.

Elfmeter nicht nur zweimal parieren, sondern dabei auch noch den Ball festhalten. Da kann man schon einmal lächeln, Foto: Matthias Koch

Vielleicht ein paar Worte zum Spiel, obwohl ich finde, dass Till Oppermann für den RBB sicher die beste Analyse geschrieben hat. Wir haben erlebt, welche Qualität die Mannschaft im Ballbesitzspiel hinzugewonnen hat und vor allem vor den ersten zwei Toren von Kevin Behrens, wie Union Flanken vorbereitet. Direktes Spiel, hinterlaufen des eigenen Spielers auf außen, dadurch das Herausziehen eines Innenverteidigers und dann mehrere Spieler im Strafraum, die die Hereingabe zu verwerten versuchen. Das sah wirklich gut aus.

Interessanterweise klappte an diesem Tag das Spiel mit dem Ball deutlich besser als ohne. Denn gegen den Ball hatte Union teilweise eine Passivität, die ich nicht kannte, was vielleicht daran lag, dass für Alex Kral die Fußstapfen von Rani Khedira an diesem Tag zu groß waren. Das bedeutet nicht, dass Kral ein schlechtes Spiel gemacht hat, sondern zeigt nur, welchen Wert Khedira als Schrittmacher für die Mannschaft hat. Gerade in der zweiten Halbzeit waren die Ballverluste im Zentrum etwas viel und sorgten dafür, dass Unions Innenverteidigung aus meiner Sicht mehr sprinten musste, als wir das vielleicht gewohnt sind.

Und hier kommen die Spielmomente zum Tragen, die Urs Fischer in der Pressekonferenz nach dem Spiel (AFTV) ansprach. Denn als das Spiel hätte vielleicht kippen können, neigte es sich immer wieder auf die Unionseite. Gehaltener Elfmeter, doch Anschlusstreffer. Sheraldo Beckers Einwechslung und kurz danach dessen Vorarbeit für Kevin Behrens drittes Tor. Dann noch ein gehaltener Elfmeter und am Ende alles klar gemacht mit dem Konter zum 4:1.

Intensität auch auf der Bank: Robin Gosens, Foto: Matthias Koch

Rönnow und Behrens ragten mit ihren Aktionen in diesem Spiel sicher heraus. Doch ich mochte die giftigen Zweikämpfe von Alex Kral. Auch wenn ich mir wünschte, ich hätte seine Haarpracht, denn bei einigen Ballverlusten hatte ich nicht genug auf dem Kopf, was ich mir hätte raufen können. Ich war fasziniert davon, wie eng David Fofana den Ball am Fuß hält. Egal, ob er aus 30 Metern Entfernung bei ihm landet oder zwei Gegenspieler ihn bedrängen. Was die Effizienz seiner Aktionen betrifft, wird er bei Union zulegen. Da bin ich mir sicher. Aber wusstet ihr, dass er solche Freistöße wie den Lattenrkacher in der 30. Minute schießen kann?

Brenden Aaronson erste Aktion leitete die Flanke von Jerome Roussillon zum 1:0 ein. Im Übergangsspiel ins Angriffsdrittel bringt er Tempo und Spielwitz mit. Mit mehr Körperlichkeit und Präsenz hätte er Alex Kral vielleicht mehr unterstützen können. Über die Präsenz von Robin Gosens muss ich wahrscheinlich nichts schreiben. Ich war von seinen Bewegungen beeindruckt. Wie er mit den Händen hinter dem Rücken Flanken besser verteidigt hat als manch Außenverteidiger mit normaler Armhaltung … Ich glaube wirklich, dass er ein Spieler ist, der andere besser machen kann. Und Kevin Volland kommt für wenige Minuten rein und legt den Ball für Pantovics 4:1 auf. Kann man mehr verlangen?

Die Bild hat sich die neuen Spieler ebenfalls genauer angeschaut.

Das potenzial der Bundesligaclubs nach GoalImpact-Datenanalyse vor dem 1. Spieltag, Bild via GoalImpact
Das potenzial der Bundesligaclubs nach GoalImpact-Datenanalyse vor dem 1. Spieltag, Bild via GoalImpact

Diese Mannschaft hat riesigen Spaß gemacht und gleichzeitig haben wir gesehen, dass sie bei weitem nicht am Leistungsoptimum war. Teilweise war Union zu passiv, das Zentrum war nicht immer so dicht, wie wir es gewohnt sind. Wenn das Spiel mit dem Ball forciert wurde, lief es. Aber teilweise waren die Bälle unpräzise oder riskant in Zonen gespielt, in denen Ballverluste sehr weh tun können. Oder um es mit Urs Fischer zur Entwicklung des Ballbesitzspiels der Mannschaft zu sagen: „Es war ein Schritt, nicht mehr, nicht weniger.“

Das sind die Spielberichte der Berliner Medien:

Den Podcast zum Spiel haben Taktik&Suff wie immer schon online. Die Episode heißt: Wir werden ewig leben. Homeoffice sei Dank kann ich sie mir gleich anhören.

Wir nehmen unseren Podcast heute Abend um 19 Uhr auf. Ihr könnt live zuhören und euch im Channel #podcast-live in unserem Chat mit anderen unterhalten, wenn ihr wollt.

Weiß, wie er den Köpenicker Stau umfahren kann: Kevin Behrens, Screenshot: Twitter
Weiß, wie er den Köpenicker Stau umfahren kann: Kevin Behrens, Screenshot: Twitter

In der Montagsausgabe zeichnet der Kicker auf einer Doppelseite den Weg von Robin Gosens zu Union nach. Darin wird deutlich, dass Union am Ende vor allem drangeblieben ist und dass wohl ein anderer Transferwunsch der Italiener (Marko Arnautovic) dafür gesorgt hatte, dass er doch gewechselt ist.

Man of the Match: Kevin Behrens oder Frederik Rönnow?

Ich habe mich am Sonntag etwas gefragt, wen ich denn wählen würde, wenn ich einen Man of the Match bestimmen müsste: Kevin Behrens wegen seiner drei Tore oder Frederik Rönnow wegen der zwei gehaltenen Elfmeter? Ich weiß es bis jetzt nicht. Aber der Kicker hat sich für das Spektakel entschieden und Behrens ausgewählt. Der Angreifer ist auch Spieler des Spieltages geworden. Rönnow hat es immerhin in die Elf des Tages beim Fachmagazin geschafft. Aber zu einer 1 als Bewertung hat es für den Torhüter (1,5) im Gegensatz zu Behrens nicht gereicht. Wahrscheinlich hätte er dafür drei Elfmeter halten müssen …

Union mit der Definition einer Non-Mention, Screenshot: Twitter
Union mit der Definition einer Non-Mention, Screenshot: Twitter

Unions Frauen holen sich die erste Stadtmeisterschaft

Als Christian Arbeit gestern nach dem Spiel der Männer das Ergebnis vom ersten Spieltag der Frauen in der Regionalliga verkündete, gab es riesigen Jubel. 6:1 gegen Hertha BSC. Ich hatte schon „Stadtmeister, Stadtmeister …“ auf den Lippen, als mir einfiel, dass das in der Regionalliga gar nicht so einfach ist. Türkiyemspor, Viktoria und Berolina Mitte sind schließlich auch noch in der Liga. Muss Union erst gegen jedes Team gespielt haben und dann in einer gedachten Berlin-Tabelle oben stehen, bevor ich das singen kann?

Der Moment war dann schon irgendwie verflogen, als ich für mich festgelegt hatte, dass jeder Sieg über Hertha mit „Stadtmeister“ besungen werden kann. Dasselbe gilt dann auch für jeden Sieg über die anderen drei Berliner Teams. Merken wir uns für das nächste Mal.

1500 Zuschauer für das Auftaktmatch bei Hertha finde ich übrigens sehr gut und hoffe, dass wir so eine Zahl auch bei Union bald dauerhaft etablieren können. Meine (sicher zu einfache) Rechnung wäre: Je mehr Zuschauer zu den Spielen der Frauen kommen, desto wahrscheinlicher muss Union Spiele im Stadion an der Alten Försterei ermöglichen. Und was kann es Schöneres geben als noch mehr Spiele in unserem Stadion?

Den Spielbericht zum 6:1, das mit einem 0:1-Rückstand begann, findet ihr auf der Vereinswebsite und einen weiteren Bericht bei Bild. Den Ausfall von Kapitänin Lisa Heiseler hatte das Team anscheinend gut kompensiert.

Das nächste Spiel findet am Sonntag um 14 Uhr an der Dörpfeldstraße gegen Fortuna Dresden statt.

Und sonst so?

Heute ist 8:0-Tag.

Nerds und Fußball schien lange nicht zusammenzupassen. Ich bin sehr froh, dass das vorbei ist und zum Beispiel auf dem Camp des Chaos Computer Clubs auch Unionsfans waren. Sehr schön zu erkennen an dieser hervorragenden Blinkenlights-Installation:

Blinkenlights auf dem Camp des Chaos Computer Clubs im Ziegeleipark Mildenberg, Foto: zvg
Blinkenlights auf dem Camp des Chaos Comuter Clubs im Ziegeleipark Mildenberg, Foto: Tim Pritlove

9 Kommentare zu “Union sorgt für fast zu viele Gefühle an einem ersten Spieltag

  1. Sollte euch mal jemand fragen, warum ihr zu „Union geht und was der Fußball euch bedeutet, dann erinnert euch an diesen ersten Spieltag der Saison 2023/24. Das war alles.“

    Gestern mental und körperlich am Ende auf dem Waldweg nach Hause getrottet…
    Ähnlich wie nach dem letzten Spieltag der letzten Saison…war das nicht erst letzte Woche? Unfassbar, wie die gesamte AF, wie zum Trotz den medial erkannten Rissen in der Festung, dieses Spiel, diese Mannschaft und sich selbst abgefeiert hat…DANKE! UNION!

  2. waschweiber

    drückt die daumen bei der auslosung zur cl.
    union gegen donetzk.
    ein weiteres heimspiel in hh?

  3. Sicher sind 1500 für ein Frauenderby sehr gut, aber die Hertha hatte ordentlich mobilisiert und unsere Jungs spielten zeitgleich gegen Mainz sonst wären es noch mehr geworden. Aber fürs Rückspiel liegt die Latte jetzt hoch.

    Vielleicht in die AF verlegen als Vorspiel der Herren? (blöder Wortwitz, sorry)

  4. Wer ist beim CCC? Wer ist Unioner? Wer ist an Blinkenlights beteiligt? Naaaaa?

  5. Dirty Harry

    Drei Buden und mit dem Fahrrad nach Hause: Kevin Behrens
    Da hat er Glück gehabt, zur Zeit ist das Ordnungsamt ganz verrückt nach Radlern auf der falschen Straßenseite. Fast genau an gleicher Stelle hatte ich vor Kurzem eine angenehme Diskussion mit dem Amt.

  6. Sebastian, unseren ersten Spieltag der neuen Saison sehr gut zusammen gefasst! Vielen Dank! Pures Gänsehautfeeling in der AF!
    Ich musste noch zum Nachtdienst und hatte durchgehend eine Dauergrinse, freu! Was wird noch kommen? Mehr geht doch kaum…
    Bitte bitte, Rönnow MUSS bleiben !!!
    PS :
    Aïssa ist auch mit dem Fahrrad + Kindersitz an uns vorbeigeradelt, da gibt es einige Spieler, die so aus dem Baustellen Köpi entfliehen
    U. N. V. E. U.

    • Ick weeß ja nich, wo die Jungs wohnen, aber ick wohn‘ in Köpenick und fahr immer mit’m Rad zum Spiel (und zurück). Eigentlich janz normal also. Zwinkersmiley

      Ansonsten ein schöner Text nach einem wundervollen Fußballnachmittag. Kann jerne so weiterjehn.

  7. Sollte euch mal jemand fragen, warum ihr zu Union geht und was der Fußball euch bedeutet, dann erinnert euch an diesen ersten Spieltag der Saison 2023/24. Das war alles.

    Ja.

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