Blog State of the Union

Union demonstriert im Pokalderby seine Überlegenheit

Gestern, kurz vor dem Anpfiff des DFB-Pokal-Achtelfinales zwischen Union und Hertha, war ich dann doch nervös. Ja, unter den aktuellen Umständen war diese Begegnung nicht so elektrisierend, wie sie das eigentlich sein sollte.Aber natürlich auch nicht gar nicht. Und ich hatte unmittelbar vor dem Spiel auch das Gefühl, dass Union in diesem Spiel etwas zu verlieren hat: Einerseits eine gute Chance, am ganz spitzen Ende des Pokals dabei zu sein, aber auch eine Gelegenheit, die aktuell viel bessere Verfassung als Hertha eben auch in einem (weiteren) Sieg im Derby zum Ausdruck zu bringen. Spoiler: Union hat nicht verloren, sondern ist mit dem Derbysieg ins Viertelfinale eingezogen.

Denn solche Befürchtungen wurden von einer Anfangsphase verdrängt, in der Union genau so dominant gegenüber Hertha war, wie es zum Beispiel der aktuelle Bundesliga-Tabelle nahe legen würde. Mit mehreren guten Abschlüssen in der ersten Minute wurde der Ton für die erste halbe Stunde des Spiels gesetzt, in der Union gefühlt jeden Zweikampf gewann, jeden losen Ball bekam und Hertha sehr wenige Ballkontakte im eigenen Angriffsdrittel hatte.

Eine 1-0 Führung war das mindeste, was Union nach dieser Anfangsphase verdient hatte, aber wie diese Führung zustande kam, war absolut spektakulär. Max Kruse hatte auf der linken Außenbahn die Strafraum-Übersicht, seine Flanke dorthin zu spielen, wo Andreas Voglsammer eine Chance hatte, an den Ball zu kommen. Wie er das aber gemacht hat, reiht sein Tor neben die von Silvio oder Marcel Hartel in die Kategorie der allerbesten Union-Tore ein.

Denn dass sich der Ball über Schwolow hinweg in die entgegengesetzte Ecke senkte, war nicht etwa Glück, sondern verdankte sich herausragender Körperspannung und Ballgefühl, während Voglsammer quasi waagerecht in der Luft lag. Jedenfalls hat Union in den Derbys in dieser Saison ein Talent für ikonische Treffer – die Suche nach der besten Perspektive auf Voglsammers Tor, um es in Aufklebern oder auf T-Shirts zu verewigen, kann beginnen.

Dieses Tor war aber eben nicht nur in der Ausführung exquisit, sondern auch in der Entstehung beispielhaft dafür, wie Union immer wieder gefährlich wurde: Hertha ist es das ganze Spiel über nicht gelungen, sich auf die langen Bälle auf die Flügel hinter die eigenen Außenverteidiger einzustellen, wie auch Till Oppermann in seiner Spielanalyse beim RBB schreibt. Auf die gleiche Weise entstanden auch das 2-0 und die Szene, in der nur eine knappe Abseitsstellung einen Handelfmeter für Union verhinderte, sowie weitere Chancen. Sowohl Voglsammer und Kruse als auch Levin Ötztunali waren immer wieder bereit, die von Urs Fischer zuletzt als sehr wichtig für Unions Spiel hervorgehobenen langen Sprints anzuziehen, und die Spieler in den tieferen Reihen hatten oft die Übersicht, Bälle nicht einfach irgendwie lang nach vorn zu spielen, sondern so, dass sie genau diese Läufe bedienten.

Bevor das aber zum Sieg reichte, gab es nach der ersten halben Stunde doch noch eine andere Phase des Spiels, in der Hertha dann doch irgendwie in die Partie fand. Das Level an Intensität der Anfangsphase war für Union nicht durchzuhalten, und es war nicht verwunderlich, dass die Mannschaft sich danach öfter weiter fallen ließ. Und das war auch an sich kein Problem, weil Hertha nicht wirklich spielerische Mittel fand, um sich aus dem eigenen Ballbesitz Chancen zu erspielen.

Aber es kam doch zu oft zu Situationen, in denen vor allem Suat Serdar dynamisch auf Unions Abwehr zu dribbeln konnte und Chancen für Hertha entstanden. Das war seltener der Fall, weil Hertha aus sich heraus die Zwischenlinien-Räume bespielen konnte, passierte aber, wenn Union entweder Tacklings mit wenig Absicherung misslangen oder klärende Bälle zu kurz waren, und Union deshalb im Moment von Ballverlusten (oder nicht-Ballgewinnen) schon halb im Umschaltmanöver nach vorn war. Aus genau solchen Situationen resultierten sowohl Herthas nicht gegebenes als auch tatsächliches erstes Tor.

Dass gerade dieser Treffer zum 2-1 sich auf den Spielverlauf überhaupt nicht auswirken konnte, lag dann daran, dass Union postwendend zum 3-1 traf. Wäre ich Herthaner, würde ich mich glaube ich noch eine ganze Zeit lang fragen, wie zur Hölle Robin Knoche mitten im Strafraum nach einem Freistoß aus dem Halbfeld vollkommen unbehelligt auftauchen und den Ball von seiner Innenseite an den Innenpfosten und ins Tor tropfen lassen kann.

Über dem Derby als Ereignis hing trotz allem natürlich der Schatten der Pandemie und der Begrenzung der Veranstaltung auf 3000 Teilnehmende. Dass das ganze Spiel über in der Übertragung vor allem die Gesänge der 200 Unioner*innen im sehr weiten, sehr leeren Oval des Olympiastadions zu hören waren, machte das Spiel aber auch atmosphärisch dann doch irgendwie mehr als erträglich, auch ohne das Glück, dabei sein zu können.

Das sind die Spielberichte in den Medien

Andreas Voglsammer Union Berlin Hertha Derby Tor
Andreas Voglsammer trifft wunderschön zur Führung. Photo: Matze Koch.

Vor dem Spiel gab es gestern außerdem Berichte, dass Union an dem ungarischen Mittelfeldspieler Andras Schäfer vom slowakischen Erstligisten Dunajska Streda interessiert ist (u.a. Kicker).

Und sonst so

Unions Gründung jährt sich heute zum 56. Mal:


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2 Kommentare zu “Union demonstriert im Pokalderby seine Überlegenheit

  1. Vogelsammers Tor klarer Favorit für Tor des Monats!

  2. Mir ist noch zu wenig Überschwang in diesem nichtuneuphorischen Bericht. :-)
    Geht nicht langsam das Gefühl um, dass Urs Fischer einen Rentner mit Rolator aufstellen könnte und die Qualität des Spiels würde nicht leiden?
    Taiwo in Afrika, Marvin Friedrich (bereut er es schon?) in Gladbach. Trimmel, Gießelmann nicht in der Start11. Folglich tritt Oczipka die Ecken. Und merkt man was? Nö.
    Andreas Vogelsammer, normalerweise kein Stammplatz, schießt mal eben ein Tor des Monats und macht auch sonst eine Superpartie. Und merkt man was? Nö.
    Dominique Heinz spielt sein zweites Spiel (!!!) in der Innenverteidigung. Und merkt man was? Nö.
    Dazu hatte ich immer das Gefühl, dass Union, wenn es nötig ist, noch eine Schippe drauflegen kann. Das 1-3 war dann die Bestätigung für dieses Gefühl.

    Was plant ihr so für den 21. Mai? :-)

    Und ja, ick weeß, typische Berliner Bescheidenheit…

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