Blog State of the Union

Union zeigt gegen Bielefeld eine erwachsene Leistung

Als Timo Baumgartl gestern beim Spiel gegen Bielefeld nach dem Zusammenprall mit Fabian Klos am Boden liegend behandelt wurde, war mir nicht sofort klar, wie schlimm die Auswirkungen auf Unions Abwehrspieler waren. Doch beim Blick auf die Füße von Baumgartl lag die Vermutung nahe, dass es ihn schwer getroffen haben muss. Denn die lagen ohne Spannung oder irgendeine Bewegung da. Ich war sehr erleichtert, als die Nachricht kam, dass er wieder ansprechbar ist.

Aufgrund der Vorgeschichte von Kopfverletzungen bei Timo Baumgartl (hier ein Text der Stuttgarter Nachrichten dazu), ist davon auszugehen, dass er Union länger fehlen wird. Ich wünsche ihm, dass er sich alle Zeit nimmt, um wieder auf die Beine zu kommen. Bei seinem Ausfall in Stuttgart sagte er zu dem Thema: „Man kann sich eine neue Hüfte und ein neues Knie reinmachen lassen, aber kein neues Gehirn. Es ist das Wichtigste, das man hat – und man sollte es am besten schützen.“

Erwachsene Leistung von Union

Das Spiel von Union lief im Prinzip so, wie es Urs Fischer prophezeit hat. Denn es war ein Geduldsspiel. Und die Mannschaft hat diese Geduld bewiesen, auch wenn sie in der zweiten Hälfte kurzzeitig den Faden verlor. Doch in dieser Phase konnte sie sich absolut auf Andreas Luthe verlassen, der häufig den Eindruck macht, als sei er ein absolut normaler Torhüter im Profifußball, allerdings ohne herausstechende Qualitäten. Er hält, was zu halten ist. So war mein Eindruck am Anfang.

Doch irgendwas ist mit ihm in seiner Unionzeit passiert. Vielleicht kommt es durch das Vertrauen, dass er erfährt oder die Abwehr hält auch gut etwas weg vom Kasten. Möglicherweise ist er aber einfach in wirklich guter Form. Denn er hat mittlerweile Paraden in seinen Aktionen, die sensationell sind und alle „Luthe, Luthe“-Rufe rechtfertigen. Als er den Schuss gegen Bielefelds Hack parierte, sah er ein bisschen aus wie Inspektor Gadget, der seinen Arm mechanisch immer weiter ausfährt. Okto-Luthe halt. Er kann auch spektakulär.

Parade von Andreas Luthe gegen Bielefelds Hack, Foto: Matthias Koch

Dieser Torhüter-Leistung ist letzten Endes zu verdanken gewesen, dass Bielefelds Rechnung nicht aufging, die in der Alten Försterei auftraten wie Union vor zwei Jahren im ersten Bundesliga-Jahr. Lange Bälle auf Klos, der sie verlängert oder ablegt. Dazu Zweikämpfe, die unfassbar nerven und es dem Schiedsrichter in der Zweikampfbewertung sehr schwer machen.

Doch Union spielte geduldig, ließ sich größtenteils nicht locken, sondern spielte lieber einmal zu viel hintenherum, wenn gerade keine Lücke sichtbar war, statt den Ball im Mittelfeld zu verlieren. Dazu erarbeitete sich das Team von Urs Fischer jede Menge Chancen. Doch es sah so aus, als hätte Arminia-Keeper Stefan Ortega einen Magneten im Handschuh. Die Bälle gingen häufig direkt auf ihn.

Nicht zurecht kam die Bielefelder Abwehr am Ende mit Sheraldo Becker, dessen schnelle Läufe Unordnung in die Reihen der Gäste brachten. Das war dann auch der Ausgangspunkt für das entscheidende Tor von Kevin Behrens. Ja, dieser Kevin Behrens, dessen Verpflichtung wir alle mit dem Satz „In Oli we trust“ zur Kenntnis genommen hatten. Weil wir darauf vertrauten, dass der Angreifer schon etwas haben wird, wenn Oliver Ruhnerts Team in ihm etwas sieht. Dass er keine Minute später den Ball mit einer Wucht an die Latte knallt war noch einmal seine Art, uns zu zeigen: „Deshalb bin ich hier!“

Das sind die Spielberichte der Berliner Medien:

Stimmung in der Alten Försterei

Es lag eine merkwürdige Anspannung über dem Spiel, die sich auch auf die Gesänge übertrug. Ich fand es passend zur Partie, dass es wirklich schwierig war, mal über längere Zeit anzufeuern. Wenn man spielbezogenen Support gut findet, gehört das eben auch dazu.

Was mich allerdings tatsächlich irritierte nach dem Spiel: Bei der Verkündung der restlichen Spieltagsergebnisse wurde das 0:6 von Hertha laut bejubelt. Vielleicht habe ich während der Geisterspiele irgendein Memo nicht bekommen, aber seit wann bejubeln wir Siege von Rasenballsport Leipzig? Weniger diplomatisch hat es Benni vom Podcast Alte Podcasterei ausgedrückt:

Auf den anderen Plätzen

Beim Nachwuchs der Männer verlor die U19 ihr Spiel gegen Hertha BSC mit 0:3 (Spielbericht). Die U17 gewann dagegen in der Bundesliga 2:0 beim FC St. Pauli (Spielbericht kommt hier).

Bei den Frauen gab es eine 0:1-Niederlage der U17 beim VfL Wolfsburg. Die zweite Mannschaft spielt dann heute um 12 Uhr in der Berlin-Liga zu Hause gegen Concordia Wilhelmsruh.

Podcast zu 2G oder 3G im Stadion

Podcast-Aufnahme am Stadion, Foto: Sebastian Fiebrig
Podcast-Aufnahme am Stadion, Foto: Sebastian Fiebrig

Unions Pressesprecher Christian Arbeit hatte sich gestern nach dem Spiel gegen Bielefeld sehr viel Zeit genommen, um mit mir in einer Podcast-Episode über Unions Ablehnung der aktuellen 2G-Regeln in Berlin zu sprechen. Außerdem ging es in dem Gespräch darum, wie es wieder zu vollen Stadien kommen kann. Geplant war ein maximal halbstündiger Podcast, am Ende war es über eine Stunde geworden. Ich hoffe, dass er ein bisschen dazu beitragen kann, zu verstehen, warum welche Entscheidungen getroffen werden.

Unseren regulären Spieltagspodcast nehmen wir am Montagabend um 20 Uhr auf.

15 Kommentare zu “Union zeigt gegen Bielefeld eine erwachsene Leistung

  1. Moin Sebastian,

    in euren letzten Podcast fragtest Du, warum das Bier in Prag besser schmeckte als zuhause. Dazu gab es heute im SPON (leider hinter der Paywall) ein Interview, das das am Wein gut erklärt:

    https://www.spiegel.de/stil/wein-und-geschmacksforschung-warum-der-wein-im-urlaub-immer-besser-schmeckt-a-7ae6b533-00ad-4295-aa9f-5e1df2ed0688?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph

    Spoiler: Zum Geschmackserlebnis gehört neben dem „Produkt“ auch die Situation, in der man konsumiert. Man Spricht von Transfer von Attributen, d.h. Eigenschaften der Umgebung werden auf den Wein (bzw. in Deinem Fall auf das Bier) übertragen. Und das war eben die Auswärtsfahrt mit Unionern, die Stadt, das Spiel…, welches das Geschmackserlebnis „tschechisches Bier“ entsprechend beeinflusst hat :-)

    Eisern!

  2. Hmmm, spielbezoger Support hin oder her, war richtig schlecht gestern. Bei vielen die so um uns herum gestanden haben wirkte es wenn sie dann mal mitgemacht haben wie eine lästige Pflicht die man möglichst schnell beenden muss um sich dann wie den Gesprächen über den letzten Urlaub zuzuwenden.

  3. Mir wäre nach so einer Aktion wie mit Timo nicht nach Support….

    Und wir haben wohl Luxusprobleme wenn man über eine Herthaniederlage nicht jubeln darf, auch wenn der Gegner RB heißt.
    Was wäre euch lieber gewesen? 0:0 mit zig Verletzten, roten Karten und Platzsturm damit sich beide eliminieren? Glaubt ihr, die im Westend würden jubeln wenn wir RB schlagen?

    Nur wenn Hertha oben stünde, aber das ist ein anderes Thema ;-)

  4. Maria Draghi

    Ihr habt CA vor dem Mikro und das Thema Satzungskommission spielt – zumindest während der Aufzeichnung – gar keine Rolle? Das irritiert mich.

    • @maria Eigentlich ganz einfach: Weil die Episode einfach ein komplett anderes Thema hatte.

    • Maria Draghi

      Ihr selbst hattet vor knapp zwei Wochen angekündigt, dieses Thema nochmal aufgreifen zu wollen. Seit dem ist es merkwürdig still von eurer Seite dazu geworden.

    • Maria Draghi

      PS: Hattet ihr CA gefragt, ob er auch dazu Stellung nehmen will oder hat er das ausgeklammert?

  5. Ich denke, da wurde nicht der Sieg von Brause bejubelt, sondern die Niederlage des Lokalrivalen. Brause spielt i.d.R. ohnehin außer Reichweite, während eine Stadtmeisterschaft derzeit noch im Bereich des Möglichen ist. Da kann man schon mal Prioritäten setzen.

  6. dichtdaneben

    Bei einem (etwaigen) Sieg von zb. Freiburg gegen Hertha würdest du jubeln bei Ergebnisverkündung als irritierend darstellen oder wäre es dann ok oder dann aus anderen Gründen verstörend? Ich hab mich übrigens insgeheim sehr gefreut, ok., ich fick mich, Eisern

  7. Frank Nussbücker

    Kurz zu Andi Luthe: Als wir im 1. Bundesligaspiel der letzten Saison gegen Augsburg mit Rafal im Tor daheim 1:3 verloren und viele unseren Ex-Keeper zurücksehnten, fragte ich Potti, was er von Luthe hält. Seine Antwort: „Dit is’n Juter!“ beruhigte mich damals. Heute „weiß“ ich es selbst. Eisern

  8. Dann wäre es doch gut,wenn demnächst nur Eiserne Jubler in die Försterei kommen dürften-bitte bei der Verlosung berücksichtigen:).
    Das Theater mit dem Stadtrivalen nervt mich total.Immer,wenn Unioner dessen Niederlage bejubeln oder rumspötteln, verlieren wir im nächsten Spiel oder machen eine Nullrunde.

    Außerdem ist es viel wichtiger, dass Timo wieder ansprechbar ist.
    Alles Gute !!!
    EINE SCHÖNE EISERNE WOCHE!!!

  9. zentralesMittelfeld

    Der Support im Stadion war so wie das Spiel. Sehr zerfahren und wenig strukturiert, aber oft bemüht und zum Ende auf die drei Punkte aus.

    Vogi hat mir in der ersten Halbzeit mit am besten gefallen. Viel Laufarbeit und immer wichtige zweite Bälle gewonnen. Was er auf dem Platz bringt, können wir momentan gut gebrauchen.
    Mit Behrens und Becker kam dann von der Bank die nötige Frische, um doch noch die Entscheidung zu erzwingen.

    Mit Blick auf die nächsten Spiele waren das wichtige 3 Punkte. Will jetzt hier nicht zu sehr einen Roman hinpflastern, es gibt da einige Talking Points, die in den kommenden Wochen noch interessant zu beobachten sein werden.
    Ich habe mich jetzt schon öfter dabei erwischt, wie ich besorgt bei den Ergebnissen der anderen Teams den Blick auf die untere Tabellenhälfte werfe.

  10. Oh „Fussball“- Gott
    falscher kann man den Jubel über das RB – Hertha Ergebnis nicht verstehen.
    Junge, das ist doch fast ein Reflex, 6:0! schon die Anzahl der Treffer ist bemerkenswert.
    Passt bloß auf, dass ihr da nicht in die falsche Richtung rennt. Aber schließe mich auch gerne dem Sportfreund „dichtdaneben“ an und ficke mich.

  11. […] unglaubliche Parade, die Sebastian so schön beschrieben und Matze Koch so schön fotografiert hat, verdeutlicht Andi Luthes derzeitige Topform, wie auch […]

  12. Zur Behrens-Story passt übrigens, dass das Spielankündigungsplakat (das mit den Rechtschreibdefiziten…) ausgerechnet sein Konterfei zierte.

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