Blog State of the Union

Was bedeutet eigentlich die Uefa-Strafe für Union?

Der Montag ist eigentlich der Tag, an dem die sportlichen Hot Takes zum Wochenende formuliert werden. Das könnten wir jetzt auch bei Union machen und beispielsweise über die Präzision in den Offensivaktionen sprechen (wie Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Kurier, Bild, der Kicker in seiner Montagsausgabe oder die MOZ). Das vielbeschworene gute Gefühl scheint da langsam etwas verloren zu gehen.

Aber angesichts von 44 Punkten nach 23 Spieltagen können wir das auch später machen. Schließlich wartet am Donnerstag schon das nächste Highlight: das Achtelfinale im Europapokal. Heiß diskutiert wird aber nicht die Vorfreude auf diese wahrlich historische Partie. Mit viel Emotionen wird über die Strafe der Uefa gegen Union gesprochen. Denn es geht die Angst um, dass wir als Fans erneut nicht zu Royale Union nach Belgien fahren dürfen, weil Union eine Bewährungsstrafe erhalten hat.

Daniel hat am Sonntag im State of the Union die Vereinsmitteilung von Union zur Uefa-Strafe bereits kurz angerissen und den veränderten Ton von Union darin thematisiert. Aber was bedeutet das alles eigentlich? Ich möchte versuchen, hier so weit es geht, Fragen zu beantworten, aber auch welche zu stellen, auf die ich noch keine Antwort habe.

Wofür hat die Uefa Union bestraft?

Zur Strafe: Was hat die Uefa eigentlich bestraft und ab wann gilt die Bewährung? Union wurde ausschließlich für die Pyro im Block in Amsterdam bestraft. Nicht für andere Vergehen dort. Doch warum dann gleich so eine harte Strafe ohne Vorwarnung, wo doch Union gerade eine Auswärtsblocksperre abgesessen hatte? Das ist bei solchen Urteilen nicht immer so leicht ersichtlich und wir müssen hier jetzt ein wenig Uefa-Astrologie betreiben. Die vorherige Strafe mit der Auswärtssperre für das Gruppenspiel bei St. Gilloise bezog sich nicht auf Pyro, die in der Hand bleibt, sondern auf andere Auseinandersetzungen.

Die Strafe vom Spiel in Amsterdam bezieht sich nur auf das Zünden von Pyro. Nur warum hat Union so eine harte Strafe erhalten und Amsterdam nicht? Ajax hat doch auch zweimal gezündet. Nun gibt es erst einmal natürlich keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Wenn ich etwas Unrechtes getan habe, habe ich keinen Anspruch darauf, genauso glimpflich davonzukommen, wie eine andere Person, die vermeintlich dasselbe getan hat.

Der Unterschied zwischen Union und Ajax an diesem Abend in Amsterdam war einfach: Bei Ajax hat es zweimal an einem Ort gebrannt, bei Union gefühlt ständig und überall im Gästeblock. Möglicherweise hat die Uefa bei Ajax das Ganze mehr unter Kontrolle gesehen als bei Union.

Pyro im Gästeblock beim Spiel von Union in Amsterdam, Foto: Matthias Koch

Union hat keine schmale Akte bei der Uefa

Dazu kommt, dass das nun nicht die erste Strafe für Union in dieser Saison war. Neben der Strafe für die Vorfälle in Malmö (neben der Auswärtssperre gab es 40.000 Euro Strafe und Schadenersatz für den gastgebenden Club), gab es auch noch Strafen für Pyro in Braga (40.500 Euro) und das Versperren von Durchgängen im Heimspiel gegen St. Gilloise (12.000 Euro).

Gerade für 3 Auswärtsspiele sind drei heftige Strafen schon ein dickes Brett. Betrachten wir das zusammen, kommt die Strafe auf Bewährung vielleicht doch nicht ganz so überraschend. Für die wenigen Europapokalspiele in der Geschichte von Union hat man doch schon eine recht umfangreiche Strafakte bei der Uefa. In Erinnerung möchte ich auch die vorige Saison in der Conference League rufen, bei der es in Prag zu sehr vielen Becherwürfen aus dem Block kam. Und auch den antisemitischen Vorfall beim Heimspiel gegen Haifa.

Und vielleicht ist man deshalb bei der Uefa zu dem Schluss gekommen, dass man Union einen gewaltigen Schuss vor den Bug setzen muss, weil man den Eindruck hat, dass man bei Union den Block nicht unter Kontrolle hat. Und ganz von der Hand zu weisen ist dieser Eindruck nicht, wenn wir uns beispielsweise an die herausgerissenen Sitze in Braga erinnern, die später auch noch in Brand gesetzt wurden.

Pyro im Gästeblock beim Spiel von Union in Braga, Foto: Matthias Koch

Eine Vorwarnung von der Uefa hat es wohl nicht gegeben. Sonst wäre der Schock über die Strafe auf allen Seiten nicht so groß gewesen. Das ist an sich schon interessant, weil der Draht zwischen Union und Uefa schon gut zu sein scheint. Nicht umsonst hatte die Uefa die Verkündung der Stehplatz-Testphase mit einem Bild von Union illustriert und Union gefragt, wann sie denn bekanntgeben, dass sie nicht im Olympiastadion spielen. Denn Union hatte noch in der Vorsaison selbst einen Brief an die Uefa wegen der Zulassung von Stehplätzen geschrieben.

Zusammengefasst: Die Vielzahl an Vorfällen bei relativ wenigen Spielen unterscheidet Union dann möglicherweise von anderen Clubs wie Frankfurt, Köln und so weiter. Die Uefa hat Union also nicht im Fokus, weil es Union ist, sondern weil es etwas gibt, wo es aus Sicht der Uefa hinzuschauen gilt.

Bedroht die Strafe schon das Rückspiel gegen St. Gilloise?

Doch ab wann gilt die Strafe? In der Vereinsmitteilung steht vielsagend: „Die Entscheidung der UEFA ist auf den 01.03.2023 datiert, die Bewertung der Regelverstöße beim Rückspiel ist dementsprechend noch nicht erfolgt.“ Das bedeutet, dass die Bewährung nicht für die Ereignisse im Rückspiel gegen Amsterdam gilt, das am 23. Februar stattgefunden hat und bei dem es erneut zu vielen verschiedenen Zeitpunkten zu Pyroeinsätzen kam.

Dafür dürfte es wahrscheinlich eine separate Strafe geben. Gemessen an der Strafe für das Ajax-Hinspiel, kann es sein, dass die Uefa eine Blocksperre bei einem Heimspiel ausspricht und diese zur Bewährung aussetzt. Ob das nur für einen bestimmten Bereich (vielleicht nur Waldseite) oder das gesamte Stadion gilt? Das lässt sich nur schwer prognostizieren. Vor Gericht und auf hoher See … ihr kennt den Spruch.

Die Botschaft der Uefa ist aus meiner Sicht unmissverständlich: Entweder ihr spielt langsam nach unseren Regeln oder ihr spielt halt nicht mehr mit. Und diese Ansage gilt ab dem nächsten Spiel, also ab Donnerstag. Deswegen gibt es auch keine Entwarnung für die Reise nach Brüssel. Sollte es am Donnerstag weiter an jeder Ecke und zu jeder Zeit brennen, können wir die kreative Ticketbesorgerei für das Stadion in Anderlecht sein lassen und Union ebenso die Bemühungen bei den Belgiern mehr Gästetickets herauszuholen.

Pyro im Gästeblock beim Spiel von Union in Malmö, Foto: Matthias Koch

Was bedeutet die Strafe für das Verhältnis der Unionfans untereinander?

Ich möchte hier keine Diskussion über den Sinn oder Unsinn von Pyro im Stadion anfangen. Dazu hat jede Person eine klare Meinung. Ob sie dafür oder dagegen ist, wird sich durch eine solche Diskussion nicht ändern. Bei Union insgesamt (da meine ich Vereinsführung, aber auch die meisten Fans) gab es bisher den augenscheinlichen Konsens, dass Pyro größtenteils akzeptiert wird, ebenso wie die Strafen dafür.

Ich glaube, dass dieser Konsens, den es so natürlich nirgendwo fixiert gibt, spätestens mit dieser Strafe der Uefa gebrochen ist. Denn Strafen wie Blocksperren für Pyro dürften innerhalb der Fanszene mindestens kontrovers aufgenommen werden (und das ist sehr freundlich formuliert). Schon Malmö war in der Hinsicht eine kleine Zerreissprobe. Schließlich wurden damit auch diejenigen Fans bestraft, die nicht in Malmö waren, aber nach Belgien reisen wollten. Und auch all diejenigen in Malmö, die von den Vorfällen vor Ort überrascht wurden.

Nun ist St. Gilloise nicht das einzig bedrohte Spiel von Union. Denn im Prinzip darf nun 2 Jahre lang nichts passieren, weil sonst eine Blocksperre droht. Das ist der Sinn von Bewährungsstrafen. Und ich mag mir nicht vorstellen, was bei uns fanintern passiert, wenn Union tatsächlich das Viertelfinale erreicht und vielleicht gegen Arsenal gelost wird, aber wegen irgendwelcher Vorfälle eine Auswärtssperre erhält.

Pyro im Gästeblock beim Spiel von Union in Malmö, Foto: Matthias Koch

Bei wievielen Strafen verliert die Vereinsführung die Geduld?

Neben dieser Sicht der Unionfans, die ihren Club im Europapokal auswärts und zu Hause spielen sehen wollen, gibt es noch eine weitere Perspektive. Ich kann mir vorstellen, dass die Vereinsführung keine nach oben offene Kreditlinie für Pyro hat. Wenn bei jedem Spiel Geldstrafen anfallen, dürfte das Kosten verursachen, die so nicht einkalkuliert sind. Dazu kommt, dass Pyro bei jedem Spiel dann auch nichts Besonderes mehr ist. Erst recht, wenn es nicht in eine Art von Choreographie eingebunden ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass deswegen alle Kommunikationskanäle zwischen Szene und Verein abgebrochen werden. Aber vielleicht macht diese Kommunikation gerade beiden Seiten weniger Spaß. Wenn ich mir die Vereinsmitteilung durchlese, dann fühlt es sich so an, als würde gerade etwas genauer hingeschaut und als sei man aktuell nicht bereit, hundertprozentiges Vertrauen zu schenken.

Und jetzt?

Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt, einmal innezuhalten. Wir haben wieder viele Spiele in kurzer Zeit und es dürfte nicht viele Gelegenheiten geben, die hier angerissenen Themen erschöpfend intern in allen Gremien und Gruppen zu diskutieren. Deshalb wäre eine erste Maßnahme, erst einmal auf Pyro zu verzichten, um nicht dem Team auf dem Platz durch fehlenden Support in Folgespielen zu schaden und auch um keinen Riss zwischen Unionfans zu riskieren.

Dann kann in Ruhe darüber diskutiert werden, wie der Einsatz von Pyro in Zukunft so gelingen kann, dass der Verein, Mannschaft und Fans keinen signifikanten Schaden davon tragen. Ich möchte in dem Zusammenhang daran erinnern, dass es ja auch mal einen Konsens gab, zu Hause nicht zu zünden. Möglicherweise kehrt man dazu zurück. Vielleicht gibt es auch ein zurück zu Einmal-Pyro-Aktionen nur zu besonderen Anlässen? Vielleicht wird es auch Zeit für eine neue Art von Konsens. Wie auch immer der aussieht.

Pyro im Gästeblock beim Spiel von Union in Amsterdam, Foto: Matthias Koch

Das einzige, was ich in diesem Zusammenhang noch anmerken möchte: Es ist aus meiner Sicht ein Irrglaube, dass die Szene (die sowieso kein monolithischer Block ist, sondern aus vielen verschiedenen Gruppen besteht) einen Block zu hundert Prozent unter Kontrolle haben kann. Und wenn wir das weiterdenken, wünschen wir uns das auch nicht. Eine Block-Polizei wäre wirklich das letzte. Aber gleichzeitig gehe ich schon davon aus, dass ein Großteil der von der Uefa bestraften Pyro durch ein Innehalten der Szene vermieden werden kann. Für den möglichen Rest dürften angesichts der drohenden Strafe die meisten Unionfans selbst für Löschaktionen bereit sein.

Und noch etwas: Zwar konzentriere ich mich in diesem Text viel auf Pyro, weil das letzten Endes der Anlass für die aktuelle Strafe war. Aber das ist nicht die einzige Art von Vorfällen, die von der Uefa in den vergangenen zwei Spielzeiten moniert wurde. Es geht um das gesamte Auftreten von uns. Auswärts und zu Hause.

Das sind die weiteren Berichte der Berliner Medien zu Union:

Unions Frauen siegen souverän

Gegen Erfurt gelang dem Team von Ailien Poese in der Regionalliga ein 7:1-Erfolg. Mit dabei im Schneegriesel in Adlershof ein Zwillings-Torerfolg. Denn sowohl Katja als auch Dina Orschmann trafen im Spiel. Den ausführlichen Spielbericht findet ihr auf der Vereinsseite.

Das nächste Heimspiel ist jetzt eine Weile weg. Erst am 2. April geht es gegen Eintracht Leipzig Süd weiter. Die Partie findet dann wie gewohnt auf dem Fritz-Lesch-Sportplatz statt.

Podcast

Taktik&Suff haben wieder geliefert. Kaum aus dem Krankenstand zurück gibt das dynamische Podcast-Duo wieder 100 Prozent. Die aktuelle Episode gibt es hier. Neben der üblichen Getränkeverkostung beinhaltet sie auch eine Liebeserklärung an Außenverteidiger. Und wenn ich alles richtig verstanden habe, spielen die weltbesten AVs bei Union.

Wir nehmen unsere Podcastepisode erst heute Abend auf. Seid ab 20 Uhr live dabei.

10 Kommentare zu “Was bedeutet eigentlich die Uefa-Strafe für Union?

  1. Danke Sebastian, mit starker Beitrag. Damit hast du mir aus dem Herzen gesprochen.
    Eisern

    • Dem kann ich mich nur anschließen !!!
      Hoffe „Maria“ ist auch zufrieden ;-)

  2. Danke für die gute und sachliche Einordnung des Themas, so ganz ohne Schaum vorm Mund.

  3. Solange der Bürgermeister nicht wie der von Leuven wieder eine rechtswidrige Verfügung erteilt dürfen unioner in jedem Fall nach Belgien reisen und auch ins Stadion. Eine etwaige Strafe der UEFA würde nur Union verbieten uns Tickets für den Gästeblock zu verkaufen. Dann hieße es also wieder kreativ werden und beweisen dass unioner alle Schranken durchbrechen und sich nicht von solchen kriminellen sagen zu lassen was Recht und was unrecht ist

  4. Macht doch mal eine Umfrage zu Pyros. Würde mich mal interessieren wie die ausgehen würde? Dämlicher Wortwitz, sorry.

  5. Ernamandy

    Jup kann man so stehen lassen und ich bin gespannt, wie das jetzt so hoffentlich umgesetzt wird…so ohne Pyro

  6. Maria Draghi

    Guter Text. Möge er sehr viele zum Innehalten und Nachdenken anregen und dies dann auch Früchte tragen..

  7. Man stelle sich mal ein Spiel von irgendeiner türkischen Mannschaft im Europapokal ohne Pyro vor. Schon komisch, dass etwas das dort als „südländische Atmosphäre“ gilt bei uns einem Schwerverbrechen gleicht…
    Davon abgesehen wäre es vielleicht wirklich sinnvoller, wenn gewisse Personen in nächster Zeit mal etwas die Füße still halten. Die Uefa hat nicht nur an den Pyroaktionen etwas auszusetzen, sondern auch z.B. dass Fans die Fluchtwege versperrten.

  8. […] UEFA Union gefühlt etwas mehr auf dem Kieker zu haben scheint als andere Vereine, könnt Ihr beim Textilvergehen […]

  9. Danke für die vielen schönen Bilder!

    Es sind sich wohl alle einig, dass keiner Lust auf einen weiteren Zuschauerausschluss hat.

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