Blog State of the Union

Union spielt mal wieder wie Union und hat das Derby daher mehr verloren, als es Hertha gewonnen hat

Sebastian hat es gestern noch einmal schön ausformuliert. Ohne Menschen ist Fußball nur ein Sport. Die gegenseitige Rivalität lässt sich schwer zum Kontrahenten transportieren, wenn man nicht im Stadion ist. Ich habe daher einen ungewöhnlichen, vielleicht auch kritikabelen Weg gewählt, um doch ein bisschen Derby-Stimmung zu erleben. Ich habe das Spiel erstmalig mit der Gegenseite, mit einem befreundeten Herthaner geschaut.

Wenigstens bei der Ankunft (nach dem Spiel) des Mannschaftsbuses kam dann doch noch so etwas wie Derby-Atmosphäre auf, Foto: Matze Koch

So richtige Emotionen kamen dann aber trotzdem nicht auf. Klar gab es das ganze Spiel über Frotzeleien und wir haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten gejubelt. Am Ende war es aber dann doch recht friedlich. Mein Puls war also nicht ansatzweise mit dem von Anfang November letzten Jahres vergleichbar.

Trotzdem habe ich mich natürlich über das Spiel bzw. über den Spielverlauf geärgert. Der Grund ist ganz einfach und lässt sich so treffend zusammenfassen: „Insgesamt haben wir das mehr verloren als Hertha es gewonnen hat.“ So hat es ein Bekannter von mir ausgedrückt, und habe auch ich es wahrgenommen. Wahrscheinlich ging es den meisten Unionerinnen und Unionern gestern Abend gegen halb elf so.

Awoniyi wird vom Team für sein Tor beglückwünscht, Foto: Matze Koch

Dennoch lässt sich auch aus diesem Spiel viel Positives mitnehmen. Das Team von Urs Fischer muss sich nämlich im Gegensatz zum letzten Geisterspiel-Derby in der Gesamtbetrachtung wenig Vorwürfe machen. Vielleicht ist der größte, dass es nach sehr langer Zeit mal wieder wie Union gespielt hat.

Insgesamt stand die Mannschaft defensiv sehr kompakt, verschob gut in den Räumen und ließ Hertha somit kaum zu Entfaltung kommen. Auch in den Zweikämpfen war Union sehr präsent (Zweikampfquote: 54 zu 46 Prozent). Allerdings war die Passquote deutlich schlechter als in den vergangenen Spielen und somit die Durchschlagskraft nach vorne kaum gegeben. Was natürlich mit einem weiteren Punkt zusammenhängt. Robert Andrich schien gestern (nach seiner dahingehend bisher sehr ruhigen Saison) etwas zu übermotiviert zu sein und sah völlig zurecht die rote Karte, sodass Union über 60 Minuten in Unterzahl agieren musste. Ein Phänomen, welches vor allem zu Zweitligazeiten oft beobachtet werden konnte, kam zudem noch hinzu: Die eigentlich starke Mannschaftsleistung wurde durch kleine Unkonzentriertheiten, unglückliche Aktionen und individuelle Fehler ( Luthe, Ryerson, Lenz) zunichte gemacht.

Trotzdem gab sich die Mannschaft ganz Union-like zu keinem Zeitpunkt auf und bäumte sich selbst nach dem 3:1 noch einmal auf. Für mich ist das nach all den euphorischen Wochen irgendwie auch eine schöne Erkenntnis. Ab und zu fällt diese von Urs Fischer geformte Maschine doch in altbekannte Muster zurück und beginnt zu stottern. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass auch gestern wieder vier Neuzugänge in der Startelf standen und sich die Mannschaft permanent entwickelt.

Vermutlich kommt Urs Fischer die Niederlage nichtmal komplett ungelegen. So muss er immerhin nicht mehr die Europa-Pokal-Fragen beantworten und kann die Mannschaft für die anstehenden, schweren Wochen schärfen. Insgesamt war gestern vielleicht auch einfach nicht mehr drin. Mein Hertha-Kumpel offenbarte mir nämlich noch, dass Piatek auf polnisch Freitag bedeutet.

Hoffen wir einfach darauf, dass das Rückspiel an der Alten Försterei vor Zuschauern an einem anderen Wochentag stattfindet. Dieses Spiel würde dann nämlich nicht nur wirkliche Emotionen bei allen Beteiligten auslösen, sondern auch das Stadtmeister-Thema angemessen beantworten. Ich bin da nämlich ganz bei Rafal Gikiewicz.

Kruses Verletzung trübt eventuell schwerer als die Niederlage

Schlimmer als die zu diesem Zeitpunkt schon feststehende Niederlage, könnte sich die Nachspielzeit erweisen. Max Kruse blieb wenige Sekunden vor Spielende im – nebenbei erwähnt ziemlich Acker-mäßigen – Rasen im Olympiastadion hängen und humpelte gestützt vom Platz.

Max Kruse verlässt mit einem Betreuer den Platz, Foto: Matze Koch

Hoffen wir einfach, dass sich die Verletzung als nicht ganz so gravierend herausstellt. Eventuell kann Kruse ja morgen im Doppelpass im Gespräch mit Sebastian schon Entwarnung geben. Dann werde ich wohl nach Jahren auch mal wieder einschalten…

Torwartdiskussion

Neben einer möglichen Verletzung von Kruse wird in den nächsten Tagen wohl die Torwartdiskussion an Fahrt aufnehmen und im Mittelpunkt der medialen Betrachtung stehen. Andreas Luthe sah vor dem 1:1 unglücklich aus (allerdings muss auch erwähnt werden, dass sich Cunha viel zu leicht durch das Union-Mittelfeld dribbeln konnte und Torschütze Pekarik völlig frei stand) und offenbarte vor dem 1:2 fußballerische Schwächen.

Auch in der Berliner Zeitung hat man sich mit dieser Thematik befasst. Ich finde gut, wie dabei darauf eingegangen wird, dass der Torwart manchmal die ärmste Sau ist und Urs Fischer seine Entscheidung vermutlich nicht anhand des aufziehenden Mediensturms treffen wird.

Weitere Medienberichte zum Derby

9 Kommentare zu “Union spielt mal wieder wie Union und hat das Derby daher mehr verloren, als es Hertha gewonnen hat

  1. Danke für die treffende Zusammenfassung, Felix! Besonders der Satz „Insgesamt haben wir das mehr verloren als Hertha es gewonnen hat.“ bringt es 100% auf den Punkt.

    Ich habe mir die ersten 20 min. mit selektivem Fokus auf KidRob noch einmal angeschaut und es war fast skurril, wie krass neben sich er stand. Er hatte eigentlich keine einzige saubere Aktion und null Spielrhythmus bis zu seiner roten Karte.

    Was ich an der Stelle aber (natürlich aus meiner Union Brille) noch loswerden muss, insbesondere weil es mich schon wundert wie einseitig die Rot-Szene (selbst von Unionern) bewertet wird: klar kann man rot geben, aber muss Brych es auch? Wenn er alle Augen zudrückt („keine Absicht“, „er trifft zunächst den Ball“ etc.) und nur gelb gibt, hat Andrich viel Glück gehabt, okay, aber die Stadtmeisterschaft ist nicht auf einen Schlag kaputt und (vor)entschieden. Wenn man ROT zeigt, zerstört man damit das Spiel. Und das hätte Brych in dem Moment doch in seine Entscheidung einbeziehen können ohne dass Brych eine krasse Fehlentscheidung vorgeworfen worden wäre. Mho

    Gute Besserung, Max!

    Und Kopf hoch, Ihr Eisernen, besonders Andi!
    Ihr habt in Unterzahl einen sensationellen Kampf abgeliefert.

    U.n.v.E.U.

    • Sehe ich genauso…ist dunkelgelb gewesen, aber nicht klar rot. Das Bein war nicht gestreckt, und die Aktion galt keinesfalls dem Gegner sondern nur dem Ball…
      Ansonsten fand ich noch interessant, dass Luthe nach dem Spiel der Meinung war, den Ball nicht besser/anders parieren zu können…hmmm…

    • Chrissy M.

      Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

      Unsere Mannschaft hat gekämpft, und manchmal muss man halt eine (berechtigte) Niederlage hinnehmen. Doch das lässt uns doch nicht unterkriegen. *kämpfen & siegen* fällt mir dazu nur ein und nach dem Spiel ist vor dem Spiel; also alle Augen nach vorn gerichtet und nicht nach hinten.

      An dieser Stelle „Gute Besserung an alle Blessurtragenden.“ Nun können auch die anderen einmal zeigen, was in ihnen steckt – und wenn eines sicher ist bei Union, dann das wir ein TEAM sind… *Daumen hoch*

      In diesem Sinne „immer schön Eisern bleiben“ – und noch einen erholsamen Sonntag.

  2. silberhacke

    auf mich wirkte andrich, als hätte er eine rechnung mit hertha offen. von beginn an hat er unsauber und übermotiviert agiert – ellenbogen in den rücken als standardmittel. damit hat er den focus schon mal deutlich auf sich gelenkt. der brych wird sich nach den ersten beiden heftigen einstiegen gesagt haben, ok junge, bei der nächsten aktion siehst du gelb. dann landet der schlappen aber frontal am kopf des gegners – folgerichtig rot. von einseitiger beurteilung kann da nun wirklich nicht die rede sein. härte im zweikampf, die wir bei union sehen wollen, bleibt weitestgehend sportlich fair. wir waren extrem gut drauf gestern, aber diese aktion – bei 0:1 führung im mittelfeld … – war extrem sinnlos und hat uns den stecker gezogen.
    klar, man kann jetzt, wie hier im blog festhalten und feiern, dass wir die partie nicht abgeschenkt und weiter gekämpft haben. man kann brisant einflechten, das spiel mit einem herthaner gesehen zu haben. aber addiert man das zu den vortägigen statements bezüglich der leidenschaftslosigkeit, mit der man in diesen spieltag geht, dann entsteht zumindest in mir ein eindruck vollkommener belanglosigkeit.
    es gibt momentan keine anderen spiele von union zu sehen. findet euch damit ab. ihr müsst nicht jeden tag eine zusammenfassung der pressemitteilungen erstellen. macht pause, wenn es nichts gibt. oder wagt einen ausblick, wie es erfolgreich auch ohne kruse und andere verletzte weiter gehen kann. irgendwas sollte glühen in einem fanblog, wenn es schon keine pfanne ist.

    EISERN

  3. Naja, natürlich wurde der Artikel mit der Vereinsbrille auf verfasst. Nüchtern gesehen, hat Hertha die Unioner das gesamte Spiel dominiert und Stück für Stück bearbeitet. Union wurde immer mehr in die Defensive gedrängt und dann kamen Dilrosun und Piantek und haben ihre individuelle Klasse ausgespielt. Daher 100% hat Hertha das Spiel verdient gewonnen und Union hat es nicht wie hier beschrieben „Mehr verloren als Hertha es gewonnen hat“. Aber der Artikel sollte ja auch nur Balsam auf die Wunden sein und die Erkenntnis, dass man schön wieder auf dem Boden gelandet ist nach dem Höhenflug zu Saisonbeginn. Die Ausreden, dass es mit 11 vs. 11 besser geendet wäre, ist spekulativ und zählt nicht. Die Karte war glasklar und vertretbar. Wer mit der Sohle den Gegner im 2. Stock ins Gesicht tritt, fliegt halt.

    • „Nüchtern gesehen, hat Hertha die Unioner das gesamte Spiel dominiert und Stück für Stück bearbeitet.“
      Nun, dann habe ich am Freitag entweder ein anderes Spiel gesehen oder eine andere Definition von dominiert. Bis zur Pause ist Hertha trotz Überzahl genau zweimal in die gefährliche Zone vor dem Union-Tor gekommen. Und auch nach der Pause brauchten sie immerhin, ich will es mal zwei unglückliche Aktionen von Luthe nennen um überhaupt was zählbares raus zu holen.

  4. @Andreas
    dieses Spiel habe ich auch gesehen.

    Hinterher ist man immer schlauer. Den Stürmer A. in den Bereich des rot gesperrten R.A. einzusetzen und M.K. sich „vorne“ abarbeiten zu lassen, war nicht gut.
    Rot für R.A. Ist immer möglich, daher sollte man sich das eventuell mal ansehen, um bei ähnlicher Situation besser agieren zu können.

  5. Kevin, geh´ wo Du wohnst!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert