Ja, Halbfinale. 21 Jahre, nachdem Union zum letzten Mal im Schneegestöber gegen Gladbach an diesem Punkt in einer Pokalsaison stand, hat sich die Mannschaft an einem ähnlich kalten Abend im Stadion an der Alten Försterei mit einem 2-1-Sieg gegen den FC St. Pauli wieder für das DFB-Pokal-Halbfinale qualifiziert und kann sich heute Abend entspannt anschauen, wer dorthin nachkommt.

Aber der Weg dahin war gestern gar nicht so entspannt. In der Zeit, die zwischen dem Führungstor für St. Pauli und dem Ausgleich durch Sheraldo Becker lag, hatte ich die Befürchtung, dies könnte eins der Spiele werden, in denen man einfach kein Tor schießt und ein Spiel verliert, ohne dass es dafür einen besonders guten Grund gibt. Denn gefühlt hatte St. Pauli in den ganzen 45 Minuten bis dahin keinen Ballkontakt im Strafraum von Union. Auch nicht beim Tor durch einen Freistoß, der in der Entstehung unnötig und ärgerlich (weil dem auch eher soften Foul von Timo Baumgartl ein klareres an Paul Jaeckel voranging) und der Ausführung vermeidbar war (vielleicht mit einer Parade von Frederik Rønnow, aber vor allem einem konsequenteren Block).

Aber dann schoss Sheraldo Becker eben dieses Tor, für das es auch keinen guten Grund gab. Und wurde St. Pauli Verteidiger Jakov Medic mit seinem Ausrutscher unter Druck von Andreas Voglsammer mit ein paar Minuten Verspätung für sein elfmeterwürdiges Halten gegen ihn bestraft. Union hat dieses Spiel also auf eine sehr aufreibende Art gewonnen, am Ende ungefähr so knapp, wie ein Schuss von Makieniok in der Nachspielzeit am Tor vorbei ging. Die Art und Weise dieses Siegs ist aber eben a) vollkommen egal und b) überhaupt nicht überraschend. Denn dass Union die Rolle des favorisierten Teams, das das Spiel machen muss, nicht unbedingt super gut passt, war eigentlich klar. Wie Union damit umgegangen ist und wie sich St. Pauli mit einem Formationswechsel auf Union eingestellt hat, beschreibt Till Oppermann in seiner Analyse für den RBB.

Bei St. Pauli wünscht man sich indessen, rechtzeitig vor dem Spiel den Rasen im Stadion mit einer Wünschelrute nach negativer Energie abgesucht zu haben, die für solche Ausrutscher sorgen. Ob man dann jedoch etwas dagegen hätte tun können, weiß ich auch nicht (die Lage des Millernton-Blogs zum Spiel).

Peter Ahrens schreibt im Spiegel über das Spiel und seinen Rahmen. Während er sportlich vor allem hervor hebt, wie mühsam der Sieg für Union war, wundert er sich, dass es beim Aufeinandertreffen zweier Vereine „mit einer genuin politischen Seele“ während des Kriegs gegen die Ukraine nicht einen stärkeren Bezug auf die Situation dort gab. Ich habe mich darüber im Stadion nicht gewundert. Denn gedanklich und emotional stand dieses Thema eben schon am Samstag im Stadion an der Alten Försterei weit im Vordergrund. Natürlich ist in der Ukraine seitdem nichts besser geworden. Aber das Repertoire an Gesten, um die Lage dort zu kommentieren, ist eben auch begrenzt und kann ihr nicht annährend wirklich gerecht werden, und hinterlässt Ohnmacht und Ratlosigkeit. Wenn der DFB sein Logo zu einem Friedens-Zeichen umgestaltet, wird das umso deutlicher (vielleicht noch gemischt mit mehr oder weniger viel Heuchelei).

Das sind die weiteren Medienberichte:

Und sonst so

Christopher Trimmel feiert den Halbfinaleinzug, aber weist auf Instagram vor allem auch auf Hilfsaktionen für die Ukraine hin:

10 Kommentare zu “Halbfinale

  1. Der Link zur Lage vom Millernton linkt zu und-niemals-vergessen-Podcast.de ;)

  2. zentralesMittelfeld

    Nicht das Ticketsystem schießt bei uns die Tore, sondern der Platzwart. Hab genau gesehen, wie in der Halbzeit noch Schmierseife platziert wurde. ;-)

  3. honeypie

    Haben wir uns nicht gegen Bochum zum Halbfinale qualifiziert mit einem Tor durch Ernemann in der 90. Minute? Oder meinst du das Datum? Gegen Gladbach sind wir in Finale eingezogen.

    • Der Bezug war so gemeint, dass wir uns jetzt wieder fürs Halbfinale qualifiziert haben, in dem wir zuletzt in dem Schneespiel gegen Gladbach standen. Hab’s mal unmissverständlicher formuliert.

  4. Typisch Journalist, der bei einem Spiel der „Antikommerzvereine“ (gähn!) und dem politisch links verorteten FC St.Pauli eine Reaktion auf Krieg sehen will.

    • Aus dem Spiegel-Artikel: „Vor der Partie ließ die Stadionregie »Imagine« spielen und auch Bodo Wartkes Antikriegssong »Nicht in meinem Namen«, und im Union-Fanblock auf der Gegengeraden war eine einzelne blaugelbe Ukraine-Fahne zu sehen, aber das war es auch.“

      Stadionregie… Hahaha…

      HA! LB! FI! NA! LE!. Wahnsinn. Eisern.

  5. Daniel vom Schlachthoviertel

    Schade, dass wir jetzt schon St. Pauli rauskegeln mussten und nicht erstim Finale. Denen hätte ich es gegönnt, auch weiter zu kommen. Aber wenn St. Pauli aufsteigt, sehen wir uns ja demnächst öfter. Und wenn dann noch die Hertha absteigt, sieht die ja vielleicht auch den HSV wieder (kicher).

  6. Eiserner Schwerter

    Erinnerte mich gestern an ein 1:0 gegen St. Pauli vor einigen Jahren, als der Ball auf dem Acker StP-Keeper Himmelmann über den Fuß hoppelte und Polter in letzter Minute unbedrängt einschieben konnte.

  7. […] Steffi (Textilvergehen). Apropos Textilvergehen: Dort freut man sich verständlicherweise über das Halbfinale. Weitere lesenswerte Berichte gibt es u.a. beim NDR (inkl. Highlights) und […]

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