Blog State of the Union

Der Fußball hat bei Corona noch keine Perspektive, auch wenn manche Funktionäre so tun

Union spielt heute 15.30 Uhr in Mainz. Das wird ein ekliges Spiel und alles andere als ein Selbstläufer. Dafür muss man sich vom Tabellenbild etwas lösen und stattdessen auf die vergangenen Spiele der Mainzer schauen. Das war keine Mannschaft in Auflösung mehr (die Berliner Zeitung schaut auf das 4:0 im Hinspiel). Es ist allerdings auch trotzdem kein Team, das vor Selbstvertrauen strotzt. Ein bisschen ist es wie so oft in dieser Saison: Es wäre fantastisch, der Heim-Mannschaft gleich etwas zum Nachdenken vorzusetzen.

Das bringt uns zum Thema der Woche: Unions Angriff hat nun so viele Optionen, dass ich tatsächlich gespannt bin, wie Urs Fischer das heute sortiert. Joel Pohjanpalo ist eine Option, mindestens als Einwechselspieler, dazu Leihspieler Petar Musa und Taiwo Awoniyi. Und Leon Dajaku gibt es auch noch. Einen Hauch mehr Effizienz als in den vergangenen Spielen ist alles, was ich mir für heute wünschen würde.

Petar Musa könnte sich heute in Mainz erstmals in einem Pflichtspiel für Union das Trikot überziehen, Foto: Matze Koch

Hier sind die Vorberichte zur Partie in Mainz:

Wie erwartet verleiht Union Tim Maciejewski bis Saisonende zu Austria Klagenfurt (Vereinsmitteilung). Beim österreichischen Zweitligisten wird er mit Lennart Moser zusammen spielen.

Corona und der Sport

Das bringt mich zu einem Thema, bei dem ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Bei dem Gezerre um die Champions-League-Spiele gegen englische Mannschaften, die nun wohl einfach nicht in Deutschland stattfinden (Kicker)? Bei der Regionalliga Nordost, die laut eigener Mitteilung am 1. März den Spielbetrieb wieder starten will? Bei den vielen Vereinen und Mannschaften (auch des 1. FC Union Berlin), die seit über einem Vierteljahr nicht mehr als Teams trainieren durften?

Ich fange mal ganz persönlich an. Bisher hat mich recht froh gemacht, dass ich auf unseren mehrfach verschobenen Ostsee-Urlaub zu Ostern blicken konnte. Das war meine Marke, auf die ich in diesem in jederlei Hinsicht beschissenen, trübseligen Winter geschaut habe. In dieser Woche ist mir klar geworden, dass das wohl alles nichts werden wird. Wir beobachten zwar fallende Infektionszahlen, doch das Aussperren der Virus-Mutation dürfte sehr wahrscheinlich nicht gelungen sein (in der Süddeutschen Zeitung gibt es eine ganz handliche Zusammenfassung über verschiedene Szenarien). Das hat mich echt mehrere Tage heruntergezogen.

Aber das bringt mich zu einem Punkt, den ich nicht verstehe. Ich sehe, dass sich sehr viele Akteure öffentlich äußern, als wäre das beste Szenario, nämlich das eines Abflauens der Pandemie mit Beginn des Frühjahrs und einer gleichzeitig vielleicht doch mal anlaufenden Impfkampagne, auch das wahrscheinlichste. Wenn ich nur auf den Sport schaue, sehe ich es ehrlich gesagt nicht so kommen, dass wir über EM und Olympia im Sommer sprechen. Ich sehe auch kaum eine Wahrscheinlichkeit für einen Regionalliga-Start am 1. März. Oder für eine Weiterführung europäischer Wettbewerbe im Februar und März.

Nicht, weil ich das nicht will. Ganz im Gegenteil. ich wünsche mir nichts sehnlicher als eine Rückkehr in den Alltag. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder und meine Eltern. Und für all diejenigen, die von der Pandemie tausendfach härter getroffen wurden als ich. Aber bei alldem, was wir zur Zeit beobachten können, sehe ich vor allem eine Verweigerung der Realität. Sollte sich in Deutschland das entwickeln, was wir in Großbritannien oder Dänemark beobachten konnten, werden selbst die bisherigen Maßnahmen nicht mehr ausreichen.

Wann diese Schilder der Vergangenheit angehören, wissen wir noch nicht, Foto: Matze Koch

Wie kann man dann guten Gewissens bei Ministerien fordern, dass zum 1. März der Spielbetrieb in der Regionalliga Nordost gestartet wird? Wir wissen überhaupt nichts über das Infektionsgeschehen bis dahin. Wie kann man da eine Ausnahmegenehmigung für ein Champions-League-Spiel von Liverpool in Leipzig fordern? Wie kann man einfach so tun, als würde selbstverständlich die Europameisterschaft über den gesamten Kontinent verteilt einfach mit einem Jahr Verspätung stattfinden?

Wir wissen gar nichts, und wir haben auch keine seriöse Perspektive. Und wer sagt, wir sollten einfach mal in zwei Wochen wieder schauen, oder das würde im Frühjahr schon irgendwie, streut uns Sand in die Augen. Denn selbst wenn in Deutschland alles tutti wäre, so ist dieses Land keine Insel. Wir befinden uns mitten in Europa, und wir leben von offenen Grenzen. Es müsste also schon in ganz Europa prima werden. Um es kurz zu machen: Wir können froh sein, wenn zumindest die Bundesliga wie bisher weiter machen kann und uns so einigermaßen die Wochen strukturiert.

Tusche versteigert sein Derby-Jacket

Tusche versteigert dieses Jacket mit eingenähtem Trikot zugunsten der Union-Stiftung. Das aktuelle Gebot liegt bereits bei unfassbaren 3000 Euro.

Als Freund des Dart-Sports habe ich mich sehr gefreut, dass auch Gabriel „Gaga“ Clemens unter Tusches Foto bei Instagram kommentiert hat.

Unruhe in der Bundesliga

Und vielleicht als Lese-Empfehlungen, wenn ihr in dieser Woche nicht so viele News mitbekommen habt, drei sehr verschiedene Beispiele für Unruhe in der Bundesliga:

Köln: Ein Medien-Direktor wird früher vorgestellt als geplant, weil sich jemand im Verein bei einem Interview verplappert hat, und dann fällt auf, dass dieser mögliche neue Mitarbeiter früher etwas heftig gegen die Effzeh-Fanszene ausgeteilt hat und AfD-Moves gut fand. Der Verein stellt den Mitarbeiter dann doch nicht ein. Die Woche in Köln fassen die 11Freunde gut zusammen:  „Fritz Esser passt her­vor­ra­gend zu uns“

Mainz: Beim 1. FSV Mainz 05 hat die Wahlkommission Personen (auch frühere Aufsichtsratsmitglieder) nicht zur Wahl des Aufsichtsrates zugelassen, obwohl die maximale Zahl der Bewerber gar nicht erreicht wurde. Hier zeigt sich, das vorgelagerte Kommissionen zwar im besten Sinne eingerichtet werden können, um Entscheidungsprozesse nicht unendlich lang werden zu lassen. Sie können aber auch dazu führen, dass Intransparenz in demokratische Prozesse kommt und Wahlen damit ad absurdum geführt werden.

Ähnliches gibt es beim VfB Stuttgart, wo eine Kommission über die Zulassung von zwei Kandidaten zur Präsidentschaftswahl entscheidet. Und wir erinnern uns, dass Union ursprünglich eine Kommission einrichten wollte, durch die Satzungsvorschläge müssten, um zur Mitgliederversammlung zugelassen zu werden. Wir sehen, dass bei solchen zwischengeschalteten Gremien absolute Transparenz wichtig ist, wenn sie nicht Missbrauch Tür und Tor öffnen sollen. Eine Zusammenfassung gibt es beim SWR: „Ärger vor Mitgliederversammlung: Aufsichtsratsmitglieder bei Mainz 05 aussortiert“

Stuttgart: Beim VfB wurden vor der Ausgliederung der Profiabteilung Daten von Mitgliedern herausgegeben, um sie mit Daten einer VfB-Facebookseite abzugleichen. Das Thema beschäftigt nicht nur den Landesdatenschutzbeauftragten, der ein Bußgeldverfahren gestartet hat, was sehr teuer werden kann (aber nicht muss). Es gibt möglicherweise Personen im Verein, die an einer Aufklärung des Falls nicht interessiert sind. Und vielleicht stellt sich hier auch die Frage, wieviel ein Verein bei der ausgegliederten Kapitalgesellschaft noch zu melden hat. Einfluss auf die Präsidentschaftswahl hatte der Fall bereits. Der Spiegel hat in seiner aktuellen Ausgabe (Bezahl-Link) eine Zusammenfassung der Vorgänge beim VfB: „Wie der VfB Stuttgart seine Mitglieder verriet“

Diese Fälle sind durchaus exemplarisch für Vereine, die bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen (Wettbewerbsungleichheit in der Bundesliga, eigene sportliche Situation, Corona-Pandemie) noch keinen strategischen Weg gefunden haben, hinter dem sich der größte Teil des Clubs vereint. Hier fällt auf, wie das seit gut 15 Jahren beim 1. FC Union recht gut funktioniert, ohne dass die Streitkultur im Verein prinzipiell erlahmt wäre. Es ist aber auch so, dass Union für bestimmte Herausforderungen (Was passiert beispielsweise, sollte 50+1 als Regel offiziell fallen?) noch keine Lösungen offen diskutiert hat. Auch die personelle Kontinuität ist nicht für ewig. Es ist also alles keine Selbstverständlichkeit.

13 Kommentare zu “Der Fußball hat bei Corona noch keine Perspektive, auch wenn manche Funktionäre so tun

  1. Christian

    „Wie kann man dann guten Gewissens bei Ministerien fordern, dass zum 1. März der Spielbetrieb in der Regionalliga Nordost gestartet wird?“
    Das erscheint mir jedenfalls weniger absurd als der Ansatz „Wir machen jetzt alle solange überhaupt nichts mehr, bis es keine Viren mehr gibt“.

    • @christian Das ist richtig. Aber das habe ich auch nicht gefordert. Ich habe gar nichts gefordert. Mir reicht es ehrlich gesagt im 11. Monat der Pandemie irgendwas hingereicht zu bekommen, dass dann wieder nicht stattfinden wird. Was dagegen hilft? Klare und einheitliche Kriterien vielleicht, die uns allen vermitteln, ab wann wieder was möglich ist. Dann muss auch nicht jeder irgendwas fordern und gleichzeitig kann so auf lokal unterschiedlich hohes Infektionsgeschehen reagiert werden. Aber was weiß ich schon. Ich warte einfach darauf, dass meine Kinder nächste Woche wieder zur Schule müssen, um dann in zwei Wochen wieder zu Hause zu hocken. Ja, mein Frust ist hoch.

    • „Was dagegen hilft? Klare und einheitliche Kriterien vielleicht, die uns allen vermitteln, ab wann wieder was möglich ist.“
      HaHa, ja genau z.B. eine Inzidenz von unter 50, oder ach nee lieber doch unter 25, oder vielleicht unter 10 ? Ach Scheiß drauf lassen wir es lieber gleich bleiben, wen interessiert schon das Geschwätz von gestern.

    • Christian

      Aber Sebastian, dafür können die Fußballvereine doch nichts? Ich verstehe den Beitrag nicht so recht. Er klingt wie ein Plädoyer für Defätismus.

    • @christian Ich habe doch gar nicht von Fußballvereinen konkret gesprochen. Es geht eher darum, dass auf Funktionärsebene so getan wird, als könnten Wettbewerbe einfach so weiter stattfinden, auch wenn sich die Umgebungsvariablen möglicherweise ändern. Es gibt schon eine Menge Graustufen zwischen „Wir machen einfach weiter“ und „Wir lassen alles sein“. Und mir fehlt das ein bisschen in der Debatte. Auf den Sport bezogen. Aber du kannst das natürlich auf andere Bereiche wie beispielsweise Bildung beziehen, wo die Diskussion hauptsächlich zwischen den Linien Präsenzunterricht oder Homeschooling verläuft.

      Plädoyer für Aufgeben? Sehe ich nicht so. Ich bin einfach nur sehr ernüchtert.

  2. Berliner kindl

    Warum sollte in dein Augen die Regionalliga nicht auch spielen wenn es die anderen 3 doch auch tun?

  3. Die Beispiele aus Stuttgart, Mainz und Köln sind in meinen Augen in allererster Linie Beispiele dafür, was passieren kann, wenn eine demokratische Kontrolle nicht mehr funktioniert, was in allen drei Fällen unterschiedliche Gründe hat.

    Und in diesem Kontext hat mir die letzte Folge von drei90 ein stückweit die Augen geöffnet: was hilft die Rechtsform des Vereins bzw. des Muttervereins als Eigentümer, wenn man nur noch Pappnasen als Mitglieder hat, denen Tickets und materielle Gegenwerte (Trikots, Hoodies etc.) wichtiger sind als das Wohl und Wehe des Vereins, und die deshalb ganz leicht von machtgeilen Vorständen instrumentalisiert werden können.

    Eisern.

  4. mal ne sportliche frage: da die refionalliga schon seit monaten nicht spielt, wie hat sich eigentlich RW Essen auf das Pokalspiel vorbereiten können?
    Haben die Pillenkusen ohne jegliche Vorbereitung einfach mal so ausm Pokal gehauen? :)
    also so oder so nen toller sieg. aber die frage hat sich mir schon gestellt… weiß da jemand was sachdienliches?

  5. Naja, aktuell regt sich auch keiner auf, dass die Regionalligen West und SüdWest spielen. Warum soll das für die Regionalliga Nord nicht auch möglich sein?

  6. Maria Draghi

    Wolltet ihr nicht auch noch einen Podcast mit eurer Sicht auf die Finanz-Zahlen produzieren?
    Ich meine, viel zu diskutieren gibt es ja nicht. Einerseits fielen die Zahlen besser aus als befürchtet, andererseits gab es dieses Jahr auf der MV auch nicht wirklich eine Diskussion dazu (die meisten Fragen, die zu den Finanzen auf der MV online gestellt wurden, hätte sogar ich beantworten können).

    • Ja, aber wir machen das hier nicht hauptberuflich.

    • Maria Draghi

      Kein Stress. ich gehöre noch jenen Generationen an, für die eine simple Frage noch kein Sprungbrett für einen Shitstorm ist. :-)))

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