Blog State of the Union

Union hat den Krisenmodus abgelegt

Der 1. FC Union Berlin spielt 2:2 gegen Heidenheim und ich müsste jetzt wahrscheinlich schreiben, wie schade das ist. Schließlich wurde die Chance verpasst, sich noch ein bisschen in der Tabelle abzusetzen. Noch mehr Abstand zu den Abstiegsplätzen aufzubauen. Und es wurde der Heimrekord in der Bundesliga verpasst. 5 Siege hintereinander hätten es werden können. Doch ich bin zufrieden, denn die Mannschaft hat mit dem Spiel eine Entwicklung gezeigt. Sie hat den Krisenmodus hoffentlich endgültig hinter sich gelassen.

Christopher Trimmel feierte seinen 37. Geburtstag und wurde gefeiert, Foto: Matthias Koch

Zu beobachten war das vor allem in der ersten Halbzeit. Denn wenn Union und Heidenheim aufeinandertreffen, ist das sowieso kein Spiel, nach dem bei der Auslandsvermarktung die übertragenden Sender oder Streaminganbieter Schlange stehen. Beide Teams rennen viel. Beide haben den wenigsten Ballbesitz der Liga. Es wird also intensive Zweikämpfe und wenig Spielfluss geben. Und genau das haben wir dann in der Alten Försterei bekommen.

Der Tod solcher Spiele ist eigentlich ein frühes Tor, weil dann eine Mannschaft agieren muss, es aber nicht kann, während das andere Team sich tiefer stellt und auf Konter spielt. Deswegen war der Treffer von Nikola Dovedan kurz nach Anpfiff so ein Tiefschlag. Dachte ich jedenfalls in dem Moment.

Es wird viel diskutiert über die Entstehung des Tores. Kevin Vogt geht kurz vor der Mittellinie auf der linken Seite in ein Kopfballduell. Und köpft weit zurück in die Mitte. Ich hatte ein bisschen den Eindruck, dass er den Ball dorthin köpft, wo er sonst selbst steht. Doch in diesem Spiel war er der linke Innenverteidiger für den gesperrten Diogo Leite. Und Robin Knoche stand viel näher bei Vogt, als dieser es vielleicht in dem Moment dachte. So landete der Ball perfekt für Dovedan in der Gasse zwischen Knoche und Doekhi. Frederik Rönnow im Tor hatte keine Chance.

Nenad Bjelica erklärte nach dem Spiel, warum Kevin Vogt als linker Innenverteidiger spielte, Foto: Matthias Koch

Ich würde diesen Fehler nicht an der Position von Vogt festmachen. Und Trainer Nenad Bjelica hat dieses Thema in der Pressekonferenz nach dem Spiel schnell abgeräumt. Er hatte Vogt dorthin gestellt, weil er der schnellste Innenverteidiger Unions ist und Eren Dinkci in den Griff bekommen sollte. Die linke Position habe Vogt in Hoffenheim fast immer gespielt und Knoche wäre zentral aufgestellt worden, wo er seine eigentliche Stammposition habe. Dem ist aus meiner Sicht wenig hinzuzufügen.

In den vorangegangenen Spielen habe ich oft Unions Offensivspiel kritisiert, obwohl das Team viele Punkte geholt hat. Deshalb würde ich dafür plädieren, dass wir uns in der Bewertung der Partie gegen Heidenheim nicht nur vom Ergebnis leiten zu lassen. Denn Union hat zwar nach dem frühen Gegentor etwas gebraucht, aber dann spätestens nach der ersten Viertelstunde ein sehr gutes Spiel gezeigt. Rani Khedira nannte es später dominant.

Macht das erste Tor selbst, erobert Ball vor dem zweiten Tor und fehlt wegen 5. Gelber Karte gesperrt gegen Dortmund: Robin Gosens, Foto: Matze Koch
Macht das erste Tor selbst, erobert Ball vor dem zweiten Tor und fehlt wegen 5. Gelber Karte gesperrt gegen Dortmund: Robin Gosens, Foto: Matze Koch

Ich finde, dass das schon eine Entwicklung ist. Der frühe Rückstand verunsichert nicht. Die Mannschaft ist griffig in den Zweikämpfen und spielt konzentriert nach vorne. Was tatsächlich auffällig war: Heidenheim störte den Spielaufbau von Union sehr früh und attackierte sehr giftig mit mehreren Spielern. Das dauerte wirklich eine Zeit, bis Union das in den Griff bekam und selbst sicherer Pässe zu den eigenen Mitspielern brachte.

Mit etwas Pech hätte es da schon 0:2 stehen können. Aber erstens hatte sich Jan-Niklas Beste etwas Zeit gelassen und zweitens holte Josip Juranovic nicht nur viele Meter Rückstand auf, sondern auch noch die Monstergrätsche des Spiels heraus. Im Fünf-Meter-Raum sprang der Kroate in Bestes Schuss und klärte zur Ecke.

Den Kopf oben und über Standards und Distanzschüsse näherte sich Union an. Aber richtig aufs Heidenheimer Tor kam nichts. Kurioserweise waren beide Schüsse auf den Kasten von Kevin Müller gleich drin. Gosens traf sehenswert mit dem linken Außenrist. Wie der Ball zu Unions Nummer 6 kam, war allerdings Slapstick, denn ein Heidenheimer Klärungsversuch nach Freistoß Union traf einen anderen Heidenheimer, von wo der Ball zu Gosens sprang. Das zweite Tor war ein abgefälschter Distanzschuss von Schäfer.

Andras Schäfer war nach seinem Treffer fix bei Referee Deniz Aytekin, damit wirklich ihm sein erstes Saisontor zugeschrieben wird, Screenshot: @schafer_andras/Twitter
Andras Schäfer war nach seinem Treffer fix bei Referee Deniz Aytekin, damit wirklich ihm sein erstes Saisontor zugeschrieben wird, Screenshot: @schafer_andras/Twitter

Nun kann man sagen, dass die offensive Effizienz von Union weiter da ist (im ganzen Spiel 3 Schüsse auf das Tor von Heidenheim). Also alles wie immer. Aber ich möchte festhalten, dass Union immer wieder kontrolliert nach vorne kam. Es war eben nicht wie in manchen Spielen zuvor, dass es den Anschein hatte, es würde keinen Offensiv-Plan geben. Das ist im beginnenden Frühling sicher ein zartes Pflänzchen. Aber so wie die Mannschaft den Rückstand weggesteckt hat und den kontrollierten Weg nach vorne gesucht hat, sehe ich da eine Entwicklung.

Die ist am Anfang und längst nicht abgeschlossen. Aber dieses zentrale Mittelfeld mit Rani Khedira, Lucas Tousart und Andras Schäfer verspricht eine gute Balance zwischen Zerstören und Spielen. Aus dieser Sicht sollten wir alle hoffen, dass Schäfer und Khedira verletzungsfrei bleiben und Tousart sich die aktuelle Form bewahrt, damit sich dieses Trio im Wettkampfbetrieb noch besser aufeinander abstimmen kann.

Tanzen nicht nur den Union-Walzer: Andras Schäfer und Lucas Tousart, Foto: Matthias Koch

Die Bild schrieb unter der Woche, dass sich Union vom Behrens-System verabschieden würde. Das kann man so sehen. Ohne solch ein absolutes Viereck, das vorne den Ball verteilen oder halten kann, muss der Weg anders gefunden werden. Lang und hoch auf Hollerbach und Volland, oder wie in diesem Spiel Aaronson, wäre sicher der falsche Weg. Es bleibt spannend, welche Rolle Chris Bedia hier einnehmen kann, der gegen Heidenheim nicht einmal im Kader stand. Ihm wurden von Bjelica vor der Partie noch Anpassungsschwierigkeiten attestiert (Tagesspiegel).

Christopher Trimmel wurde am Spieltag 37 Jahre alt und gefeiert, Screenshot: @christopher_trimmel28/Instagram
Christopher Trimmel wurde am Spieltag 37 Jahre alt und gefeiert, Screenshot: @christopher_trimmel28/Instagram

In der zweiten Halbzeit spielte Union etwas passiver. Das ist kein Vorwurf, sondern im Prinzip übernahm das Team die Rolle von Heidenheim vor ihren zwei Gegentoren. Es ist dann wirklich kurios, dass eine auf Konter lauernde Union-Mannschaft ein Tor durch Konter kassiert. Ein langer Befreiungsschlag (wie ich dachte) wird perfekt von Beste erlaufen, Doekhi muss sich auf zwei Gegenspieler konzentrieren, was naturgemäß nicht klappt. Deshalb hat Beste diesmal wirklich Zeit und kann Rönnow im Tor überlupfen.

Ihr merkt es: Trotz der Fehler vor den Gegentoren und dem Ergebnis gehe ich positiv aus dem Spiel und hoffe, dass sich die Entwicklung fortsetzt. Auch wenn wir gegen Dortmund ganz sicher nicht fast 60 Prozent Ballbesitz für Union sehen werden.

Das sind die Spielberichte der Berliner Medien:

Auf den anderen Plätzen

Die U19-Junioren verlieren 1:2 gegen Rostock (Spielbericht). Heute um 12 Uhr spielen Unions Frauen ihr letztes Testspiel in der unendlich scheinenden Saisonvorbereitung beim 1. FC Köln II aus der Regionalliga West (Vereinsmitteilung). Um 14 Uhr spielen die U17-Junioren bei Hannover 96 (Spielbericht).

Der nächste State of the Union erscheint am Mittwoch.