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Wie der Bierhoff sonst rüberkommt.

Südafrika. Keine Spiele. Die Journalisten müssen trotzdem Texte bringen. Da ist es prima, wenn sich der „Teammanager“ der deutschen Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, eine halbe Stunde Zeit nimmt. Und so fragt Steffen Dobbert, der für die ZEIT vor Ort ist, via Twitter seine Leser: „Heute Mittag eine halbe Stunde mit Oliver Bierhoff. Jemand ne Idee, was wir den mal fragen sollten?

Später am Tag veröffentlicht Dobbert allerdings keinen Text sondern nur folgende lapidare Nachricht:

Zwei Punkte verwundern sehr. Die harte Linie der Autorisierungspraxis von Bierhoff oder dem DFB als solchen. Und zum zweiten die Begründung, die im O-Ton weitergegeben wurde („Das ist der Bierhoff, wie er sonst nicht rüberkommt“).

Zur Autorisierungspraxis des DFB gibt es einen Text über den DFB-Pressechef Harald Stenger im WM Sonderheft der 11Freunde. Der gesamte Artikel „Der Problemlöser“ von Tim Jürgens wirkt, als hätte die Autorisierung auch noch die letzte Kante glattgeschliffen und aus einem einfachen Artikel ein Bewerbungsschreiben für Harald Stengers berufliche Weiterentwicklung gemacht. Die katastrophale Erscheinung des Verbandes im Rechtsstreit zwischen Präsident Zwanziger und dem Journalisten Jens Weinreich oder im Fall Amerell-Kempter werden mit keiner Silbe erwähnt. Stattdessen wird im letzten Absatz die baldige Absetzung des Pressechefs mit Verweis auf Insidervermutungen als „Intrige einiger Funktionäre“ bezeichnet.

Über Autorisierung sagt Stenger im Artikel: „Autorisieren kann nicht Zensieren bedeuten. Am Ende muss immer der Spieler wissen, was er sagt und ganz bewusst öffentlich machen will.“ Diese Aussage wird konterkariert, wenn vorher eine Autorisierung eines Interviews von Philipp Lahm mit folgenden Tätigkeiten charakterisiert wird: „Es wurde diskutiert, gefeilt, gestrichen, ergänzt oder präzisiert.“ Am Ende steht ein Text, den der jeweilige Interviewte gut findet. Aber ob der Journalist daran noch einen eigenen Anteil hatte, ist fraglich.

Wie Oliver Bierhoff rüberkommt? Oberflächlich topgepflegt. Sowohl was sein Äußeres als auch seine Darstellung angeht. Aber ein authentisches Bild erfährt man nicht. Dafür sorgt letzten Endes auch die Verweigerung der Freigabe eines Textes. Warum sich eine Zeitung wie die ZEIT einem solchen Diktat unterwirft und nicht einfach trotzdem den Text publiziert, wirft vor allem Fragen zum Selbstverständnis dieser Zeitung auf.

Ein Dank für den Hinweis auf die Nachricht von der ZEIT geht an Harald Müller von freitagsspiel.de.

21 Kommentare zu “Wie der Bierhoff sonst rüberkommt.

  1. der punkt, über den schon gestern niemand sprach, wäre: warum unterwirft man sich der autorisierungspraxis? rechtliche gründe gibt es nicht. in der regel existieren ton- oder schriftdokumente, die belegen, dass tatsächlich gesagt wurde, was man später abdruckt. andererseits: man möchte sich nicht ausbooten für die nächsten tausend jahre. wes´ brot ich ess, des bierhoff ich sing. nicht schön, aber von geradezu zwingender logik.

    ich hab übrigens keine schlechten erfahrungen damit gemacht, eher im gegenteil – „noch mal drüber lesen“ durch den interviewten hat durchaus manchmal richtigstellung zur folge, wo man sich vorher inhaltlich missverstand. außerdem hilft die abmachung, es vorher nochmal gegenlesen zu können, bei solchen interviewpartnern, die sonst von vornherein ein gespräch ablehnen würden.

  2. Ich denke mal, wie Steffi schon sagte, dass im Fall einer Trotzdem-Veröffentlichung die Zeit erstmal raus wäre aus allem, was der DFB an Pressemitteilungen, Interviews und Pressekonferenzen veranstaltet. Das können sie sich dann wohl auch nicht leisten – ganz ohne rechtliche Konsequenzen.

    Da sitzt der DFB, wieder mal, am längeren Hebel.

  3. @robert Ich sehe die Asymmetrie nicht so stark. Die ZEIT hat eine große Reputation und solch kleinliche Spielchen wie die Verweigerung der Akkreditierung könnte sich der DFB nicht leisten. Anders sind die Auswirkungen auf den einzelnen Journalisten.
    Ich frage mich allerdings, wie das eigene Verständnis vom Journalistenberuf aussieht, wenn Artikeln von Objekten der Berichterstattung die Veröffentlichung untersagt werden kann.
    Im konkreten Fall könnte man sich auch sagen: „Bierhoff und Stenger sind nicht mehr lange dabei. Lassen wir es darauf ankommen.“ Bei Aussperrungen aus Pressekonferenzen sind Journalisten meiner Erfahrung nach solidarisch.

  4. Das mit der ganzen Autorisiererei hab ich ja – zugegeben – eh nie verstanden. Also mir ist sehr bewußt, warum die Interviewten das gut finden, aber warum sich die Medien darauf einlassen?

    Das Problem dürfte sein, dass es immer viele gibt, die das mit sich machen lassen, damit sie ein Interview bekommen. Dadurch haben die „Autorisierungsverweigerer“ natürlich irgendwann gar keine Interviews mehr und so weiter.

    Was also tun? Irgendwie wäre das ja – an sich! – ein Auftrag für einen Verband, die Presse- oder TV-Lobby oder sonstwen, aber die sind ja leider auch oft eher Abverkaufs als Qualitätsgetrieben.

  5. Hast du denn mit den Beteiligten gesprochen? Klingt nicht so. Das wär ja dünn.

  6. mal abgesehen von dem autorisierungsthema: warum sollte oliver bierhoff verpflichtet sein ein ‚authentisches bild‘ von sich in der öffentlichkeit geben sollte. ich sehe kein recht auf informationen oder einblicke in den privatmenschen oliver bierhoff, nur weil der bei der nationalmannschaft arbeitet.

  7. @JK von der ZEIT kam außer diesem Statement keine Antwort auf meine Fragen. Deshalb hängt sich der Artikel grundsätzlich an der Autorisierungspraxis auf. Was genau ist daran dünn?

    @andreas Niemand, und auch ich nicht, haben von Bierhoff Einblicke in sein Privatleben verlangt. Authentizität würde heißen, den Team-Manager in seiner Arbeit näherzubringen oder seine Arbeit und seine Rolle für die Nationalmannschaft zu erklären. Was mich stört, ist, dass sich Objekte der Berichterstattung nicht richtig dargestellt fühlen. Dann sollen sie für PR bezahlen, wenn sie das Gefühl haben. Aber nicht dem Leser einen Text vorgaukeln, in dem über sie geschrieben wird, an dem sie aber in einem nicht transparenten Maße mitgewirkt haben.

  8. dann halte ich deine argumentation im letzten absatz für etwas übertrieben: als ‚authentisch‘ wird bei dir als gegenteil von ‚oberflächlich‘, ‚dem äußeren‘ und ‚eigendarstellung‘ gefordert.
    was soll dann bitte authentisch im kontext eines interviews über seine berufliche stellung sein?

    außerdem ist es doch nur zu logisch, dass kurz vor dem argentinienspiel das zu recht auf eis gelegte thema vertragsverlängerung/bierhoff vs. t20 nicht in die öffentlichkeit soll, oder?

    mal abgesehen davon, dass ich es nicht besonders ‚authentisch‘ fände, wenn jemand an seinem arbeitsplatz in einer entscheidenden phase frisch und frei über mittel- und langfristige perspektiven seines arbeitsvertrags spricht.

  9. um meine haltung noch expliziter zu machen: nein, ich glaube nicht, dass da ein nettes interview mit anekdoten zum morgenkaffee von schweinsteiger und terminproblemen mit afrikanischen busfahrern rausgekommen wäre.

    es ist doch offensichtlich, dass es eine klare anti-haltung zu bierhoff gibt, die von den medien auch gern bedient wird. da wäre ich auch besorgt, dass man mich nicht richtig darstellt.

    in deiner argumentation gegen die authorisierungspraxis ist der schritt, dass interview dann gar nicht erst freizugeben, doch viel konsequenter als das, was du in deinem comment anprangerst: ‚dem Leser einen Text vorgaukeln, in dem über sie geschrieben wird, an dem sie aber in einem nicht transparenten Maße mitgewirkt haben.‘

  10. Christian

    Warum legt man Interviews zur Authorisierung vor? Es gibt einen schönen Text von Stefan Niggemeier zu dem Thema. Wenn man ein langes Interview führt, bei dem man auch schon einmal den Pfad der Logik verlässt, ins Plaudern gerät, etc., da kann es passieren, dass manche AUssagen – wenn man sie abtippt – keinen rechten Sinn ergeben mögen. Das hat nichts mit Unvermögen zu tun, das ist einfach etwas, das passieren kann. Auch kann es helfen Sachverhalte noch einmal explizit zu klären, bestimmte Dinge verständlicher zu machen. Es gibt also viele Gründe FÜR ein Vorlegen.

    Und es gibt viele DAGEGEN. Aus meiner eigenen Berufserfahrung heraus muss ich leider konstatieren, dass gerade im Showbiz vor allem Imagepflege betrieben wird und dann oft Dinge moniert werden, die der Interviewte tatsächlich so und so gesagt hat. Manchen Leuten flattert dann plötzlich das Hemd vor der eigenen Courage, in anderen Fällen sind es einfach PR-Leute, die sich wichtig machen wollen und durch einen Eingriff ihre Wichtigkeit und Macht beweisen müssen.

    Tatsächlich gibt es einen Punkt, den mir niemand, auch kein Kollege, jemals hat erklären können: Warum lege ich als Printjournalist einen Text zum Redigieren vor – während der Kollege vom Radio das nicht macht. Live kann man sich viel schneller um Kopf und Kragen reden als bei einem Printmedium.

    Tatsächlich gab es unter Filmjournalisten vor ein paar Jahren einmal eine Kampagne gegen dieses ewige Gegenlesen. Mit Erfolg übrigens. Viele Filmschaffende verzichten inzwischen auf dieses Gegenlesen. Aber das Problem ist, dass es sich einfach eingebürgert hat. Es gibt Politiker, die niemals ein Interview mit einem Journalisten führen würden, der ihnen das Recht auf Gegenlesen verweigern würde.

  11. Na ja, man fragt bei solchen Themen alle Beteiligten, wie das gelaufen ist. Und wenn sie nichts sagen, schreibt man das.

    Kaum zu glauben, dass die Zeit auf Fragen nicht antwortet, wo sie die Sache doch schon getwittert hat. Wen hast Du denn gefragt?

    Und was sagt der DFB dazu?

  12. @andreas Ich glaube, dass wir schon einer Meinung sind. Ich möchte jetzt auch nicht allzuviel vermuten. Nur eins: Herr Bierhoff hätte sich ja nicht der ZEIT zur Verfügung stellen müssen.

    @christian Vielen Dank für diesen Kommentar, der unsere Erfahrung widerspiegelt. Autorisierung zum Vertrauensaufbau oder zur Korrektur von bestimmten Inhalten in Gesprächen, die bei Interviews gerne mal anders zusammengefasst werden, als sie ursprünglich gemeint waren, okay. Auch wir haben solche Abmachungen schon gemacht. Aber die Argumente dagegen sind sehr stark. Und wenn sie bis zu einem Untersagen der Pulikation gehen, finde ich das überzogen. Ein Lösungsansatz wäre für mich, den Modus, unter dem das Interview entstanden ist, dem Leser mitzuteilen.

    @JK Einen Tag später ist ein Interview der ZEIT mit Arne Friedrich erschienen. Ich glaube nicht, dass man daraus noch etwas machen kann. Man kann sich aber selbst einen Reim darauf machen.

  13. Das ist keine Antwort auf meine Fragen.

  14. Radio versendet sich, ist ein alter Spruch. Und Print ist halt dauerhafter. Erst recht, wenn es wie heutzutage, für immer im Netz schlummert.

    Was die DFB-Autorisierung angeht, und was da moniert wird, hm, ich musste gerade das Wort kucken durch schauen ersetzen.

    Auch in anderen Fällen wird gern und oft (gilt jetzt nicht hier für die WM, habe es aber auch schon so erlebt) hinterher selbst an der Fragestellung rumgekrittelt.

    Wir Printjournalisten wurden hier ausdrücklich aufgefordert, die Zitate für eine Geschichte einzureichen aus „Interviewterminen“ (nicht aus der Mixedzone) oder halt das ganze Interview.

    Was tun? Nein sagen und dann keine O-Töne haben?

    Und selbst wenn sich dem einige nicht unterwerfen, es wird immer wieder genug geben, die es tun.

    Zudem werden dem Journalisten so oft schon die Grundbedingungen für ein Interveiw diktiert. Ort, Zeit und Raum.

    @Christian

    du glaubst echt, dass man das Plaudern abtippt, in das man bei einem längeren Gespräch gerät?

    @Steffi

    Deine nicht so schlechten Erfahrungen sind klar und nachvollziehbar. Du musstest das zum Glück nie unter Zeitdruck machen. Du hast Themen ausgewählt, die oft und gerne abseits es Mainstreams lagen, special interest, so dass der Interveiwte froh war, mal zu Wort kommen zu lassen. Vielleicht auch, ich denke da an das tolle Bahra-Interviw von dir, auch weil sie froh waren, mal zu Wort kommen zu können. Du hast, was den 1. FC Wundervoll betrifft, die eiserne Schere schon im Kopf.

    Und du bist nicht gezwungen, damit deinen Broterwerb zu betreiben.

    Wenn dir ein Interview zugesagt wird, und es dann kurz vor Andruck platzt, dann ist das mehr als ärgerlich.

    @JK
    Kaum zu glauben, dass ein ganzes Interveiw untersagt wird. Man hätte auch einzelne Passagen daraus streichen können. Dann hätte es im Ermnessen der Redaktion gelegen, zu sagen, dass ist uninteressant und ab in den Papierkorb damit. Zu untersagen ist in meinem Augen Zensur.

    @andreas

    Ach so, jetzt muss man schon bei den Fragen berücksichtigen, ob es dem Gegenüber gerade gefällt, dazu befragt zu werden. Wann soll man denn einen OB nach seiner Vertragsverlängerung fragen? Nachdem sie verkündet worden ist, erst?

    Dinge, die geschehen sind, sind interessant für Historiker. Dinge, die im Fluss sind, für Journalisten.

  15. @bunki ich weiss das doch! ich meine: ich bin mir durchaus bewusst, warum das so ist, dass mir schlechte erfahrungen bislang erspart blieben – und ebenso weiß ich um die komfortabilität meiner situation. mir ging es eher darum, diesem „autorisierenlassenmüssen ist böse“ etwas entgegenzuhalten. denn es gibt pro-argumente (wenige). so, wie du arbeitest, ist es aber tatsächlich böse, dreimaldoppelböse sogar, weil es aus zeitgründen faktisch unmöglich ist. wenn der zeitfaktor entfällt, relativiert es sich mE etwas.

    richtig ist in jedem fall: es steckt arbeit drin. und es ist unfassbar arrogant, die arbeit anderer leute so gering zu schätzen, dass man NACH einem interview sagt: och nö – gefällt mir nicht, darf nicht gedruckt werden.

    (das radio-argument ist in zeiten von podcast ja irgendwie ein bißchen am wirklichen leben vorbei, oder?)

  16. Die Zeit hat sich geäußert. Finde ich gut: Bierhoff-Interview.

  17. […] Fiebrig Wie der Bierhoff sonst rüberkommt. Die Autorisierungspraxis des DFB, und wie die ZEIT damit […]

  18. Traurig, dass so etwas doch immer wieder vorkommt. Trauriger, dass der große DFB so etwas nötig hat und praktiziert. Am traurigsten ist aber, dass die ZEIT das mit sich machen lässt.
    So viel also zum Thema Pressefreiheit. Wenn man sie sich nehmen lässt, ist man eben selbst Schuld. Da brauch man auch nicht über China und Nordkorea schimpfen!

  19. Meine Einwände hatten eine andere Adressatin: Warum ruft Steffi nicht bei der Zeit und beim DFB an, um sich danach zu erkundigen, wie die Sache gelaufen ist? Dann müssten wir nicht so wild spekulieren.

  20. @JK weil ich den Text geschrieben habe und finde, dass der von Harald in den Kommentaren verlinkte Beitrag der ZEIT alle Fragen beantwortet. Manchmal muss man sich eben damit begnügen, zwischen den Zeilen zu lesen.

  21. […] Fiebrig Wie der Bierhoff sonst rüberkommt. Die Autorisierungspraxis des DFB, und wie die ZEIT damit […]

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