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Eingefrorenes Bier

„Hinsetzen! Hinsetzen! Hinsetzen!“ schallt es von hinten. Gerade wurde das Spiel angepfiffen und genau eine Viertelstunde vorher die Zuschauer gebeten, sich auf ihre Plätze zu begeben. Die Jungs, die vorher noch eifrig mit ihrer Fahne wedelten, sitzen brav auf ihrem Plastiksitz und harren der Dinge.

Borussia Mönchendgladbach zu Gast im Olympiastadion. Drei Punkte müssen her. Vor dem Stadion werden Aufholjäger-Shirts verkauft. Von Elektrisierung allerdings wenig zu spüren. Der innere Motor möchte einfach nicht anspringen bei diesen niedrigen Temperaturen. Aber mit Anpfiff ist der ganze Ärger über laute Musik, laute Stadionsprecher und laute Werbung dahin, die die Vorfreude auf das Spiel gar nicht erst haben aufkommen lassen. Jetzt wird geklatscht. Jetzt wird gesungen. Und das alles im Stehen. Und zwar bevor der Motor komplett einfriert.

gefrorenes_bier

Ganz oben am Oberring angekommen. Hier meckert keiner mehr, wenn die Zuschauer stehen. Denn da pfeift nur noch der Wind. Und unten versucht die Mannschaft, den Gladbacher Riegel zu knacken, ohne allerdings sich im Gegenzug völlig zu entblößen. Schreien. „Lauf Lutscher!“ – „Zur Grundlinie!“ – „Nun hilf ihm doch mal auf außen!“ Torchancen entstehen. Torchancen werden vergeben. Zufällig herausgespielt. Hier und da eine starke Einzelaktion. Allerdings kaum der Versuch, das Spiel auseinanderzuziehen.

Dingdong. Tor in Bremen. Dingdong. Tor in Nürnberg. Dingdong. Tor in Bochum. Eckballverhältnis wird präsentiert von Schlagmichtot. Dingdong. Swooosh. Die Schussgeschwindigkeit präsentiert von Kackmichzu. Was passiert eigentlich auf dem Feld? Elfmeter. Drobny hält. Der positive Schwung verpufft. Halbzeit. In der Zwischenzeit ist das Bier eingefroren. Schollen treiben auf der Oberfläche. Die Flüssigkeit ist mit Kristallen durchsetzt.

In der zweiten Hälfte beim Spiel auf die Ostkurve wird das Dilemma offenbar. Einige schöne Pässe kommen ob nicht abgestimmter Laufwege nicht an. Und ab Höhe Strafraum wird Richtung Tor abgebogen, anstatt über die Grundlinie den Ball in den Rücken der Abwehr zu spielen. Gladbach will nicht mehr als einen Punkt holen und Hertha fehlt die Idee eines eigenen Spiels.

Und immer wieder dingdong und swooosh. Konzentration auf das Spiel ist schwierig. Zwischendurch werden die Schalker mit Liebesgrüßen bedacht. Warum Schalke? Es geht um Hertha. Und da unten steht Gladbach. Jubel bei Bremer Toren gegen Bayern. Eigentlich momentan in einer anderen Welt. Abstiegskampf – Fehlanzeige. Konzentration aller auf ein Ziel – leider Fehlanzeige. Zu solchen Spielen müsste eigentlich das ganze Stadion die Ostkurve sein. Passend dazu eine Szene in der übervollen S-Bahn danach: Blau-weiße Massen stürzen hinein, hüpfen und schlagen gegen die Scheiben. Sie singen. Zwei Herthaner planen ihre Reise nach Lissabon. Plötzlich schreit der eine: „Könnt ihr mal ruhig sein alle!“ Um sich danach etwas ruhiger aber verachtungsvoll über die „Erfolgsfans“ aufzuregen. Auf Platz 18. Der Abstiegskampf ist wirklich noch nicht überall angekommen.

13 Kommentare zu “Eingefrorenes Bier

  1. bimmelbammel

    dingdong

    ich lach mich schlapp
    ich war noch nie im oly beim hertha spiel…so richtig schein ich nix verpasst zu haben…aber jetzt muss ich da ma hin um meine „vorurteile“ zu bestätigen…dingdong

    keene vorurteile gegen hertha oder herthaner sonder nur vom event-tempel olympiastadion bei hertha spielen…im JSP beim spiel hertha gegen bröndby war ausser dem komischen stadionsprecher und die anscheinend angebohrene angewohnheit von herthanern ,mit ner karte inner hand und den köpfen zum boden gesenkt ,ihren sitz zu suchen ja nichts so richtig eventmässig…

    dingdong

  2. Mir ging es gar nicht so sehr um Kommerz hin oder her. Aber die Konzentration auf ein Fußballspiel, und dann ein solch wichtiges dazu, war einfach nicht gegeben. Und ehrlich gesagt, ist es verdammt schwer gegen solch einen Lärmpegel aus den Lautsprechern anzukommen. Da reicht Ostkurve nicht aus. Da müssen alle im Stadion mitmachen.
    Und ich habe mich persönlich sehr auf das Spiel gefreut und bin sehr dankbar, dass an mich gedacht wird, wenn eine Karte da ist. Aber es wurde mir wirklich schwer gemacht, die Hertha anzufeuern. Das nächste Mal, wenn ich der Hertha einen Besuch abstatte, stehe ich halt woanders.

  3. bimmelbammel

    ick werds mir bei gelegenheit mal angucken und dann davon berichten

  4. Ich war mal bei nem Spiel, da hat der Stadionsprecher ne La Ola angeordnet, die kam aber nicht in die Gänge (ziviler Ungehorsam?), sie fand nicht statt, wurde dann aber doch nach imaginärem Ende von der Bewag präsentiert. In der Halbzeitpause stapfte ein Polizeiorchester trötend übers blaue Rund, den ganzen Rest vom Evant hab ich vergessen.
    Ist ne Weile her, war ungefähr das fünfte, also jedes Mal dort, daß ich mir versichert habe, in diesem einzigen Fall den Fernseher dem Liveerlebnis vorzuziehen. Seit dem halt ich mich dran.

    Auch weiß ich gar nicht, was so schlimm sein soll, wenn Hertha absteigt. Die paar Herthaner, die ich kenne, können sich dann beweisen.

  5. In der Gegengerade in Pauli gabs am Samstag auch kein Bier: Leitungen eingefroren. Dem Spiel hätten in der zweiten Halbzeit ein paar Astra aber gut getan.

  6. @Sebastian: Das grenzt ja schon an Genusssucht! ;)

    Ich verfolge allerdings auch, was sich da bei der alten Tante so tut(Sportschau – muss reichen). Und scheinbar wird das kommende Heimspiel am 30. Januar nun der entscheidende Scharfrichter. Da steht ja eventuell vor dem Transferschluss am 31.01. noch so einiges an. Selbst wenn Werner „Wischmop“ Gegenbauer gestern Abend eifrig dementierte,was das „Leib-und Magenblatt“ BZ so bzgl. der Spielerverkäufe zusammenschmierte.

  7. na
    da werden aber die Bayern wieder über den „berühmten“ grünen Klee gelobt;
    wie war das noch vor – wenigen Wochen – ?
    der Trainer hält sich nicht lange
    die „Überlegungen“ div. Fach-Reporter in versch.
    Blättern;

    na dann warten wirs einfach ab.
    schöne Woche

  8. @woki04 Dass sich Bayern in einer anderen Welt befindet, war aus der Sicht der Hertha geschrieben. Für die ist, realistisch gesehen, momentan jeder einstellige Tabellenplatz in einer anderen Welt.

  9. Also ich bin ja sonst immer ordentlich dabei beim Anfeuern, aber am Samstag ging nicht viel. Es war einfach alles eingefroren. Ging wohl vielen so.
    Und das „Dingdong“ und so finde ich gar nicht so ablenkend. Ist doch die Frage, ob man sich ablenken lässt. Mich stört’s jedenfalls nicht. Im Gegenteil, ich will schon wissen, wie es in den anderen Stadien steht. Und bei dem anderen Kram guck ich oft gar nicht hin, wenn ich überhaupt mitbekommen habe, dass da was eingeblendet wird.

    Naja, in der Alten Försterei ist bestimmt alles besser. Ich guck mir die diese Rückrunde irgendwann noch an. Wenn’s wieder wärmer wird :-)

  10. @maria vielleicht bin ich der Frank Schirrmacher unter den Stadiongängern und komme mit dem ganzen Input einfach nicht klar :)
    Ernsthaft, mir fehlt die Bindung zum Spiel. Und zwar zwischen Fans und Spiel. Vor allem war ich negativ beeindruckt vom Gleichmut auf den Rängen. Die Ostkurve nehme ich da aus. Aber es war auch tatsächlich sehr kalt. Und vielleicht erlebt die alte Dame noch einen wunderbaren Frühling.

    PS: In der Alten Försterei alles besser? Weiß ich nicht. Es ist viel Gewohnheit dabei. Aber ich war auch nicht im Olympiastadion um einen Vergleich zu Union zu ziehen. Ich wollte Hertha sehen.

  11. Und ich will Union sehen :-)
    Mich freut es übrigens sehr, dass es Union- und Hertha-Fans gibt, die sich für das Schicksal des jeweils anderen interessieren, und zwar nicht nur, um schadenfreudig zu sein.

  12. Ich glaube weiterhin an Hertha. Und ich setz mich nie wieder außerhalb der Ostkurve. Ich feuere die Mannschaft immer an, bin auch gegen Bochum da. Aber das mit den Erfolgsfans kann sich Hertha nich so aussuchen. Hertha is nu mal der größte Berliner Verein, da is das wohl vorprogrammiert… trotzdem ist unsere Kurve nicht schlechter als die der Unioner, eher noch größer. Aber das verliert sich halt leider in nem riesen (trotzdem schönen)stadion und den ganzen eventzuschauern.

    Hertha bleibt erstklassig!

  13. […] beschreibt im Textilvergehen eine Problematik, die uns noch viel mehr drohen könnte. Zwar hat die Hertha mit Berlin ein […]

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