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So soll das neue Stadion an der Alten Försterei aussehen oder wie Dirk Zingler sagt: „Affengeil“

Dirk Zingler schaute ernst. Etwas zurückgelehnt im weißen Hemd, das Sakko hatte er angesichts der hohen Temperaturen in der Eisern Lounge bereits ausgezogen, beobachte der Union-Präsident den Film, den er bestimmt schon zig Mal in verschiedenen Varianten gesehen hatte. Aus seinem Blick war nicht zu schließen, was in dem Moment in ihm vorging. Auch zwei Plätze neben ihm versuchte Dirk Thieme jegliche Regungen zu verbergen. Der Vorstandsvorsitzende der Stadion AG legte aber während des Films seine Hand vor den Mund, fast so als würde er sich selbst nicht trauen, seinen Gefühlen gegenüber die Oberhand zu behalten. Und es war auch schwer. Der Pathos tropfte kräftig vom Monitor und aus den Lautsprecherboxen, sei es durch Bilder aus der Vergangenheit des Stadions seit 1920, sei es durch mitreißende Spielszenen, die wir alle hier miterleben durften oder einfach nur durch die sehr getragene Musik, zu der auch Bruce Willis in Slow Motion mit seiner Crew zur bereitstehenden Rakete hätte schreiten können, um in den nächsten Minuten nicht weniger als den kompletten Planeten zu retten.

Ein Statement und und nicht nur eine Vision

Was die beiden in einem Pressegespräch vor der offiziellen Präsentation am Abend präsentierten, hatte es in sich. Das Stadion an der Alten Försterei soll innerhalb von etwas mehr als zehn Jahren erneut sein Gesicht verändern. Bis 2020 soll ein zweiter Rang über den bisherigen Stehplatzrängen, die 2009 fertiggestellt wurden, weiteren 14.966 Zuschauern Platz bieten. „Wir wollten das Stehplatzstadion erhalten. Ursprünglich wollten wir die Sitzplatzzahl nicht erhöhen, das müssen wir jetzt aus lizenzrechtlichen Gründen tun“, sagte Dirk Zingler. Aber er betonte: „Die Alte Försterei bleibt die Alte Försterei.“ Und das dann mit einer Gesamtkapazität von 36.978 Plätzen.

Das ist optisch sehr deutlich zu sehen. Aber es gehört nicht viel Phantasie dazu, um zu verstehen, dass sich das Stadion und die Atmosphäre trotzdem gewaltig ändern werden. Und daran hat die Planung für diese Stadionerweiterung einen erheblichen Anteil.

Aufwertung der Waldseite

Blick auf die Waldseite komplett mit Stehplätzen, Foto: 1. FC Union Berlin

Wurde im Vorfeld viel über einen möglichen Umzug der Szene auf die Wuhleseite diskutiert, so ist das Thema, das vor allem im Zusammenhang mit dem Fanhaus an der Wuhle und sich kreuzenden Wegströmen mit Gästefans diskutiert wurde, jetzt endgültig vom Tisch.

Der bisher schräge zulaufende Stehplatzrang wird begradigt und soll circa 300 Fans mehr Platz bieten als bisher (5.300 Plätze). Dazu kommt ein Stehplatzoberrang (5.000 Plätze) und über dem alten Anzeigehäuschen eine Stehplatzkurve (1.700 Plätze), die zusammen eine sicherlich imposante Stirnseite im Stadion mit 12.000 Stehplätzen bieten. Ich denke da an die Möglichkeit, die rot-weiße Wand, die uns alle beim DFB-Pokalspiel in Dortmund begeistert hat, dauerhaft zu etablieren.

Umgestaltung der Gegengerade

Die Sitzplätze im Oberrang der Gegengerade sind hier zu sehen, Foto: 1. FC Union Berlin

Der Charakter der Gegengerade wird sich zweifellos ändern, da hier mit dem Ausbau ein Teil der von der Lizenz vorgeschriebenen zusätzlichen Sitzplätze eingebaut wird. Bei den Sitzplätzen sind die zusätzlichen 495 VIP-Plätze bereits mit einberechnet, die in zwei weiteren Eisern Lounges und 6 Logen betreut werden. Dirk Zingler machte keinen Hehl daraus, dass dieser Oberrang nicht allein mit der Perspektive Fußballspiel gedacht wurde: „Aktuell haben wir jährlich 250 Veranstaltungen im Jahr im Stadion, die nichts mit Fußball zu tun haben. Und mit der Gegengerade haben wir mehr unterschiedliche Flächen für Drittveranstaltungen.“ Zingler sieht eine massive wirtschaftliche Entwicklung des Berliner Südostens und hofft, mit dem Veranstaltungsstandort Alte Försterei daran teilhaben zu können. „Ich gehe davon aus, dass, wenn wir fertig sind, auch der BER fliegt“, sagte der Präsident.

Es wird spannend sein, zu sehen, wie sich die Gegengerade gegen die mögliche akustische Übermacht der Waldseite stellt. Dazu kommt, dass der bisherige Sektor 4 durch mehr Stehplätze im Oberrang eine Aufwertung bekommt. Die restlichen zur Erfüllung der Lizenzbedingungen nötigen Sitzplätze kommen in den Oberrang des Gästeblocks, wodurch keine Gästefans mehr auf der Haupttribüne platziert werden müssen. Rechts vom Gästeblock entsteht ein Gebäude für die Einsatzleitung der Polizei, eine Polizeiwache und Räume für den vereinseigenen Ordnungsdienst.

Blick auf Sektor4, Gästeblock und das Gebäude für Polizei und Ordnungsdienst, Foto: 1. FC Union Berlin

Die eigentliche Änderung dürfte aber der Eingangsbereich sein, der mit zwei Freitreppen daher kommt. „Da müssen wir schon sehen, ob der Bereich der Haupttribüne Konkurrenz macht“, sagte Dirk Zingler. Von den Trainingsplätzen wird ein 10 Meter breiter Streifen weggenommen. Damit entsteht erstmals die Möglichkeit, dort einen durchgängigen frei zugänglichen Weg zu schaffen, so dass die Menschen sowohl vom Zugang Hämmerlingstraße oder via „Abseitsfalle“ kommen können. Zudem gibt die Treppe die Möglichkeit, sich bequem das Training der Mannschaft anzuschauen, wenn gerade kein Spiel stattfindet. Wie Trainer mit Neigung zu nichtöffentlichen Trainings das finden, und ob dann die Matze-Koch-Sichtschutzanlage-3000 aufgebaut wird, ist noch nicht klar. Sicher ist aber, dass der Zutritt zum Stadiongelände über die Freitreppen laufen wird.

Blick auf den neugestalteten Eingang der Gegengerade, Foto: 1. FC Union Berlin

Die bisherigen Ränge werden nicht angetastet

Die 2008/2009 erbauten Stehplatzränge werden bis auf die Begradigung auf der Waldseite nicht angefasst. Verschwinden werden aber das Dach und die das Dach tragenden Pfeiler. Mich macht das etwas wehmütig, wenn ich an das Warten auf das Dach und die fast schon legendäre slowakische Firma, die es bringen und montieren sollte, zurückdenke. Das bereits abbezahlte Dach wird dieses Mal aber nicht verkauft. Auch nicht nach Fürstenwalde. Wir erinnern uns an diese unglückliche Geschichte.

Zusätzlich werden die im Jahr 2000 montierten Flutlichtmasten dem Umbau zum Opfer fallen. Aber angesichts der Tatsache, dass das neue Dach mit 28,6 Metern Höhe etwas mehr als doppelt so hoch sein wird wie bisher, ist das nicht weiter verwunderlich. Die Masten dürften kaum noch auf das Feld strahlen können. Stattdessen wird eine neue Beleuchtungsanlage mit LEDs geplant.

Die neuen Oberränge werden auf den 7 neu zu bauenden Treppenhäusern aufgehängt und von zusätzlichen Streben gestützt. Diese Treppenhäuser haben den bewährten Klinkerlook der Industrieanlagen von Oberschöneweide. „Ich finde die einfach affengeil“, sagte Dirk Zingler dazu, als er für einen Moment den Präsidenten Dirk Zingler gegen den Fan Dirk Zingler tauschte. Interessant ist, dass die Oberränge alle als Sitzplätze geplant wurden, so dass eventuell in Zukunft folgenden Lizenzänderungen bei der Zahl der Sitzplätze unkompliziert Rechnung getragen werden kann. Aber von der Planung der Statik her, versichert Dirk Thieme, seien sie als Stehplätze geplant worden. Oder wie Dirk Zingler sagte: „Es darf gehüpft werden.“ Das ist ein Verhalten, das aktuell nicht in jedem Stadion erlaubt ist.

Das Clubhaus als eierlegende Wollmilchsau

Blick auf Rückseite der Waldseite und des Clubhauses, davor die geplante Altstadtumfahrung, Foto: 1. FC Union Berlin

Bei der Vorstellung sprang nicht nur die seit Jahren (um nicht zu sagen: Jahrzehnten) geplante Altstadtumfahrung ins Gesicht, sondern auch ein riesiges Gebäude, das sich vom Stadion entlang der Grundstücksgrenze Richtung Forsthaus erstreckt. Es ist das Clubhaus, das rund 5.000 Quadratmeter Fläche bieten soll und aus der Parkplatzfläche zwischen Forsthaus und Haupttribüne einen Hof machen wird. Die Container, die an der Stelle wie alle Provisorien in Berlin schon viel länger als geplant stehen, werden abgerissen. Das Clubhaus soll die lang ersehnte Fankneipe, das Fanhaus und Büros für 150 bis 180 Mitarbeiter beinhalten. Dazu noch Fanshop mit allen Angeboten. Für das vollverglaste Büro ganz vorne mit Blick ins Stadion dürfen sich Mitarbeiter jetzt bewerben, wie Dirk Zingler lächelnd sagte. „Der Präsident hat dafür keine schlechten Karten“, gab aber Dirk Thieme zu.

Das Clubhaus steht dafür, dass Union alles weiter an einem Ort bündeln möchte und die Varianten wie Verlegung der Trainingsplätze der Profis an einen anderen Ort oder die Auslagerung der Mitarbeiter in ein extra Bürogebäude ad acta gelegt wurden. Die 6 Hektar, die Union als eigene zusammenhängende Fläche zur Verfügung stehen, sollen so genutzt werden, dass alle immer miteinander zu tun haben. Sichtbares Zeichen für diesen Pragmatismus ist der gläserne Verbindungsgang zwischen Clubhaus und Haupttribüne. Nach Fertigstellung des Clubhauses soll das ehemalige Forsthaus zu einem Vereinsmuseum umgebaut werden.

Erst das Clubhaus, dann der Stadionausbau

Drei Jahre hat sich Union als Ziel bis zur Verwirklichung des Projekts gesetzt. Bis zum Sommer 2020, dem hundertjährigen Jubiläum des Fußballstandortes an der Alten Försterei, sollen alle Baumaßnahmen abgeschlossen sein. Dabei wird zuerst mit dem Clubhaus begonnen, da der Stadionausbau anderen baurechtlichen Bedingungen unterliegt, die ein langwieriges Planungsverfahren als Voraussetzung für den Bau machen, da der Ausbau Einfluss auf die Umgebung haben wird (Verkehr, Lärm, etc.). So sieht der Zeitplan aus:

  • Bebauungsplanverfahren für Stadion 08/2017-07/2019
  • Januar 2018 bis Dezember 2018: 1. Bauabschnitt Clubhaus
  • Januar 2019 bis Juni 2019: 2. Bauabschnitt Clubhaus
  • Mitte 2019 bis Mitte 2020: Stadionumbau

Der Umbau wird im laufenden Betrieb stattfinden. Wie stark die Einschränkung sein wird, ist jetzt noch nicht abzusehen. Aber Union hofft, die Bauabschnitte so kleinteilig gestalten zu können, dass Sektoren nicht komplett gesperrt sind. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sei es noch zu früh, verlässliche Aussagen über den genauen Bauablauf zu treffen.

Laut Dirk Thieme trägt die DFL den Plan für den Stadionausbau sowohl inhaltlich als auch vom Zeitplan her voll mit. Ein Konflikt bei der Lizenzerteilung dürfte also nicht zu erwarten sein.

Wer bezahlt das?

Die Kosten für diese Baumaßnahmen bezifferte Dirk Zingler auf rund 30 Millionen Euro für den Stadionausbau und 8 Millionen Euro für das Clubhaus. Bauherr ist die Stadion AG. Das hier sind die genauen Zahlen:

  • 24 Mio. Euro Stadionerweiterung
  • 6,3 Mio. Euro Baunebenkosten
  • 6,0 Mio. Euro Clubhaus

Die Gesamtkosten sind mit ca. 38 Millionen Euro angegeben. Finanziert werden soll das über Eigenkapital und wahrscheinlich einen langfristigen Hypothekenkredit. „Die Zinsen seien ja gerade günstig“, sagte Dirk Zingler. Das Eigenkapital soll durch die Entwicklung und Verwertung, sprich Verkauf, der Grundstücke in der Hämmerlingstraße (wo ursprünglich das Internat des Nachwuchsleistungszentrums geplant war) und Lindenstraße (wo ursprünglich das Fanhaus entstehen sollte) gewonnen werden. In die Planung aufgenommen sind auch die Kosten von 1,8 Millionen Euro für den endgültigen Erwerb des 6 Hektar großen Stadiongrundstücks. Ob von dieser beim Erbbaupachtvertrag festgelegten Option wirklich Gebrauch gemacht wird, ist auch noch nicht klar. Sicher ist nur, dass der Preis im Vertrag festgelegt ist.

Dirk Zingler legte sich darauf fest, dass die monatliche Belastung für die Finanzierung der Baumaßnahmen nicht die aktuellen monatlichen Belastungen übersteigen soll. Wie hoch diese sind, sagte er nicht. „Das ist ein Betriebsgeheimnis“, sagte Zingler. Aber eins stellte er noch klar: „“Wir bauen auf alle Fälle, unabhängig von der Klassenzugehörigkeit.“ Egal, ob es einen Ausflug in die Bundesliga oder einen Abstieg in die 3. Liga geben würde.

Und jetzt? Alles fertig?

Eigentlich müsste Dirk Zingler rundum zufrieden sein. Und sicher ist der Präsident das auch angesichts der Planungen. Die Gesamtkosten für den Stadionbau inklusive der Haupttribüne und der unteren Stehplatzränge würden am Ende bei rund 60 Millionen Euro liegen, sagte der Präsident. Damit wäre das Stadion aus seiner Sicht preiswert im Vergleich zu anderen Stadionbauten. Und vor allem würde es komplett nach den Bedürfnissen des Vereins entstanden sein. Ganz im Gegensatz zu vielen kommunal errichteten Stadien.

„Sie sehen ja, dass der nörgelnde Präsident mit dem niedrigeren Dach der Haupttribüne unzufrieden ist“, sagte Zingler noch. Deswegen hätte man auf die Projektbezeichnung „Fertigstellung des Stadions an der Alten Försterei“ verzichtet. Im Moment läuft bereits der Auftrag für eine erneute Machbarkeitsstudie zur Anhebung des Daches der Haupttribüne auf die gleiche Höhe von 28,6 Metern wie beim Rest des dann ausgebauten Stadions. Es bleibt also eins sicher bei Union: Gebaut und geplant wird immer.

8 Kommentare zu “So soll das neue Stadion an der Alten Försterei aussehen oder wie Dirk Zingler sagt: „Affengeil“

  1. frau_elster

    Sieht alles sehr gut aus. Vor allem die Stehplatzteile werden mit den Sitzplätzen gut kombiniert. Ich hatte schon befürchtet auf Lösungen wie in Mainz oder Pauli zu treffen, wo die Stehplätze hinterm Tor eher als nötiges Anhängsel wirken, denn als wirklich gewollt und geachtet.
    Gespannt bin ich auf die Zeitplanung. 2 Jahre für ein B-Planverfahren und 14 Monate für den Bau, das erscheint recht sportlich. Da drücke ich mal alle Daumen. :)

  2. Gerade mal aus der AF nach Hause gekommen, schon ein umfangreicher Bericht vorhanden. Glückwunsch zu dieser guten Arbeit.

  3. Hajo Obuchoff

    Toll berichtet, Sebastian. Muss ich endlich mal loslassen. Denn eigentlich bin ich immer begeistert von Eurer Kollektiven wie individuellen Arbeit.

  4. Guter Übersichtsartikel! Grossartiger Arbeit auch vom Vorstand. Fand es nur zynisch dass Zingler sagte, Union möchte für alle einen offenen Verein bleiben, aber wieder nichts sagte zu den nicht nachvollziehbaren und nicht begründeten Änderungen beim Ticketkauf. Gestern war alles super kommuniziert, aber die Erhöhung der Dauerkartenpreise und die DK-Regelung demnächst nur noch für Mitglieder bleiben eine Klatsche ins Gesicht von vielen Unionern.

  5. Gab es denn Infos zu den zu erwartenden Einschränkungen während der Bauzeit? In welchem Zeitraum fallen wie viele Plätze in welchem Bereich temporär weg? Im Zusammenhang mit der Dauerkartendiskussion wäre das schon sehr interessant.

  6. @Basti in der Berliner Zeitung stand nur, dass die Kapazität dann vor allem am Anfang eingeschränkt sein wird. Zahlen wurden aber nicht genannt, hab ich noch nirgendwo gesehen

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