Blog State of the Union

Die Modepolizei in Karlsruhe sagt: Dunkle Kleidung darf nicht mehr getragen werden

Als ich gestern die ersten Nachrichten davon las, dass die Polizei in Karlsruhe eine Straßenbahn mit Unionanhängern gestoppt hätte, dachte ich noch, dass es einfach eine übliche Maßnahme war, um Fanströme nicht unkontrolliert durch das Stadtgebiet reisen zu lassen. Es würde eine Begleitung zum Stadion geben und gut.

Es stellte sich aber dann heraus, dass die Leute festgehalten, kontrolliert und deren Personalien aufgenommen wurden, und sie dann weit nach Anpfiff der Partie aus der Stadt transportiert wurden.

Da es sich bei den Unionfans vor allem um die Szene handelte, haben die Hammerhearts eine Stellungnahme zu diesem Vorgehen der Polizei verfasst, die ihr hier lesen könnt: Bewertung des Polizeieinsatzes in Karlsruhe am 19.02.2017

Wer erwartet hat, dass die Karlsruher Polizei Fakten zum Einsatz liefert, sah sich am Abend getäuscht. Im Polizeibericht feiert sich die Behörde zwar dafür, dass sie eine „Geplante Auseinandersetzung zwischen KSC-Fans und Fans von Union Berlin durch polizeiliche Maßnahmen verhindert“ hätte, schafft es aber nicht, Beweise oder Indizien dafür zu liefern.

Das Ergebnis der Durchsuchung der Personen laut Polizei:

Von allen 200 relevanten Insassen wurden sowohl die Personalien festgestellt als auch eine Durchsuchung durchgeführt. In der Straßenbahn konnten Vermummungsgegenstände und Betäubungsmittel in geringen Mengen aufgefunden werden.

Waffen? Nein. Dafür Vermummungsgegenständen und Betäubungsmittel. Dieses Durchsuchungsergebnis passt auch auf eine Kifferrunde im Winter.

Wie wurden die Unionfans als „Problemfans“, wie sie die Polizei bezeichnet, identifiziert? So:

Kurze Zeit später fielen ca. 200 dunkel bekleidete Berliner Fans in einer Straßenbahn im Bereich der Nordstadt auf.

Die Karlsruher Modepolizei hat zugeschlagen. Weil auch Karlsruher Fans in dunkler Kleidung unterwegs waren kombinierte die Polizei:

Augenscheinlich suchten die verfeindeten Fanlager die Konfrontation in einer Drittortauseinandersetzung.

„Augenscheinlich“ ist die höfliche, aber ebenso hilflose Umschreibung von: „Wir haben keine Beweise gefunden, brauchen aber etwas, mit der wir polizeiliches Handeln begründen können.“ Denn nur das ermöglichte eine vollkommen überzogene Maßnahme gegen Karlsruher Anhänger:

Zu deren Verhinderung wurde die Karlsruher Fangruppe nach richterlicher Anordnung in Beseitigungsgewahrsam genommen.

Was die Polizei hinten heraus noch schreibt:

Gegen beide Personengruppen werden wegen Verdacht des Landfriedensbruches und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Das sind beides Begründungen für Ermittlungsverfahren, die tatsächlich gegen jeden Fußballfan durchgeführt werden können. Ihr fahrt als Fanklub gemeinsam zu einem Spiel? Bämm! Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Ihr tragt schwarze Hoodies und habt eine Sonnenbrille dabei? Bämm! Verdacht des Landfriedensbruches.

Ich bin sehr gespannt, wie Union, aber auch der KSC, darauf reagieren werden. Und ich bin ebenso gespannt, ob die Staatsanwaltschaft der sehr dünnen Faktenlage der Polizei folgen wird und eventuell Strafbefehle verschickt und Anträge auf Stadionverbot folgen. Nach diesem Einsatz ist das professionelle Verhalten der Polizei in Dresden noch höher zu bewerten als ohnehin schon.

Aber vielleicht ist dieser Einsatz in Karlsruhe für uns alle mal Anlass, darüber nachzudenken, wie sehr die Polizei bereits Maßnahmen gegen Personen vornehmen kann BEVOR überhaupt etwas passiert. Die Leute werden dann „Problemfans“ genannt, obwohl ihnen konkret gar nichts vorgeworfen wird. Andere sind „Gefährder“. Ich betrachte es mit Sorge, dass der Ruf nach 100-prozentiger Sicherheit (die es gar nicht geben kann), dazu führt, dass wir mehr und mehr die Polizei in einer Grauzone agieren lassen, die auch die Akzeptanz gerechtfertigter polizeilicher Maßnahmen untergraben kann.

Union siegt und springt auf Platz 3

Es tut mir leid, dass dieser Vorfall hier so viel Platz einnimmt, aber medial spielte das leider bis auf eine dünne dpa-Meldung (hier bei Berliner Zeitung, BZ, Kurier und im Text der Bild, einzig dieser Text im Tagesspiegel stellt die andere Sichtweise der Fans dar), die sich nur auf den Polizeibericht bezieht, keine große Rolle.

Zum Spiel gibt es einiges zu erzählen. Von Kristian Pedersens erster (!) Gelber Karte (in Nürnberg gab es Gelb-Rot für den Dänen, deshalb zählte das nicht mit). Von Simon Hedlunds Coolness beim Elfmeter, der sich von den vielen Karlsruhern nicht bequatschen ließ. Von Eroll Zejnullahus beiden Pässen, die jeweils die Tore einleiteten. Überhaupt die Pässe in die Spitze. Und von Sebastian Polter, der so dermaßen der heiße Atem im Nacken der Verteidiger ist, dass sie vor Angst den Ball lieber selbst ins Tor schießen.

Aber auch von einer seltsamen Passivität in den Zweikämpfen, die es Karlsruhe ermöglichte, sich häufiger durch Unions Mittelfeld zu kombinieren, als man das von einem Team im Abstiegskampf gewohnt ist. Von Unions Abwehr, die ich in diesem Jahr noch nichts so oft habe schwimmen sehen wie in Karlsruhe. Von Pfosten und Latte, die KSC-Tore verhinderten, als Jakob Busk bereits geschlagen war. Eine Partie, die am Ende unter die Rubrik „ein glücklicher, aber nicht unverdienter Sieg“ fällt.

Hier sind die Spielberichte der Berliner Medien:

Bei Eiserne Ketten gibt es noch die Taktik-Analyse zum Spiel.

Wir nehmen heute Abend unseren Podcast auf. Dort werden wir mehr über das Spiel reden. Ich weiß leider noch nicht, ob wir live streamen oder nicht. Aber ich gebe auf Twitter Bescheid.

Und wichtig: Hier könnt ihr Mitglied bei der Eisernen Hilfe werden, die Unionfans hilft, die von polizeilichen Maßnahmen betroffen sind.

5 Kommentare zu “Die Modepolizei in Karlsruhe sagt: Dunkle Kleidung darf nicht mehr getragen werden

  1. Danke für die tolle Einleitung, ich hoffe es hilft.

  2. Hurraaaa, die goldenen 80er sind zurück.

    Beim Staatsbesuch von Reagan 1987 wurden Menschen, die dunkle Jacken trugen und sich in der Nähe des Ku-damms aufhielten von Polizisten von Fahrrädern gezerrt und aus an der Ampel stehenden Autos gezerrt.

    Menschen die an den Anti-Reagan-Demos in dunkler Kleidung teilnahmen (aber keine Vermummung oder „Waffen trugen) , wurden von der Polizei aus dem Demonstrationszug gedrängt, durch die Straßen gejagt, zusammengetrieben und stundenlang eingekesselt.

    Wie hab ich das vermisst :-/

  3. Hallo.kann nur ich einige Bilder nicht sehen? Dankeschön

  4. @beck hier im Text sind 2 Bilder von Twitter und eines von Instagram. bei mir wird alles angezeigt.

  5. Danke! Liegt wohl am Router.UNVEU

Kommentare sind geschlossen.