Blog State of the Union

Manipulation und Unwissen: Über die Vorwürfe vom ZDF und auf Twitter, Union würde das Hygienekonzept ignorieren

Seid ihr gestern auch so entpannt durch den Tag geschwebt wie ich? Auf so einer weichen 4:0-Wolke schaute es sich ganz entspannt Richtung Köln, Schalke oder Bremen. Ich habe mir die Partien angeschaut und hatte kein bisschen darüber nachgedacht, ob ein Ergebnis nun gut oder schlecht für Unions Platzierung in der Tabelle sei.

Und so ein bisschen sind die Berliner Medien auch noch in Feierlaune. Wobei sie aus meiner Sicht das Thema Spielkultur etwas strapazieren. Denn Union hat vorher ja nun keinen Antifußball gespielt, wie die Berliner Zeitung es schreibt, nur um einen größtmöglichen Gegensatz zum 4:0 gegen Mainz aufzubauen. Erstens hat Union schon in der zweiten Saisonhälfte der vergangenen Saison versucht, sich flach herauszukombinieren. Und zweitens hat Mainz auch den nötigen Abstand gehalten, damit sich Union gut entfalten kann. Ich erwarte jedenfalls nicht, dass Union jetzt die Liga schwindlig spielt.

Eine wirklich gute Erklärung, wie es Union gelungen ist, sich trotz Mainzer Pressing hinten heraus zu spielen, gibt Max vom Rasenfunk, der am Freitag in der Halbzeitpause bei Instagram mal mit Taktiktafel live war:

Er erwähnte auch die Läufe von Nico Schlotterbeck im Halbraum nach vorne, die noch einmal Optionen für die Offensive gaben. Der Verteidiger, der sich in der letzten Minute am Oberschenkel verletzt hat (BZ), kam nach meiner Zählung auf drei Torschüsse. Außerdem zeigte Max, wie Union sein Pressing in der ersten Halbzeit organisiert hat. Für mich sind solche kleinen Formate hilfreicher zum Verstehen eines Spiels als die Erklärung, dass Max Kruse gegen Mainz von Beginn an gespielt hat. Wobei dessen Einsatz vielleicht wirklich dazu geführt hat, dass die Läufe von Sheraldo Becker hinter die Abwehr etwas brachten. Das lieben wir ja am Fußball, dass es nicht die eine Erklärung für Erfolg gibt.

Hier alle Berichte der Berliner Medien:

Die Sache mit dem Abstand

Ich bin etwas genervt von irgendwelchen Leuten, die auf Social Media gerade ein Close-up-Jubelbild von aufgesprungenen Unionfans am Freitagabend mit sitzenden Fans aus einer weiten Kameraperspektive miteinander gleichsetzen, um zu suggerieren, bei Union würde das Hygienekonzept mit den Füßen getreten. Denn das ist überhaupt nicht der Fall.

Angeblicher Beweis für Verstoß gegen Hygienekonzept bei Union auf Twitter, Screenshot: @bigcityclubbsc
Angeblicher Beweis für Verstoß gegen Hygienekonzept bei Union auf Twitter durch einen Fan-Account, Screenshot: @bigcityclubbsc

In die gleiche Richtung ging gestern Abend der Moderator des Aktuellen Sportstudios des ZDF, der nach dem Spielbericht sagte: „Wobei man angesichts dieser Bilder das Gefühlt hat, Corona hat es nie gegeben. Keine Masken, kein Abstand. Also da muss man die Hygienemaßnahmen der DFL, speziell in Berlin, dann doch noch einmal hinterfragen.“

Mal von der Unwissenheit der Sportstudio-Redaktion abgesehen, die nicht wusste, dass in Berlin am Platz keine Maske getragen werden muss oder dass zwei Personen zusammenstehen dürfen, erfahren wir hier die Macht der Bilder. Stehen Menschen im richtigen Abstand, verdecken sie soviel Platz, dass es aussieht, als würde keine Abstand eingehalten. Das gilt für Personen, die an Sitzplätzen stehen und jubeln und erst recht für Stehplätze. Und ich bin es leid, dass hier einige vom Augenschein auf eine Verletzung der Regeln des Gesundheitsamtes schließen und gleich mal auf Twitter oder anderen Netzwerken beziehungsweise mit Hilfe der Reichweite des ZDF das anprangern.

Das ZDF Sportstudio warf Union vor, dass keine Masken am Platz getragen wurden, obwohl das nicht vom Hygienekonzept verlangt wird. Screenshot: ZDF
Das ZDF Sportstudio warf Union vor, dass keine Masken am Platz getragen wurden, obwohl das nicht vom Hygienekonzept verlangt wird. Screenshot: ZDF

Vielleicht war Mainz das letzte Heimspiel mit Zuschauern für längere Zeit

Vor allem hilft es nicht dabei, bestimmte Dinge, die vielleicht nicht so gut geklappt haben, zu verbessern (es gab tatsächlich auf der Waldseite durchaus Probleme beim Abstand, der kollektive Torjubel am Zaun von ein paar Fans war so im Hygienekonzept sicher auch nicht vorgesehen oder eine Supervisorin der Ordner, die ihre Maske lässig am Kinn kleben ließ). Stattdessen wird hier das Bild bedient eines Vereins und seiner Fans, die auf alle Regeln pfeifen. Und das war mitnichten der Fall. Ellbogenshake und Fistbumps beim Jubeln waren bei uns die Regel, der Ordnungsdienst achtete penibel darauf, dass niemand im Umlauf oben im Stadion sein Bier trank oder Bratwurst aß, die Wege wurden alle in eine Richtung gelaufen und auch das vom Ordnungsdienst im Zweifel durchgesetzt.

Was mich dabei besonders ärgert ist, dass diese Partie gegen Mainz vielleicht die letzte mit Zuschauern war, wenn der 7-Tage-Inzidenzwert in Berlin weiter steigt. Da kann sich Treptow-Köpenick ein Ei darauf pellen, dass sie kein Hotspot sind, denn korrekterweise wird Berlin als Ganzes betrachtet. Schließlich können wir hier nicht plötzlich Reisesperren für bestimmte Bezirke umsetzen. Meine Hoffnung besteht darin, dass die schlechten News der vergangenen Tage vielleicht zu einer Verhaltensänderung geführt haben und wir in gut 3 Wochen doch wieder unter dem 7-Tage-Inzidenzwert von 35 für Gesamtberlin liegen.

Wer sich mal damit auseinandersetzen möchte, wie in der vergangenen Saison kontrolliert wurde, kann das in einer ausführlichen Recherche hier machen. In Berlin hat bei Hertha und Union nicht nur das Gesundheitsamt kontrolliert, sondern auch das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit.

Auf den anderen Plätzen

Die U17 der Männer hat gestern ihr Bundesligaspiel beim FC St. Pauli mit 2:4 verloren (Spielbericht auf der Vereinsseite). Und die U19 hat heute ihr DFB-Pokalspiel gegen Fortuna Düsseldorf im Stadion (Infos zum Stadionbesuch hier). Anstoß ist 11 Uhr.

Bei den beiden Frauenteams ist heute spielfrei, dafür haben sie sich für ihre ersten 1000 Follower auf Instagram etwas krumm gemacht.

Und sonst so?

Ich empfehle diesen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, der schildert, wie sich Sportjournalismus und sein Umfeld verändert haben. Im Prinzip kann ich hinter alles, was dort geschildert wird, ein Häkchen machen. Und hier geht es nicht nur darum, Vereinen vorzuwerfen, dass sie ihre Spieler abschotten, sondern auch um Umfelder wie sozialen Medien, wo einzelne Bilder oder Sätze aus dem Zusammenhang gerissen oder Themen hochgejazzt werden. Auf Union trifft das mit Abstrichen zu, weil natürlich Union nicht die gleiche bundesweite Relevanz wie der FC Bayern hat, an dessen Beispiel die Veränderung des Sportjournalismus geschildert wird.

Im aktuellen Ballesterer aus Österreich gibt es Fotos von Jan Hollants aus dem Bildband „Wir. Bilder aus der Alten Försterei“ zu sehen.

Und wer nach der Buchvorstellung von Christoph Biermann am 15.10. im Stadion noch eins drauf setzen möchte, kann am 16.10. den Film „Dit is Union, verstehste“ beim 11mm-Fußballfilmfestival im Kino schauen. Tickets gibt es hier.

Das Ständchen für Torsten Mattuschka gab es schon am Freitagabend im Stadion, als Marcus Ingvartsen sich zum Freistoß bereit machte. Aber heute ist der tatsächliche Geburtstag. 40 Jahre wird der Mann, der uns den Derbysieg im Olympiastadion am 11. Februar 2011 schenkte.

16 Kommentare zu “Manipulation und Unwissen: Über die Vorwürfe vom ZDF und auf Twitter, Union würde das Hygienekonzept ignorieren

  1. Ich befürchte, dass folgende Grafik https://www.berlin.de/corona/lagebericht/desktop/corona.html#zeitlicher-verlauf
    sehr stark darauf hindeutet, dass das für dieses Jahr das letzte Spiel in der Alten Försterei mit Zuschauern war ……

  2. In jedem Laden und jedem Bus ist es viel viel enger als im Stadion. Noch dazu ist man dort im Freien. Ich war nun das dritte Mal unter Coronaregeln in der AF und fühle mich da sicherer als in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens.
    Und ja, viele stehen in 2er Grüppchen, wie auch ich mit meinem Sohn, die Infektionsgefahr ist hier überschaubar … Bei Toren wurde abgeklatscht oder – geboxt und alles trug Maske wenn nicht am Platz.
    Wer hier nun herumkrittelt macht sich zum Erbsenzähler aus Missgunst und misst mit zweierlei Maß.

  3. Ich habe mich in letzter Zeit auch über solche Kommentare geärgert.
    Man kann aus einer 2D-Perpektive nicht auf Räumlichkeiten schließen.
    Und der Kommentar des ZDF-Schönlings geht gar nicht. 3 Minuten Spielbericht und er kann das einschätzen, oder wie?
    Schönen Sonntag noch.

  4. Auch ich wurde mit meiner Bratwurst aus dem Gang verwiesen. Also kann bestätigen, dass der Ordnungsdienst durchaus engagiert war.

  5. Das ist vom ZDF meiner meinung nach nur Panikmache das wir in der AF wieder Geisterspiele sehen sollen. U.N.V.E.U

  6. Kann mich mal jemand aufklären, was damit gemeint ist? Ich bin nicht vom Fach.

  7. Das einzige Foto in Nahaufnahme ist aus der AF!
    Ich war vor zwei Wochen zum Spiel. Alle standen brav in ihrem Kullerkreis!!! Wir waren,wie viele zu dritt und haben trotzdem drauf geachtet,da niemand riskieren will,dass uns der Stadionbesuch wieder verboten wird! Hatte noch nie sooo viel Platz in Sektor 2 ?
    Und selbst beim Einlass war mehr Platz und Abstand als in der Regionalliga!
    Der Verein und die Fans haben alles richtig gemacht!
    Aber schon seit Ostzeiten wissen wir,dass man mit Bildern manipulieren kann!

  8. Jürgen Hornig

    Ein Glück, dass wir schon am Freitag gespielt haben. Wenn das Spiel erst heute gewesen wäre, hätten wir vielleicht zu Haus bleiben müssen, da gestern Berlin die Marke 35 Neuinfektionen in 7 Tagen je 100.000 Einwohner überschritten hat.

  9. Maria Draghi

    In dem SZ-Artikel ist sicherlich vieles richtig, doch auch vieles (naja, nicht falsch, aber) weggelassen. Beispielsweise kommt viel zu kurz, dass das (investigative) Niveau der Journalisten nicht mehr dasselbe ist. Mit copy-paste lässt sich heute viel schneller jedes beliebige Schnippselchen nachplappern, als selbst recherchieren. Zu PKs wird gegangen, weil es dort Schnittchen gibt – weniger weil man dort hart nachfragt. Die Union-Journalisten haben das immer damit begründet, dass sie ja den anderen auf einer PK anwesenden Kollegen nicht gratis zuarbeiten wollen. Das ist einerseits richtig, aber eben auch nur die halbe Wahrheit. Denn wer gar nicht erst fragt wird auch keine Antwort bekommen. Und das operative Geschäft von Fußballvereinen sind nun mal nicht die PKs, sondern das Fußballspiel.

    Auch müssen sich die Berliner Journalisten die Frage gefallen lassen, warum sie weder in Sachen Quattrex noch in Sachen Adidas seit Jahren irgendwas auf die Stulle bekommen (haben). Ein Kicker- Journalist hat vorgemacht, wie man vergleichsweise leicht an Quattrex-Informationen kam. Auch bei Adidas hätte ich mehrere Ideen, wie man diesbezüglich an Infos kommt. Nur eins ist klar: Zuhause am Schreibtisch nicht – und auch nicht, wenn man allein Union danach fragt.

    Zurück zum SZ-Artikel: Es sind eben nicht nur die Vereine und die Spieler, die heute viel mehr mauern als früher, es sind auch Journalisten, die sich nicht an branchenübliche Regeln halten und leider zudem mit copy-paste viel schneller ihr Geld verdienen als mit handwerklicher Recherche. Und auch viele Konsumenten, die glauben, gute Informationen/Nachrichten dürften nichts kosten, tragen ihren Teil zum abnehmenden Niveau des Sportjournalismus bei. Denn was nichts kostet ist eben oft auch nichts wert. Ich prognostiziere mal, dass den früheren (Zeitungs-)Sportjournalisten bald nicht mehr geben wird.

  10. Musiclover

    Wen habt ihr denn da kurz vor dem Ende der Wechselfrist neu verpflichtet? Ist der Felix auch von Liverpool ausgeliehen?

  11. Jens Pilgrim

    ZDF=Mainz na klar das der so einen scheiss quatscht..kõnnen nicht verlieren!!! darum muss man eben diesen Mist rauslassen.

  12. Ich kann nur von der Waldseite reden, aber ich muss sagen ich bin – Stolz – auf unsere Jungs und Mädels… Klar gibt es immer Leute die aus der Reihe tanzen, aber im Großen und Ganzen ziehen alle prima mit, was uns, den Mitarbeitern die Arbeit echt wahnsinnig erleichtert. Lasst euch durch so einen Medienscheiss nicht runter machen, macht weiter so, zeigt denen die noch nicht ganz mit der Situation klar kommen das wir an einem Strang ziehen müssen damit weiterhin die Spiele im Wohnzimmer – mit – Euch statt finden können. Für alle ist die Situation beschissen… Aber wozu sind wir Unioner, wenn wir das nicht auch zusammen als Familie packen? ;-) Hut ab und weiter so… Und in erster Linie Eisern bleiben!

  13. Uwe Aufrecht

    Ich war selbst im Stadion, von der Einlasskontrolle, bis zu den Ordnern im Stadion, haben alle die, die ich gesehen habe, auch auf die Umsetzung und Einhaltung des Hygienekonzepts geachtet! Ich selbst hatte um mich herum genügend Platz, hätte mit ausgestreckten Armen niemand in meiner Nähe erreichen können. Natürlich kann es sein, dass die einen oder anderen beim Torjubel mal kurz die Distanz nicht wahren konnten. Aber was ich wahrnehmen konnte, war im großen und ganzen die Einhaltung der Maßnahmen. Jeder vernünftig denkende sollte ja auch ein gewisses Maß an Selbstinteresse daran haben!
    Mich wundert aber, dass sich zur Saisoneröffnung in München, als die Herren Hoeneß, Rummenigge, Kahn und co. ohne Einhaltung jeglicher Abstände und ohne Verwendung eines Mund-Nase Schutzes „dicht an dicht“ auf der Tribüne drängten, niemand öffentlich beschwert oder aufgeregt hat!
    Was auch auf die Schalker Gäste zutraf!
    Heißt es bei dem Fernsehsender nicht: „Mit dem Zweiten sieht man besser“… oder war man da etwa auf dem anderen Auge blind?

  14. Wo sitzt der Sender?
    Japp, in Mainz … Noch Fragen Kienzle?

  15. MalerMario

    Als Teil der Ordnerfamilie möchte ich mich für das Lob bedanken und gebe Kirschie recht, dass uns die Arbeit relativ leicht gemacht wird. ALLE ziehen an einem Strang, wohl wissend, wie fragil das Ganze ist.
    Und wenn einen dann noch aus Deutschland und der Welt sms erreichen, wo man sich freut wie man sich freut, dann denke ich so bei mir; dit is UNION, verstehta!

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