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Kontinuität als Erfolgskriterium: Ist es wirklich so einfach?

Gerade was Union betrifft, können wir uns in diesem Sommer sehr entspannen. Das zeigen auch Zitate von Union-Verantwortlichen in den Medien. Da ist kaum etwas dabei, wofür wir den Cocktail zur Seite stellen und die Sonnenbrille hochschieben müssten. Trainer-Diskussion? Zum Glück nicht bei Union. Kader? Steht im Grundgerüst so, wie ein Kader in der Transferphase stehen kann.

Dieses Foto von Oliver Ruhnert aus dem Trainingslager im vergangenen Jahr symbolisiert ganz gut, in welchem Zustand Unionfans die Sommerpause verbringen, Foto: Matze Koch

Und die Themen, die uns vielleicht sehr interessieren, sind keine medialen Themen. Wie beispielsweise die Neuaufstellung der Fanbetreuung und damit auch die zukünftige Einbindung der eingetragenen Union-Fanclubs. Wie der Stadionausbau. Oder die zukünftige Aufteilung der Aufgaben zwischen Manager Oliver Ruhnert und Michael Parensen. Alles spannende Themen. Alles Themen, bei denen in diesem Sommer etwas passieren wird. Aber auch alles Themen, bei denen Union die Kommunikationshoheit besitzt. Der Verein entscheidet, wann es dazu etwas zu vermelden gibt.

Kontinuität als Erfolgskriterium

Deshalb kommt beispielsweise aus dem Artikel in der Sportbild von Mittwoch lediglich die Nachricht, dass Dirk Zingler gerne die Zusammenarbeit mit Urs Fischer und Oliver Ruhnert fortsetzen möchte (Agenturmeldung bei BZ und Kurier). Das überrascht natürlich nicht.

Aber was ich für mich aus dem Artikel mitgenommen habe ist die uralte Frage nach der Kontinuität. Die wird gerne als Zeichen von guter Arbeit gesehen. So wird Zingler in der Sportbild so zitiert:

„Wir hatten sieben Jahre Uwe Neuhaus als Trainer, jetzt gehen wir in das fünfte Jahr mit Urs Fischer. Auch Oliver Ruhnert ist das sechste Jahr da. Kontinuität auf der Führungsebene, das ist das A und O. Dann erreichst du Stabilität, hast Erfolg und erreichst das nächsthöhere Niveau.“

Union-Präsident Dirk Zingler in einer Medienrunde im vergangenen Jahr, Foto: Matze Koch

Unschärfen im Rückblick

Das klingt natürlich sehr gut und einfach. Aber wie alle einfachen Schlüsse sind hier ein paar Unschärfen dabei. So wird ignoriert, dass Union auf der Managementposition zunächst einen absoluten Sonderweg eingeschlagen hat, der so offensichtlich spätestens im Bundesligafußball der Zweiten und Ersten Liga nicht funktionierte, nämlich dass der Trainer gleichzeitig auch die Hoheit über die Kaderzusammenstellung hat. Auch die Nachfolge lief wenig erfolgreich. Ähnliches trifft auf die Trainerposition zu, wo Union im Nachhinein betrachtet mehrfach daneben langte.

Aber da konnte es keine Kontinuität geben, weil die handelnden Personen entweder den Ansprüchen nicht genügten oder den Aufgaben nicht im vollen Umfang gewachsen waren. Da ist also klar, dass gehandelt werden muss. Und das bringt mich zu einem Aspekt, der beim Thema Kontinuität gerne unter den Tisch fallen gelassen wird. Denn erst einmal muss die Qualität da sein. Qualität auf Führungspositionen kann zu Kontinuität und das zu einer entsprechenden Entwicklung führen.

Wie kamen Urs Fischer und Oliver Ruhnert zu Union?

Dass Union einen Trainer wie Urs Fischer verpflichten konnte, ist ein großes Glück für Union und lässt darauf schließen, dass gutes Trainer-Scouting in der Bundesliga weiterhin häufig darin besteht, zu schauen, wer gerade in der Liga eine Mannschaft trainiert oder vor Kurzem noch trainiert hatte. Schon alleine der Blick über die Landesgrenzen scheint schwierig zu sein. Dass Oliver Ruhnert bei Schalke gehen gelassen wurde (um es mal so auszudrücken), war auch keine Entscheidung für Union. Und bei Union war er zunächst ein Jahr Chefscout, bevor er die Kaderplanung übernahm.

Union-Trainer Urs Fischer und Union-Manager Oliver Ruhnert: How it started … Foto: Stefanie Fiebrig

Wir sehen, dass es noch einen zweiten Aspekt gibt, der für Erfolg entscheidend sein kann und der dann zu Kontinuität führt. Das sind die Rahmenbedingungen. Es kann selbstverständlich Rahmenbedingungen geben, unter denen Union als Zweitligist keine Chance gehabt hätte, Urs Fischer oder Oliver Ruhnert zu verpflichten. Es kann Rahmenbedingungen geben (Corona und alle Auswirkungen davon), die dazu führen, dass es Union ungleich schwerer gehabt hätte, sich als Aufsteiger an die Bundesligabedingungen leistungsmäßig anzupassen.

Was ich eigentlich sagen möchte: Es ist vollkommen klar, dass jemand wie Union-Präsident Dirk Zingler die Kontinuität so hervorhebt. Denn erstens fällt das Thema in seinen Verantwortungsbereich. Und zweitens sehen wir in der Liga auf den Positionen eine gewisse Fluktuation, so dass alleine dieser Umstand der Kontinuität eine Art Gegenbeispiel darstellt.

… how it’s going. Foto: Matze Koch

Aber bei aller Liebe zu dieser Postrationalisierung von Zingler (also im Nachhinein Dinge als logisch und zwangsläufig darzustellen), Kontinuität ist erst einmal ein Symptom. Es ist eine Zustandsbeschreibung. Sie kann auf Führungspositionen zu Erfolgen führen, wenn die Qualität stimmt, die Rahmenbedingungen stimmen, die Ziele ambitioniert, aber realistisch sind und im Sport natürlich auch, wenn die Ergebnisse stimmen. Wer weiß, wo das Ganze hingeführt hätte, wenn Nico Gonzalez im Relegationsrückspiel nicht durch das Abseits spaziert wäre?

Um allerdings bei dem oben genannten Bild zu bleiben: Ich genieße die aktuelle Situation, halte weiter meinen Cocktail in der Hand und habe die Sonnenbrille vor den Augen. Dirk Zingler weiß es viel besser als ich: Führungskräfte zu bekommen ist schon sehr schwer. Sie aber zu halten noch viel schwerer. Denn die Entscheidung darüber treffen Führungskräfte selbst.

Und sonst so?

Die Bild überlegt, dass die kommende Saison für drei Unionspieler karriere-entscheidend ist: Frederik Rönnow, Julian Ryerson und Levin Öztunali. Zumindest was die Karriere-Richtung betrifft, würde ich da absolut mitgehen.

Der Kicker schreibt in seiner Donnerstags-Ausgabe, dass Lennart Moser aktuell als dritter Torhüter eingeplant sei, das aber nicht den Ansprüchen des Keepers genügen würde. Das ist erst einmal so. Und der Rest ist dann die Frage von Optionen. Welche Optionen hat Moser, woanders zu spielen und welche Optionen hat Union, die Torwartriege zu komplettieren? Zu der gehört weiterhin auch Yannic Stein von der U19 als Local Player.

Eher unter die Kategorie Immerunioner fällt, dass Roberto Punce gerade den Kinderwagen durch Berlin schiebt.

Und wer heute noch einen Grund zum Feiern sucht, dem kann ich weiterhelfen: Heute vor 54 Jahren gewann Union den Pokal gegen Jena.

10 Kommentare zu “Kontinuität als Erfolgskriterium: Ist es wirklich so einfach?

  1. Ostseeunioner

    @fußballhistoriker: Vielen Dank für die Verlinkung des FUWO-Beitrages vom 9.6.1968! Endlich konnte ich den Bericht über unseren ersten Titel lesen! Dieses Datum stellt zugleich den Beginn meiner nie endenden Liebe zum 1.FC Union Berlin dar: als kleener Piepel die Liveübertragung im Radio gehört und unsterblich verliebt! ;-). Die Namen und Gesichter dieser Mannschaft sind mir noch derart vertraut, mehr als manche Spieler der 80er und 90er Jahre…..

  2. Wuhleblut

    @ostseeunioner. Wohnst du an der Ostsee? Zufällig im Raum Rostock?

  3. PyrofürAlle

    Gegen das Vergessen.

    Der DFB hat den 1. FC Union mit einer Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro belegt.

    Vor Anpfiff des Bundesligaspiels beim SC Freiburg am 07.05.2022 brannten mindestens fünf pyrotechnische Gegenstände mit Rauchentwicklung ab.

  4. Philipp

    Passend zum Thema Sportdirektor fand ich die Aussage von Chinedu Ede in der Berlin Underground Serie spannend, als es um seinen möglichen Verbleib oder Weggang ging. Hier war Dirk Zingler alleiniger Entscheider und die Rolle von Uwe Neuhaus wurde untergraben. Dies sollte sich durch die neue Struktur mit Oli Ruhnert und co. vielleicht etwas geändert haben. Zumindest offiziell wird die Entscheidung über Verbleib oder Weggang im 4-köpfigen Gremium entschieden. Dies zeigt meiner Meinung nach auch eine Entwicklung. Das Machtwort von Dirk wird dadurch nicht zwingend kleiner aber ein Austausch wird schon stattfinden. Ist zumindest meine Interpretation

    • Maria Draghi

      DZ ist gut darin, die Geschichte so zu erzählen, dass er dabei gut aussieht. Beim Exilertreffen in Aalen, der Abschied von UN stand schon fest, wurde noch die Frage diskutiert, ob Union einen Sportdirektor bräuchte. Öffentlich vertrat DZ damals noch die Meinung „nein“ und hat dies auf dem Treffen auch mit markigen Worten verteidigt, bzw. alle anderen Meinungen vom Tisch gewischt. Seien wir froh, dass er irgendwann die Argumente dafür doch zur Kenntnis genommen und seine Meinung geändert hat, sonst wäre OR nie bei uns gelandet…

  5. Maria Draghi

    „Aber auch alles Themen, bei denen Union die Kommunikationshoheit besitzt. Der Verein entscheidet, wann es dazu etwas zu vermelden gibt.“

    Ich denke nicht, dass diese Einschätzung stimmt – für mich klingt das nach Alibi, warum fast alle Berliner Medienvertreter das Recherchieren über Union eingestellt haben und nur noch die niedrig hängenden Früchte abernten, sprich: das nacherzählen, was im Netz schon jemand anderes zuerst veröffentlicht hat.

    • Senfbeilage

      Wer besitzt denn in den im Text angesprochenen Themen (Fanbetreuung, Parensen/Ruhnert, Stadionausbau) sonst die Kommunikationshoheit?

      Ich zumindest bin froh, dass der Verein bei diesen Themen entscheidet wann er was zu sagen hat und nicht Personen die sich im Präsidium, Aufsichtsrat o.ä. profilieren wollen und Infos an die Presse unabgesprochen durchstechen.

  6. Maria Draghi

    Sich profilieren ist hier gar nicht das Thema. Sebastian sprach von „allen Themen“. Ich sehe es nicht so, dass Union bei „allen“ Themen bestimmen kann, wann wann , wo und was öffentlich diskutiert bzw. kommuniziert wird. Stichwort z.B. Adidas. Dort waren auf Seiten von Adidas mit Sicherheit Leute involviert, die Adidas inzwischen verlassen haben. Wo heute weder Adidas noch Union die Kontrolle darüber haben, was und mit wem diese Leute kommunizieren.

    Weiteres Stichwort das o.g. Beispiel/ Diskussion um einen Sportdirektor. Das wurde lange – auch öffentlich – diskutiert (wobei sich die Tageszeitungen schon damals extrem schwer taten, etwas zu bringen, was nicht auf Vereins-Linie lag). Es gab aber die Diskussionen um einen Sportdirektor trotzdem (außerhalb der professionellen Medien), wenn ich mich recht erinnere hier, im Unionforum, auf dem Exilertreffen,…. Erst sehr spät brachte dann auch eine (1) Tageszeitung einen (1) Artikel dazu wenn ich mich recht erinnere.

    • @maria draghi Ich meinte schon explizit die angesprochenen Themen Fanbetreuung, Parensen/Ruhnert und Stadionausbau. So wie @senfbeilage schrieb. Und da sehe ich die Kommunikationshoheit schon bei Union. Vielleicht nicht im Sinne, dass es völlig Geheimsache ist, aber so, dass Union es durchaus in der eigenen Hand hat, was wie kommuniziert wird. Da finde ich, dass beispielsweise der Prozess beim Planungsrecht für die große Anzahl unterschiedlicher Beteiligter nach viel Geruckel zu Beginn recht ruhig vonstatten ging. Und auch da gab es verschiedene Interessen, die viel lauter hätten geäußert werden können. Wie das im Umkehrschluss auch passieren kann, sehen wir beim anderen Stadionbauvorhaben in Berlin. Wobei man da auch sagen muss, dass da eine Grundstücksfrage viel mehr Interessen hervorbringt.

      Was Medien und ihre Kontrollfunktion betrifft, habe ich zwar auch eine Meinung. Ich wünsche mir eine vielseitige und kritische Medienbegleitung von Union. Aber mir ist es zu billig und zu langweilig, darauf herumzuhacken. Es verbietet uns ja niemand, dass wir uns selbst einen Kopf machen. :)

    • Maria Draghi

      „billig“ finde ich meinerseits, was von den Medien kommt.

      Bleiben wir beim Beispiel Adidas. Welches Medium hat jemals hinterfragt, wie unsere „Partnerschaft“ zu Adidas genau aussieht? „Bloß“ Ausrüster ist Adidas ganz offenbar nicht; die damals zu einer Zeit bei Union eingestiegen sind, als sie bei ihrem Nachbarn und langjährigen Partner 1. FC Nürnberg gerade ausgestiegen sind. Zur Einordnung: Nürnberg war vor der Verkündung des Adidas-Moves in die 1. Liga aufgestiegen und Union war Zweitliga-8. Wenn ich die veröffentlichten Zahlen von Union sehe, schlussfolgere ich daraus, dass beim Adidas-Einstieg nicht wenig Kohle geflossen ist. Doch für welche Gegenleistung? Offenbar stellt sich diese Frage niemand.

      Ich lasse mich allgemein hinsichtlich der Qualität der Medien gerne eines besseren belehren. Z.B. mit Veröffentlichungen der Tageszeitungen über Union, die exklusiv, bedeutungsvoll und „neu“ waren.

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