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Keine Erwartungen mehr: Ich will nur noch den Klassenerhalt

Eigentlich war mein Plan, in dieser Woche über Nenad Bjelica zu schreiben. Über das, was er seit der Übernahme des Trainerjobs beim 1. FC Union Berlin geschafft hat und was nicht. Und natürlich wollte ich etwas darüber spekulieren, wie seine Zukunft über den Sommer hinaus aussehen könnte. Aber das fühlt sich angesichts der sportlichen Situation der Männer-Mannschaft falsch an. Denn die ist sehr ernst.

Ich drücke nicht den Panik-Knopf. Noch nicht einmal die Sicherheitskappe über dem Knopf habe ich hochgeklappt. Aber um im Bild zu bleiben: ich habe schon mal den Weg zum Panik-Knopf freigeräumt und geschaut, dass alles funktioniert. Union steht in der Bundesliga auf Platz 13. Zum Abstiegs-Relegationsplatz sind es noch 3 Punkte. Die Mannschaft hat in der gesamten Saison 25 Tore erzielt. Nur Köln hat seltener getroffen (23 Tore). Das sind die nüchternen Fakten.

Abstiegskampf und Union ist mittendrin, Screenshot: Kicker
Abstiegskampf und Union ist mittendrin, Screenshot: Kicker

Die Situation ist nicht überraschend. Der Trainer hatte bereits nach dem Heimspiel gegen Leverkusen erwähnt, dass Union noch lange nicht gerettet sei und die Mannschaft wahrscheinlich bis zum Saisonende kämpfen müsse. Die sportliche Leitung kann den Spielplan lesen. Und wir können das auch. Es sollte also nach dem Spiel gegen den FC Bayern am Sonnabend niemand überrascht sein, wenn sich nach dem Spieltag alles noch mehr zugespitzt hat.

Zurück im Angstbereich

Wir kommen damit wieder in den Angstbereich. Den hatten wir seit Wochen verlassen. Das Gefühl war weg, dass man das nächste Spiel unbedingt gewinnen müsse. Und wie gut hat sich das angefühlt. Nicht mehr mühsam die ganze Woche Hoffnung aufbauen, um dann am Spieltag immer wieder enttäuscht zu werden. Nicht mehr Spielern zuschauen, die den Kopf nicht frei haben und die deshalb zu viel nachdenken. Spielern, die zu viel wollen, aber den einfachen Pass nicht mehr hinbekommen. Weil sie Angst vor Fehlern haben. Ich könnte das lange ausführen. Mein großes Kind sagt einfach „Eierflattern“ dazu und das Wort trifft es für Männerfußball ganz gut.

Diogo Leite nach seinem Fehler, der zum 0:1 in Augsburg führte, Foto: Matthias Koch

Was anders ist als in der sportlichen Krise, die im Herbst zum Ende der Urs-Fischer-Ära führte? Union ist nicht mehr die Mannschaft mit einem Problem in der defensiven Stabilität, aber dafür nun offensiv harmlos (Bild). Es ist schlicht das andere Extrem, das im Zweifel Richtung Abstieg führen kann. Die Frage nach dem Offensivplan von Trainer Nenad Bjelica war nie komplett verstummt, aber sie wird wieder lauter. Dazu gehört allerdings die Wahrheit, dass die speziellen Qualitäten von Sheraldo Becker (Geschwindigkeit) und Kevin Behrens (Zielspieler) nicht adäquat ersetzt wurden.

Mir geht es nicht um die beiden Spieler an sich, die selbst in großen Krisen steckten und stecken. Es geht um die Anforderungen, die sie abdeckten und welche Spieler das nach der Wintertransferperiode auffangen sollten.

Flanken an sich sind nicht schlecht, aber …

Die Morgenpost (Bezahl-Artikel) hatte sich am Montag das Training angeschaut und sich über Flanken gewundert. Es würde schließlich der starke offensive Kopfballspieler fehlen. Ich würde hier einwenden, dass eine gut vorbereitete Flanke auch ohne Kevin Behrens erfolgreich sein kann. Beispielsweise, wenn sie beim Konter von der Grundlinie in den Rücken der Abwehr geschlagen wird. Wenn die Besetzung im Strafraum stimmt. Ich erinnere nur an einlaufende Außenverteidiger. Oder auch bei Standardsituationen.

Überhaupt Standardsituationen. Das wäre wohl der am einfachsten zu übende Part im Spiel, der zu Toren führen kann. Defensive Stabilität ist die notwendige Zutat zum Klassenerhalt. Sie ist die Basis. Aber sie alleine wird nicht reichen.

Es geht nur noch um den Klassenerhalt

Warum schreibe ich all das? Weil ich unsere Erwartungen an die Unionspiele klären möchte. Es wird keine plötzliche Auferstehung geben. Nicht weil Ostern schon vorbei ist, sondern weil wir uns eingestehen müssen, dass dieses Team spielerisch Stückwerk ist. Die Teile wirken nicht aufeinander abgestimmt. Manchmal ist es fehlende individuelle Qualität, manchmal erwartet ein Spieler etwas anderes von seinem Kollegen mit dem Ball. Es wirkt von außen so, als hätten sie teilweise unterschiedliche Vorstellungen von ihrem Weg zum Ziel. All das wird in dieser Saison bleiben.

Nenad Bjelica hat noch genau 5 Spiele Zeit für die Erfüllung seines Auftrags, Foto: Matthias Koch
Nenad Bjelica hat noch genau 5 Spiele Zeit für die Erfüllung seines Auftrags, Foto: Matthias Koch

Als in der vergangenen Episode des Fußballpodcasts Drei90 die restliche Saison durchgetippt wurde, hatte keiner der vier Jungs Union einen Sieg in den restlichen Spielen zugetraut. Das ist das aktuelle Momentum von Union. Und damit unterscheidet es sich von den Gefühlen, die derzeit in Mainz oder Köln vorherrschen.

Es gibt aus meiner Sicht nur eins, was wir von dieser Mannschaft erwarten sollten und jederzeit einfordern müssen: Kampf. Den Gegner niederringen. Eklig sein. Dem Gegenspieler die Lust auf Fußball nehmen. All das, was bei Union unter der Überschrift „Mit aller Gewalt Klassenerhalt“ läuft. Und das gilt für mich auch auf den Rängen. Kein Spekulieren. Kein Meckern. Einfach nur komplette Unterstützung.

Ein bis zwei Siege reichen zum Klassenerhalt. Das traue ich dem Team von Nenad Bjelica ohne Zweifel zu. Deswegen voller Support. Und dann schicke ich Axel von Drei90 noch einmal den Ausschnitt, in dem er darüber spricht, wie schlecht Union sportlich sei.

11 Kommentare zu “Keine Erwartungen mehr: Ich will nur noch den Klassenerhalt

  1. IchmagTextilvergehen

    Emotion raus. Zunehmend ist mir das to much, es bremst einen so aus. Manchmal müssen wir vielleicht wieder mal bissel zweitligamäßig spielen: nicklig, zweikampfsuchend, anrennend, mauernd, standardstark, konterstark und paar feine Bälle aus der zweiten Reihe aufs Tor ballern. Mit Schmackes und Spaß, so wie Union eben immer war. Sind wir die Typen, die vor dem Tor herumtändeln oder Pingpongpassen? Gerade jetzt? Nee. Da hat der Trainer Recht. Ich fremdel zwar immer noch mit ihm, aber er kriegt gerade ne Ahnung von der Union-DNA. Und die brauchen wir jetzt dringend.

  2. Karlheinz Zesch

    Hallo, ja es geht jetzt nur um den Klassenerhalt! Aber es ist nicht nur die Offensive, sondern es ist auch das Mittelfeld, wo es keinen Spieler gibt, der das Spiel machen kann, der das Tempo verändern kann, kurzum es gibt keinen Spielmacher. Und betrachten wir unsere hochgelobte Abwehr einmal näher. Ohne auf einzelne Abwehrspieler näher einzugehen, lässt sich doch feststellen, dass die positive Betrachtung der Abwehr wohl kaum aufrecht zu erhalten wäre, wenn wir nicht einen so überragenden Torwart hätten, der das Märchen von der guten Abwehr weiterleben lässt. Aber die Abwehr unter Fischer hat auch nicht mehr Gegentore bekommen und die Noten der Abwehrspieler in der Fuwo waren auch nicht schlechter. Aber unter Fischer haben die Medien auf jeden tatsächlichen oder vermeintlichen Abwehrfehler eingeprügelt, während jetzt die Böcke der Abwehrspieler, bis auf den letzten, wohl wissend ignoriert werden. Aber jetzt geht es wirklich nur um den Klassenerhalt; denn einmal abgestiegen, ist der Wiederaufstieg sehr sehr schwierig.
    Eiserne Grüße
    Karlheinz

  3. Tim Küttler

    Die erste Liga ist leider sehr wichtig für die Beständigkeit und Sichtbarkeit des Vereins. Es hängen Gelder, Arbeitsplätze und eine gewaltige Portion fußballkultureller Einfluss dran. Aus der Sicht muss Union in der ersten Liga bleiben. Meinem Herzen ist es aber tatsächlich schei*egal… Wo Union auch spielt, Union macht es zu meinem Zuhause.

    Schlussendlich schafft Union den Klassenerhalt sowieso! Wir haben echt schon schlimmeres durchgestanden 😀. Diese Gefühle und Ereignisse im der Saison gehören zu Union, wie der Bär zu Berlin.

  4. es wird erst schlimmer (Bayern, Gladbach) bevor es wieder etwas besser (Bochum, Köln) und am Ende grade noch so gut gehen (Freiburg) wird.
    Es wird also elend lang und schmutzig… Perfekte Bedingungen also :-)

  5. Ich habe den (laienhaften) Eindruck, die defensiven Unsicherheiten dieser Saison hatten stark mit den Außenverteidigern zu tun. Haben die solide abgeliefert, hatten es dir Gegner schwer. Insbesondere Gosens schwankte leider oft zwischen Genie und Wahnsinn. Dazu kamen ungewohnt viele Verletzungspausen, v.a. von Juranovic und Roussillon. So hat die Balance zwischen Offensive und Defensive zu selten gepasst, mit Wirkung auch auf die anderen Mannschaftsteile. Wenn dann auch noch „Unterschiedsspieler“ wie Becker abhandenkommen oder in Formkrisen stecken, bleibt halt wenig Erbauliches übrig. Angesichts dessen war der zwischenzeitliche Sprung ins Mittelfeld fast schon ein Wunder. Fürs Saisonfinale speist sich meine Zuversicht eher daraus, dass ich Köln und Bochum für mindestens genauso schwach halte.

  6. Als Trainer hätte ich den Jungs das Mainz Spiel in Dauerschleife gezeigt. Damit in deren Köpfe mal klar wird wie man mit Abstiegskampf umgeht. Denn Torschuss Training ist überflüssig, da fehlt es uns eindeutig an Qualität. Und was Leite sich in so einer Situation erlaubt ist Kreisklassenniveau. Und das nicht zu erstenmal. Relegation gegen Düsseldorf für mehr wird es nicht reichen. Ganz schön bitter 😔

  7. Wir wechseln eben notfalls wieder die Liga. Und haben aber ein Kapitel voller Erfolg hintereinander gehabt. EISERN UNION

  8. Momentaufnahme

    Fehler passieren in allen Mannschaftsteilen.
    Passiert einem Stürmer ein Fehler, geht der Ball nicht auf’s Tor. (Das ist bei uns mittlerweile Normalität.)
    Macht ein Tormann einen Fehler, ist jedoch die Gefahr eines Gegentores sehr hoch.
    Bei einem Fehler eines Verteidigers wird‘s zumindest regelmäßig gefährlich für uns. Diesbezüglich würde ich mir wünschen, die Anzahl unserer unnötigen Rückpässe auf den Tormann (letztens Leite, neulich Voigt) künftig auf ein Minimum zu beschränken. Wo andere Teams den Ball in der Abwehr aufnehmen und sich sofort nach vorn orientieren, geht’s bei uns gewohnheitsmäßig selbst aus dem Mittelfeld erst einmal in Richtung eigenes Tor. Im Ergebnis gibt’s dann oft einen relativ unkontrollierten Schuss unseres Torwart‘s auf gut Glück nach vorn.

    Unser Spiel ist derzeit nicht erstligareif. Treffen wir noch einige Male ins Tor, dann haben wir den Klassenerhalt verdient. Bleibt die Anzahl und das Niveau in diesem Bereich konstant, dann wird‘s am Ende nicht reichen. Dann gibt‘s eben wieder 2. Liga mit Duellen gegen Schalke und die anderen blau-weißen. Gerade letztere zeigen, dass 2. Liga mit tollem Fußball richtig Spaß machen kann.

    • @momentaufnahme Das die Zweitliga Spaß macht, haben wir 10 Jahre hintereinander erlebt und genossen.
      Für den Verein wäre es allerdings eine mittlere Katastrophe. Da denke zu allererst an den Stadionausbau. Hinzu kommt, dass der Wiederaufstieg viele Jahre dauern kann.

  9. Schmusi Ultra

    Platz 17 bei den selbst geschossenen Toren, aber Platz 7 bei den Gegentoren. Das gibt mir Hoffnung. Trotz der schwachen ersten Saisonhälfte mit vielen Abwehrschwächen und auch der Wackler zuletzt stehen wir in dieser Statistik nicht schlecht da – nur 6 Teams sind da besser. Liegt auch ein Stück weit an der zuletzt großartigen Form von Rönnow. Dennoch, darauf kann man aufbauen. Vorne fehlt es aber eben an vielem. Hoffnung macht mir auch ein wenig der Spielplan. Weil Bochum am WE gegen Wolfsburg spielt, können wir bei einer Niederlage gegen die Bayern „nur“ auf Rang 15 rutschen. Always look on the bright side… Oder so.

  10. Momentaufnahme

    @Karlson: Deine Argumente in Ehren und ich sehe das genauso wie du. Aber für das neue Stadion gibt uns die DFL keine „Gnadenpunkte“.
    1. oder 2. Liga…. das wird auf dem Platz entschieden und dafür sind wir selbst verantwortlich. Neues Stadion hin … oder her.
    Ich glaube daran, dass wir es schaffen, wenn es auch verdamm knapp werden wird.

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