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Nein, der Senat lässt wohl doch nicht die DFL bestimmen, wie viele Zuschauer es gibt

Mit der – euphemistisch gesagt – dynamischen Entwicklung der Covid-Pandemie und der Infektionszahlen geht im Moment auch wieder eine – euphemistisch gesagt – dynamische Entwicklung der Regeln für das öffentliche Leben und Veranstaltungen einher. Das erinnert tatsächlich an den März, und zwar auch auf eine nicht besonders dynamische Weise: an der einen oder anderen Stelle hat man wohl nicht ganz so viel aus der ersten Welle der Pandemie gelernt.

Union Freiburg Corona
Unter welchen Umständen spielt Union gegen Freiburg? Photo: Matze Koch

Das gilt vielleicht auch für den Berliner Senat. Der hat, wie wir gestern hier erwähnt haben, in einer Pressemeldung zur neuen Infektionsschutz-Verordnung geschrieben, dass sich die Zuschauerzahlen bei Sportveranstaltungen „vorrangig“ an dem „Konzept eines Sportfachverbandes“ orientieren sollen. Nach unseren Informationen wird dieser Passus in der tatsächlich beschlossenen Fassung, die am Freitag offiziell veröffentlicht werden und am Sonnabend in Kraft treten soll, aber nicht stehen.

Und das ist auch sinnvoll, denn diese Klausel, die sehr nach einer Lex DFL klingt, steht auf sehr tönernen Füßen. Denn es ist ja schwer vorstellbar, dass Entscheidungen wie die über zulässige Veranstaltungsgrößen von den zuständigen Behörden und politischen Entscheidungsgremien auf irgendwelche überhaupt nicht legitimierten externen Gremien übertragen werden. Am allerwenigsten dürfte das die DFL wollen. Und letztlich auch der Berliner Senat, der im Zweifel auch praktisch ein Problem bekommen würde, wenn die DFL 10.000 Zuschauer erlaubt, aber das Land Berlin nur 5000.

Zudem ist das Konzept der DFL “Grundlagen & Leitfaden für die Konzepterstellung zwecks Wiederzulassung von Stadionbesuchern” (pdf) vor allem nur eine Empfehlung, auf deren Grundlage Hygienekonzepte mit lokalen Gesundheitsbehörden entwickelt werden können. Das Papier mit den Grenzwerten hat null Bindungskraft für die Bundesliga-Clubs. Darüber schreibt auch der Kicker, der das Verhalten des Berliner Senats grotesk nennt und auch beschreibt, wie sich die Corona-Regeln bei Union verändern könnten.

Da ist davon die Rede, dass im Stadion eine Maskenpflicht nun auch auf den Plätzen gelten soll. Das ist wohl kein Schritt, zu dem externe Auflagen Union gezwungen hätten, sondern den Union selbst mit seinem Hygienekonzept geht. Vielleicht auch, damit der Club ein anderes Bild in Übertragungen transportiert als zuletzt, als Fernsehbilder aus verschiedenen Stadien verglichen mit der Alten Försterei suggerierten, Union würde sich an kein Hygienekonzept halten. Über dieses Konzept berät gerade das Gesundheitsamt in Köpenick, das angekündigt hat, am Donnerstag eine Entscheidung darüber mitzuteilen.

Aber dabei gibt es – so wenig das oberflächlich betrachtet auch zur aktuellen Entwicklung der Pandemie zu passen scheint – eigentlich keine ersichtliche Grundlage, Geisterspiele zu verfügen. Jedenfalls keine, die in den Verordnungen und Erläuterungen des Landes Berlin angelegt ist. Denn Veranstaltungen im Freien mit bis zu 5000 Teilnehmern bleiben erlaubt. Zudem sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller in der Pressekonferenz am Dienstag, dass diese Veranstaltungen mit ihren strengen Hygienekonzepten nicht zum Infektionsgeschehen beitragen würden.

Was ein bisschen an den März 2020 erinnert, als Unions Spiel gegen Bayern sehr lange auf der Kippe stand. Zwar scheint es durchaus den politischen Willen zu Geisterspielen zu geben. Doch es gibt keine politische Entscheidung dafür oder Verordnung, die das bisher hergibt. Bestimmte Grenzwerte, die im Raum stehen, wie die 7-Tage-Inzidenzzahl von 50, finden sich nicht in der Infektionsschutzverordnung. Vielleicht wäre es tatsächlich sinnvoll hier eine parlamentarische Debatte über sinnvolle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu führen und eine Infektionsschutzverordnung zu erstellen, die flexibel auf bestimmte Pandemie-Level reagiert. Dann hätte man zumindest etwas Planbarkeit.

Union schiebt Test mit Testungen auf

Die eigentlich für mit dem Inkrafttreten der neuen Infektionsschutz-Verordnung geplante Veranstaltung von Union, bei dem der Verein präventive Covid-Tests für das Publikum testen wollte, ist erst einmal auf unbestimmte Zeit aufgeschoben (Vereinsmitteilung).

In den Ausführungen dazu verabschiedet sich Dirk Zingler aber überhaupt nicht von der Idee an sich, sondern sieht in ersten Schritten der Bundesregierung, Schnelltests als Präventivinstrument einzusetzen, eher noch eine Bestätigung für Unions Idee. Allerdings geben die begrenzten Kapazitäten für solche Tests die Umsetzung von Unions Plan wohl aktuell nicht her. Weil das und die entsprechenden Verordnungen als Vorbehalt aber auch immer genannt wurden, kann Union durchaus sagen, mit dem Schritt nicht wirklich von den angekündigten Plänen abzurücken.

Das schreiben die Berliner Medien heute:

Außerdem schreibt der Kurier über den Abschied von Busfahrer Sven Weinel bei Union, der nach 22 Jahren mit dem Freiburg-Spiel ansteht. Wer ihn bisher nicht wirklich kannte, kann ihn in dem Buch von Christoph Biermann als Co-Star erleben, der immer wieder „Staus findet“. In dem kleinen Interview im Kurier mag ich vor allem die Anekdote über geklaute Nummernschilder …

Auf den anderen Plätzen

Im Achtelfinale des Berliner Pokals spielt die 1. Frauenmannschaft von Union gegen den FC Internationale (Berlin-Liga). Die Runde wird am 14./15. November gespielt.

Und sonst so

Bei Union soll am Montag eine neue Veranstaltungsreihe der FuMA starten: „Fußballkultur – Blick über den Tellerrand“. Den Auftakt macht dabei ein Vortrag über die aktuelle revolutionäre Situation in Belarus und die Rolle des Fußballs darin von dem Unioner, Journalisten und Osteuropa-Kenner Ingo Petz (Fankurve Ost).

Die Vorstellung beginnt um 19 Uhr auf der Haupttribüne, ist kostenlos aber wegen der Pandemie an vorherige Anmeldung gebunden (per Mail an beatrice.flemming@fc-union-berlin.de).

Und apropos Fankurve Ost: In dem Projekt gibt es – ein bisschen als Ersatz für die wegen Corona unmöglichen Workshops – eine Filmreihe „Lasst uns über Fankultur sprechen (Pogovorim pro fankulturu)“, in der (auf YouTube) demnächst auch ein Film über die Eiserne Hilfe zu sehen ist.

10 Kommentare zu “Nein, der Senat lässt wohl doch nicht die DFL bestimmen, wie viele Zuschauer es gibt

  1. Mal was anderes und vielleicht habe ich es übersehen die Tage, aber ihr habt doch Bücher verlost und ich habe bisher keine Gewinnervornamen lesen können ;-)

    • Man sollte seine korrekte Mail angeben, da die Gewinner persönlich angeschrieben werden.
      Wie bei der Trikot-Verlosung werden die Gewinner nicht öffentlich genannt.
      ;;;;——)))))

  2. +++Pressemitteilung vom 22.10.2020
    Das Gesundheitsamt und der zuständige Bezirksstadtrat für Gesundheit teilen mit:
    Nach Prüfung des erweiterten Hygienekonzeptes des 1.FC Union – in Verbindung mit der vom Berliner Senat beschlossenen 8. Änderung der Infektionsschutzverordnung – kann das Bundesligaspiel am 24.10.2020 mit Zuschauern stattfinden.
    Das vorliegende überarbeitete Hygienekonzept vom 1.FC Union entspricht den Maßgaben der aktuellen Infektionsschutzverordnung.
    Es beinhaltet darüber hinaus gehende Maßnahmen, die unserer Meinung nach sehr geeignet sind, effektiv die Gefahren einer weiteren Verbreitung zu verhindern.
    Bisher gibt es keinen Nachweis für ein Ausbruchsgeschehen im Zusammenhang mit einer geregelten Veranstaltung mit eingegrenzter Personenzahl (5000 lt. Senatsbeschluss im Freien) und unter Einhaltung der bekannten Hygienerichtlinien.+++

    Im Klartext: Es muss sich also jemand explizit und nachweislich bei solch einer Veranstaltung anstecken damit auch die letzten Unioner inkl. Präsident Dirk Zingler und sein Kumpel Bezirksbürgermeister Oliver Igel verstehen, dass eine weltweite Pandemie mit über 1.1 Mio. Toten kein Kindergarten ist! So viel Ignoranz und Selbstgerechtigkeit lässt mich persönlich einfach nur noch traurig und wütend zurück und trägt für mich die letzten Reste der Union-Familie zu Grabe. Eisern!

    • „Das vorliegende überarbeitete Hygienekonzept vom 1.FC Union entspricht den Maßgaben der aktuellen Infektionsschutzverordnung.
      Es beinhaltet darüber hinaus gehende Maßnahmen, die unserer Meinung nach sehr geeignet sind, effektiv die Gefahren einer weiteren Verbreitung zu verhindern.“

      Wo war jetzt nochmal das Problem ?

  3. @tamara ?????auweia!

  4. @Andreas, zusammengefasst:
    Überall steigen die Ansteckungszahlen und wir stehen kurz vorm zweiten Lockdown aber bei Union dürfen 4500 zugucken. Will man es wirklich darauf ankommen lassen das sich jemand im Stadion ansteckt? Solange probiert man es halt mit der Höchstzahl.
    Kann man nachvollziehen, muß man aber nicht.
    Zumal keine Gesänge oder Anfeuerungen erlaubt sind.

    Lange wird diese BL-Saison mit diesen Umständen wohl nicht mehr gehen.

    • @Michael, ja die Ansteckungszahlen steigen, und offensichtlich kann man gar nichts dagegen tun, weil sich die meisten Leute im privaten Rahmen zu Hause infizieren. Oder Zitat Bürgermeister Müller: „Beziehungsweise alle Situationen, in denen es nicht geregelt abläuft.“

      Union hat ein Hygienekonzept das von der zuständigen Behörde genehmigt wurde weil die Infektionsgefahr offenbar als gering eingeschätzt wurde. Also warum sollte Union diese Veranstaltung nicht durchführen ?

    • Ich bin dabei hin- und hergerissen. Einerseits verstehe ich den Ansatz, Massenaufläufe von Menschen generell zu verhindern, denn mit diesen steigt das Ansteckungsrisiko selbst bei gutem Hygienekonzept – es gibt nunmal immer Leute, die sich nicht dran halten, und es gibt bei An- und Abreise genug Gelegenheiten durch Unvernunft oder schlicht Pech angesteckt zu werden. Andererseits verlagert sich das Problem bei Geisterspielen ja nur in den privaten Bereich – wo sich Leute treffen, die sich sonst nicht ständig sehen, und wo sie sich sicherlich nicht zwingend vernünftiger verhalten. Ich denke, eine perfekte Lösung gibt es gerade nicht – außer komplette Kontaktverbote, die aber niemand will.

  5. Wer das bisher sehr erfolgreiche Coronakonzept von Union (das mit Gesangsverbot und Vermummungsgebot nochmal so verschärft wurde, dass auch jeder Dauernörgler ob des erfolgten Spassverbots zufrieden sein dürfte) weniger relevant findet als die Meinung des Boulevard oder der von entweder missgünstigen oder latent paranoiden Bedenkenträgern, die vor allem Angst vor schlechter Boulevardpresse haben, ihre DKs zurückgeben, gibt es sicher andere, die hier gerne einspringen :-)

    PS: Wer wirklich etwas für die Gesundheit tun möchte kann ja mal statt dieses Vorschlag-Wettbewerbs um die beste Drangsalierung derjenigen, die ansonsten eh schon wenig Beachtung in der marktkonformen Gesellschaft finden, könnte man ja mal für echte Verbesserungen eintreten. Zum Beispiel für die Verdoppelung der Pflegekräfte mit pauschal 3000€ Netto, plus Zulagen, und dem Verbot profitorientierter Privatisierung des Gesundheitswesens.

  6. […] Ähnlich unübersichtlich wie das Infektionsgeschehen in Berlin und die dazugehörigen Verordnungen ist auch der Meinungskorridor wenn es um die Frage geht, ob Union immer noch ZuschauerInnen ins Stadion lassen sollte. Die Meinungen gehen wie so oft sehr weit auseinander. Vor allem in den sozialen Netzwerken wird Union für das Vorgehen hart kritisiert. Das ist nichts Neues. Genauso wenig wie die Tatsache, dass sich Union nur an geltendes Recht hält. Zudem hat Union sein Hygienekonzept freiwillig noch erweitert, wie wir gestern schon berichteten. […]

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