Blog State of the Union

Ungeschlagen, aber langweilig? 7 Dinge, die uns nach dem 0:0 in Paderborn froh machen

„Von daher nervt’s mich auch ein bisschen“, sagte Urs Fischer auf der Pressekonferenz, als er das 0:0 in Paderborn einschätzen sollte und über die verpassten Torchancen sprach. Es war eine höfliche Untertreibung. Wie so oft, wenn der Union-Trainer öffentlich spricht. Er selbst dürfte sich sehr ärgern über ein erneutes Unentschieden, das Union zwar die unglaubliche Serie von 10 Liga-Spielen in Folge ohne Niederlage einbringt (der Kurier freut sich zurecht darüber), aber gleichzeitig sich nicht im gleichen Maße in Punkten niederschlägt. Ein zweites Mal brach es für Fischers Verhältnisse aus ihm heraus, als er über den ausgebliebenen Elfmeterpfiff an Joshua Mees sagte: „Es regt mich schon ein bisschen auf.“ Der Offensivspieler war von Christian Strohdiek am Nachschuss gehindert worden, nachdem zuvor Sebastian Andersson die Latte traf.

Ich reihe mich ehrlich gesagt nicht in die Reihe derjenigen ein, die behaupten, ein mäßiges oder gar schlechtes Spiel von Union gesehen zu haben. Ich fand Paderborn in der ersten Hälfte unglaublich stark. Sie verursachten permanent Stress bei Union und ließen Urs Fischers Team nicht eine Sekunde Pause, um zu überlegen, wohin der Ball gespielt werden könnte. Dazu spielten sie selbst sehr schnörkellos und direkt nach vorne. Union hielt hinten dagegen und Paderborn hatte kaum eine richtige Torchance. In der zweiten Hälfte nutzte Fischers Mannschaft dann die eigenen Chancen nicht, die locker für mindestens ein Tor gut waren (zwei Mal Andersson, einmal Mees).

Hier die Berichte der Berliner Medien, die sich auch an der Ungeschlagen-Serie und der wenigen offensiven Durchschlagskraft abarbeiten:

Eine taktische Analyse des 0:0 gibt es beim Paderborn-Taktik-Blog Paderball.

Das alles klingt nüchtern und vielleicht auch ein bisschen langweilig und deswegen habe ich gestern Abend gefragt, was euch denn an der Partie froh gemacht oder besonders gut gefallen hat. Hier eine kleine Auswahl an Antworten, die vielleicht an der trockenen Analyse nichts ändern, uns allen aber zum Wochenanfang doch ein wohligeres Gefühl geben:

1. Grischa Prömels Pass auf Sebastian Andersson:

Das war tatsächlich ein Hauch von Bundesliga, wie Prömel den Ball auf Andersson durchsteckt und damit die komplette Abwehr aushebelt, so dass der Schwede alleine vor dem Tor steht. Schade, dass Andersson diese Möglichkeit nicht sofort abschloss. Das schmälert allerdings nicht den Wert von Prömels Zuckerpass.

2. Die Defensive

Die Defensivarbeit wurde häufig genannt. Gerade weil Paderborn viele andere Gegner überrannt hatte. Zu wirklichen Torchancen kam die Mannschaft von Steffen Baumgart tatsächlich nicht. Das ist wirklich eine Leistung, auch wenn dafür niemandem ein Lorbeerkranz geflochten wird.

3. Joshua Mees‘ Einwechslung

Der Offensivspieler kam nur kurz am ersten Spieltag zum Einsatz und laborierte die restliche Zeit an einer Verletzung. In Paderborn kam er für den eher enttäuschenden Andy Gogia und sorgte für mehr Betrieb. Er kam aber auch in einer Phase, in der dem Team von Steffen Baumgart etwas die Puste ausging. Ich habe mich auch sehr für ihn gefreut. Auch wenn es schade war, dass ihm sein Schuss kurz vor Ende verunglückt ist. Aber seine Rückkehr gibt Trainer Urs Fischer offensiv noch mehr Optionen.

4. Rafal Gikiewiczs Rettungstat

In der ersten Halbzeit gab es eine Pingpong-Szene im Union-Strafraum, in der am Ende Christopher Lenz beim Versuch zu klären noch den eigenen Mitspieler anschießt. Dass aber kein Paderborner an den Ball kam, lag tatsächlich an Keeper Rafal Gikiewicz, der irgendwie die Hand an den Ball kommt und die Kugel so am gegnerischen Angreifer vorbei lenkt. Eine Wahnsinnstat, die ich erst in der Zeitlupe so richtig begriffen hatte.

5. Die Hacken-Weiterleitung von Robert Zulj

Da hatte ich kurz überlegt, ob ich das richtig gesehen habe, als der Offensivspieler den Ball so weiterleitete. Auch das ein Beleg dafür, wieviel spielerische Klasse eigentlich in der Offensive steckt, die das Team aber aktuell nicht ausspielt.

6. Ein neues Union-Lied nach der Musik von „Champs-Elysees“

Wer den Podcast Drei90 hört, wird das Lied kennen, das immer auf den Teil überleitet, in dem der Groschenroman über den FC Blau-Weiß Mittelstadt vorgelesen wird. Bei uns zu Hause liebt der Jungunioner dieses Lied so sehr, dass wir das ganze deutschsprachige Album von Joe Dassin schon durchgehört haben. Wenn jemand den Text hat, der darauf gestern in Paderborn gesungen wurde, würde ich mich über einen Hinweis in den Kommentaren sehr freuen.

https://www.youtube.com/watch?v=ghFeJRzKCYg

7. Alles ist besser als letzte Saison

Das müssen wir uns vielleicht auch noch vor Augen halten. Dass die aktuelle Serie eigentlich vollkommen unerwartet kommt. Und zwar nicht, weil Union nicht auf Qualität bei den neuen Spielern geachtet hätte. Sondern weil so viel gleichzeitig verändert wurde. Sportliche Leitung, Trainer und viele Spieler. Das war ein großer Umbruch nach der Wir-wollen-aufsteigen-und-steigen-fast-ab-Saison. Und vielleicht ist da etwas Demut tatsächlich die richtige Herangehensweise.

Auf den anderen Plätzen

Unions B-Junioren gewannen mit 6:1 gegen Holstein Kiel und belegen nun in der Bundesliga Platz 8 (Spielbericht auf der Union-Website).

Unions erstes Frauen-Team besiegte SFC Stern 1900 mit 3:1 und bleibt weiter auf Rang 3 in der Regionalliga (Fotos vom Spiel gibt es hier und hier).

Und sonst so?

Ein Loblied auf das Stadion an der Alten Försterei und die Atmosphäre dort schreibt Trainer Baade in seinem Blog. Falls ihr etwas lesen wollt, was wie Öl runter geht, dann tut das dort. Und jeder, der fragt, was es denn mit dem vielbeschworenen Stadionerlebnis auf sich hätte, der wird dort ebenfalls die Antwort finden.

View this post on Instagram

Spannung

A post shared by FELIX HERLT (@felixherlt) on

Viel wird sich weiter an der bereits jetzt schon legendären Pressekonferenz des FC Bayern abgearbeitet (wie hier im Deutschlandfunk, wo sehr pathetisch Leser, Nutzer und Zuschauer vor die Wahl gestellt werden, ob sie Fan-TV oder kritischen Journalismus wollen, als ob es nicht sehr viel dazwischen gäbe). Statt sich dieser Nabelschau hinzugeben, wäre es aus meiner Sicht sinnvoller, man würde einerseits da kritisch sein, wo es notwendig und wichtig ist und in anderen Fällen auch einfach unterhaltsam sein. Bisher habe ich wenig von Vereins-TVs gesehen, was mir durch Tiefe in Erinnerung geblieben ist. Zu sehr ruhen sich die Kanäle meiner Meinung nach auf ihrem Privileg der Nähe aus. Gleichzeitig gibt es aber beispielsweise auch bei Sky wenig mit Gehalt. Es ist also wie immer: Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß.

Dafür möchte ich euch ein bemerkenswertes Interview mit Maximilian Philipp aus den Westfälischen Nachrichten ans Herz legen. Ich weiß nicht, wann ich solch ein schnörkelloses Gespräch gelesen habe, dass mich gleichzeitig so mitgenommen hat. Ein ganz starker Text, in dem auch Christopher Lenz vorkommt:

2008 war nicht alles gut. Da sind Sie in der Jugendabteilung von Hertha BSC als zu schmächtig eingestuft und aus­sortiert worden. Wie sehr haben Sie gelitten?

Philipp: Sehr, das war extrem. Ich war 14, und in dem Alter denkst du nur ans Fußballspielen. Hertha war zu der Zeit der einzige Profiverein in Berlin, für mich ist da eine Welt zusammengebrochen. Es tat sehr weh.

 

Es ging trotzdem weiter, zunächst bei Tennis Borussia?.?.?.

Philipp: Mein bester Kumpel, Christopher Lenz, der heute Profi bei Union Berlin ist und damals eigentlich bei Hertha hätte bleiben können, ist mitgegangen. Das hat mir geholfen. Allein gehe ich nicht so schnell auf neue Leute zu.

8 Kommentare zu “Ungeschlagen, aber langweilig? 7 Dinge, die uns nach dem 0:0 in Paderborn froh machen

  1. An der gestrigen Leistung und auch in den anderen Spielen gefiel mir insgesamt die körpeliche Verfassung und die Moral von Union. Der Gegner wird erst müde gespielt oder spielt sich selbst müde und in der zweiten Hälfte wird man selbst aktiver und erzielt dann Tore oder auch nur Torchancen. Ich denke das sind wichtige Faktoren um oben dabei zu bleiben.

  2. karlkreuzberger

    Das wird aber gegen den BVB nicht ausreichen. Und meiner Meinung nach wechselt der Trainer viel zu spät aus.

  3. Ich habe eben einmal kurz nachgeschaut, UF wechselt häufig so in der 65-70 Spielminute das erste mal.

    Ich hatte auch gehofft, dass wir uns die Spitze holen und war gestern echt enttäuscht. Vielleicht müssen wir mit dem Unentschieden zufrieden sein. Wenn wir offensiv noch besser werden, sind wir sehr schwer zu schlagen. Gegen Dresden 3 Punkte und die Welt sieht wieder besser aus.

  4. Ich hätte mir mehr Risiko gewünscht bei den Spielerwechseln. So sah es für mich aus wie „Ein Punkt wollen wir, mehr nicht“.

    Das Spiel selbst fand ich grottig und doch hätten wir gewinnen können.

  5. Mein Highlight: als Andy Gogia eine der Trillerpfeifen aus unserem Block aufhob, kurz rein pfiff und dann weiter spielte ?

  6. mario draghi

    interessanter Kommentar zu den späten wechseln: beide trainer lauerten auf die erste reaktion (wechsel) des gegners und wechselten dann zuerst fast zeitgleich.

    klar: Tabellenführung wäre möglich gewesen; aber dann wären doch bei uns gleich wieder alle durchgedreht…

  7. Durchgedreht wären die, die unaufhörlich im.Unionforum vom „Aufstieg jetzt“ träumen. Das taten diese ja selbst als Hofi hier Trainer war.

  8. Der Text zum neuen Lied zur Melodie von Champs-Élysées wurde in der Wald-Seite vom Kielspiel abgedruckt. Ich konnte die leider nicht online finden habe euch aber ein Foto davon per Mail geschickt.

Kommentare sind geschlossen.