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Im Westend nichts Neues: Eine Niederlage, die dennoch Mut macht

Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, vielleicht wären wir alle, trotz verstopften und dadurch verspäteten S-und U-Bahnen, mit grinsenden Gesichtern nach Hause gefahren. Ja, vielleicht wäre alles ganz anders verlaufen und ich hätte heute einen komplett anderen Text schreiben können. Vermutlich wäre es vor allem für die Mannschaft, für dieses wacker kämpfende Team eine Art Erlösung gewesen, endlich mal wieder etwas Zählbares erreicht zu haben.

So aber lief die 65. Spielminute und ich wurde Zeuge der größten bzw. unmittelbarsten Jinxerei, die ich persönlich bei Union-Spielen je erleben musste. Gerade als eine neben mir stehende Freundin (gute Besserung fürs Knie!) die verbesserte Abwehrarbeit von Union lobte und ich ihr zustimmend antwortete, zappelte der Ball im Kasten von Frederik Rønnow: Raspadori hatte für Napoli mit der einzigen echten Chance getroffen und der 1. FC Union Berlin sollte durch dieses Tor nicht nur sein drittes Champions League-Spiel sondern auch das 9. Pflichtspiel in Folge verlieren. Kann ein nicht einmal zehnsekündiger, zwischen Anfeuerungsrufen stattgefundener Dialog, deplatzierter sein?

 

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Nach Abpfiff fiel es somit vermutlich nicht nur mir schwer, diese (weitere) Niederlage einzuordnen. Schließlich musste das Team um Union-Kapitän Christopher Trimmel wiederum mit hängenden Köpfen in Richtung Fanblock schleichen. Doch auch dieses Mal wurde die Mannschaft aufgefangen und ebenso konkret wie passend von einem Capo aufgemuntert. Wer sich ernsthaft gefragt haben sollte ob die Einheit zwischen Anhang und Team noch auf Union-Level sei, bekam gestern eine klare Antwort.

Kurz nachdem Christian Arbeits aufbauende Worte in Richtung uns, in Richtungs Union-Fans, wonach auch dieser Sturm vorbeiziehen würde, wenn wir gemeinsam durchgehen, gerichtet hatte, packte Wumme noch einen drauf und spielte „Bitter Sweet Symphony„.

Natürlich geht es im besagten Song von The Verve null um Fußball, die zentrale Textzeile bringt den gestrigen, meist verregneten, Abend sowie die generelle Situation in der sich Union gerade befindet, aber gut auf den Punkt:

„‚Cause it’s a bittersweet symphony, that’s life.“

Sportlich läuft es einfach nicht und so wirkt alles ziemlich bitter sowie ernüchternd. Anderseits gab es nicht nur diese drei Sequenzen nach dem Abpfiff – in denen das besondere Gespür für die Situation von drei ganz unterschiedlichen Union-Akteuren mit drei ganz unterschiedlichen „Aufgabenbereichen“ deutlich wurde – und die vor Anpfiff präsentierte Choreo, sondern eben auch ein Spiel dazwischen was Mut machen darf, was Mut machen muss.

Eine Choreo, die uns erinnert was „Eisern ist…“, Foto: Matze Koch

Das Team von Union-Trainer Urs Fischer hielt gegen den amtierenden italienischen Meister, gegen eine Mannschaft mit einem Spieler, der seinen Spitznamen in Anlehnung an Diego Maradona bekommen und 85 Millionen Euro Marktwert hat, nicht nur gut mit, sie war größtenteils das bessere Team.

Im Gegensatz zur Partie gegen Stuttgart stimmte nicht nur der Einsatz. Es wurde ständig miteinander kommuniziert, konsequent Angelaufen und Verschoben, die Passwege zugestellt oder zugelaufen, die Ketten wirkten enger, Zweikämpfe wurden gesucht und angenommen. Rundum sah man über 60 Minuten eine Union-Mannschaft, die Urs Fischer-Fußball bot, sodass die letztendliche eingangs erwähnte Jinxerei vor allem eine treffende Analyse war. Union schuf gegen eine der besten Mannschaften Europas ein Bollwerk und ließ diese somit überhaupt gar nicht zu Entfaltung kommen.

„Kompliment an die Mannschaft. In einer solch schwierigen Situation, solch ein Spiel zu zeigen. Die Mannschaft war heute wirklich sehr kompakt, sehr stabil, hat sehr gut gegen den Ball gearbeitet.“ (Urs Fischer auf der PK nach dem Spiel)

Nach vorne ging bis auf einzelne Nadelstiche zwar nicht viel, aber wahrscheinlich ist es in dieser heiklen Phase wichtiger zu den Basics zurückzukehren. Und dies tat Union gestern die ersten 60 Minuten mehr als konsequent. Danach ließ, vermutlich auch durch das Gegentor bedingt, die Kraft etwas nach, sodass das konsequente Verteidigen nicht immer genauso wie davor funktionierte. Dennoch hatte der SSC Neapel im ganzen Spiel nur eine klare Torchance.

Für eine tiefergehende Analyse sei wie so oft der RBB-Beitrag von Till Oppermann empfohlen.

Trotzdem und auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Wenn diese Mannschaft unter diesem Trainer – welcher der absolut richtige ist, wie u.a. ein Kicker-Kommentar verdeutlicht – solch Leistungen wie gestern in der Bundesliga abruft, dann wird sie sich ganz bald belohnen und in ruhigere Fahrwasser kommen. Es klingt wie eine Plattitüde, aber gemeinsam kommen wir da raus!

Nuff said, Foto: Matze Koch

Unzufriedene Spieler

Dieses Gemeinsame, diesen Zusammenhalt, dieses sich selbst mal Zurückzustellen müssen nicht nur wir Fans sondern genauso alle Spieler verinnerlichen.

Eine Niederlagen-Serie von nunmehr 9 Pflichtspiel-Pleiten in Folge geht an keiner Mannschaft der Welt, geht an keinem ambitionierten Spieler spurlos vorbei. Gerade bei ehrgeizigen Profisportlern gehören Frustration und weitere überbordende negative Emotionen dann irgendwie dazu. Union bildet da selbstverständlich keine Ausnahme. In den letzten, sehr erfolgreichen Jahren, hatte man aber immer den Eindruck das persönliche Befindlichkeiten nie für Unruhe gesorgt haben und schnell eingefangen oder weg-moderiert werden konnten. So verweigerte Sheraldo Becker einst Union-Trainer Urs Fischer den Handschlag oder Union-Kapitän Christopher Trimmel verlangte via Medien nach mehr Spielzeit.

Gestern verweigerte David Fofana nach seiner Auswechslung Urs Fischer ebenfalls den Handschlag, was für sichtbare Diskussionen auf der Union-Bank sorgte. Ich möchte über Fofana nicht den Stab brechen, er ist noch sehr jung und weiß vermutlich selbst, dass er überreagiert hat. Aber in einer solchen Phase geht es halt noch viel mehr um die Mannschaft, um Union als Ganzes. Dies muss er in den nächsten Wochen verinnerlichen und auf dem Platz zeigen (wie bspw. gestern bei seiner Vorlage zum vermeintlichen Führungstreffer, der wegen Abseits nicht gegeben wurde).

 

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Eine öffentliche Entschuldigung ist der erste Schritt, interne Gespräche werden sicherlich schon stattgefunden haben oder werden folgen wie Urs Fischer in der Pressekonferenz ankündigte.

Ebenfalls für Irritationen könnte noch ein Post von „Transfer-Guru“ Fabrizio Romano sorgen. Dieser hatte bereits kurz nach Anpfiff der gestrigen Champions League-Partie gegen Napoli von einer Unzufriedenheit bei Leonardo Bonucci berichtet. Hoffen wir einfach, dass an dem Tweet nichts dran ist. Andernfalls wäre dieses Verhalten insbesondere mit Blick auf den zeitlichen Ablauf äußerst fragwürdig und gerade eines so erfahrenen Spielers wie Bonucci nicht würdig.

Update: Leonardo Bonucci hat sich in einer Instagram-Story zu dem Tweet von Romano geäußert. Und insofern man den Übersetzungsprogrammen trauen kann, macht Bonucci in der Story glaubhaft deutlich, dass an den Äußerungen Romanos nichts dran ist.

Die Medienbericht zu Unions Champions League-Partie gegen Napoli

Und sonst so?

Ein sehr erfreuliches Ergebnis gibt es von Unions U19-Junioren zu vermelden. Mit Aljoscha Kemlein in der Anfangsformation konnte die Jugend des SSC Neapel gestern in der Youth League deutlich mit 4:1 geschlagen werden.

10 Kommentare zu “Im Westend nichts Neues: Eine Niederlage, die dennoch Mut macht

  1. BlnMeandor

    Gegen Bremen rechne ich nach der Leistung mit 3 Punkten. Ich meinte bereits vor dem Dortmundspiel, dass wir erst gegen Bremen wieder punkten und i. d. R. behalte ich Recht. ;) Außerdem gibt die Leistung durchaus viel Positives mit, weil das wieder typisch Union war! Nur ein echter Torschuss auf unseren Kasten. Ob nun Trimmi oder Leite (einige schreiben es hier ja im letzten Blogeintrag) schuld sind, ist mir egal. Sicher ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Offensiv fällt nur auf, dass Juranovics Standards fehlen.
    Mal sehen, Bremen muss und wird geknackt werden. Ich bin zuversichtlich, Union ist zurück, wenn das Team die gestrige Leistung bestätigt. Und nein, Urs Fischer steht für mich gar nicht zur Debatte. Eher würde ich manche Spieler pausieren lassen.

  2. Wird schon…irgendwann, irgendwie.

    Zu Fofana hat Fischer in der PK eigentlich alles gesagt, den Rest darf die Mannschaft gerne intern klären. Sollte an der Bonucci Nummer was dran sein werden die Verantwortlichen auch daraus ihre Schlüsse ziehen, und vielleicht kommt dann die Erkenntnis das so eine wilde Transferphase wie diesen Sommer nicht wiederholt werden muss.

  3. Danke Felix! Perfekt zusammenfasst!
    Gänsehaut vor dem Spiel, Gänsehaut nach dem Spiel und endlich war der spielbezogene Support wieder auf den Punkt! Gegen Bremen ALl In!
    Eisern!

  4. MasterOf_Future

    In der PK vor/zu dem Neapel-Spiel hat Urs Fischer gesagt, dass er das Gefühl hat die Mannschaft noch zu erreichen und ich finde das Spiel gestern hat das auch deutlich bestätigt.
    Wenn ich folgende Textpassage richtig verstehe/interpretiere, habe nicht nur ich dieses Gefühl.

    „Rundum sah man über 60 Minuten eine Union-Mannschaft, die Urs Fischer-Fußball bot …“

    Das was mich gestern wieder positiv gestimmt hat war, dass die Mannschaft doch nicht so verunsichert ist, wie sie gegen Stuttgart wirkte, wo aus Positionen, wo man gerne mal schießen dürft immer wieder ein Pass gesucht wurde und man so gerade in der ersten Halbzeit keinen Druck aufbauen konnte. Gestern hatte man gleich von Beginn an eine mutige Mannschaft gesehen. Im Grunde kann man sagen, das bisher in allen 3 Championsleague-Partien immer eine mutige Vorstellung (teilweise auch nur vor kürzere Phasen) gezeigt wurde.

    Wenn man diese Spielweise und den Mut schafft, 1 zu 1 in die Bundesliga mitzunehmen, dann sollte da auch der ein oder andere 3er möglicherweise wieder rausspringen. Ich meine was 60 Minuten sehr gut gegen Neapel (amtierender italienischer Meister) klappt, kann gegen eine mittelmäßige Bundesliga Mannschaft, vielleicht sogar noch besser klappen.

    Eisern!

  5. Auch wenn wir uns davon nichts kaufen können, fühlt es sich gut an dieses Spiel gesehen zu haben. Die Mannschaft hatte den italienischen Meister eigentlich im Griff und es fehlte lediglich das Spielglück. Tut genauso weh am Ende. Aber so schlimm wie die Niederlage gegen Aalen 2004 ist es nicht. Also alles gut. ;)

    • Felix Morgenstern

      Ahh, diese Niederlage hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm, ich erinnere mich nur noch an (ebenfalls) folgen(schwer)es Spiel gegen Ahlen:

      https://www.kicker.de/ahlen-gegen-union-2000-zweite-bundesliga-qualifikation-531713/ergebnis

      Das war das einzige und wohl auch letzte Mal, dass ich beim Fußball – sogar nur vor dem TV- geweint habe (war noch ziemlich klein;)).
      Ahlen scheinbar eh ein Angstgegner der für einige Enttäuschungen bei uns gesorgt hat. Naja, wo sind sie jetzt?

    • Ich meinte Ahlen. Always mix up those villages… ;)
      (1:0 am 32. Spieltag und damit Abstieg aus der 2. BuLi)

  6. Auch wenn es erstmal blöd klingt, auch wenn es bisher 3 Niederlagen in der CL gab, unsere Jungs haben gezeigt, dass sie mit den besten Mannschaften Europas mithalten können. Wir dürfen nicht vergessen, welche Hammergruppe wir erwischt haben und alle Niederlagen waren knapp und unglücklich. Fehlendes Spielglück einfach. Am Wochenende in Bremen was mitnehmen und es läuft wieder.

  7. Ick fand uns richtisch jut. Allet zu sehen wat ick sehen will:
    Mut, Kampf, Laufbereitschaft, Zusammenhalt – die Basics.
    Ergebnis ärgerlich aber zweitrangig – Kerngeschäft ist Bundesliga.

    • Ines Dannenberg

      Hallo honeypie, bessa hätt ick dit ooch nich ausdrücken können.
      Kurz und knapp uffm Punkt jebracht. Danke dafür.
      Dit wird schon wieda. Da bin ick ma janz sicher.
      U.N.V.E.U. Florentine

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