Blog State of the Union

Bei der Stadiondiskussion ist auch Verklärung der Vergangenheit dabei

Was ist nun mit dem neuen Stadion und den ganzen Fragen, die sich daran anschließen? Das beschäftigt die Unionfans, wie Oliver gestern hier geschrieben hat. Und entsprechend auch die Berliner Medien. Nur mehr als auf der Mitgliederversammlung erfahren wir nicht. Gar nicht? Doch. Denn die Bild hat bereits am Mittwoch in ihrer Ausgabe den tatsächlichen Kaufpreis des Stadion-Grundstücks berichtet. 3 Millionen Euro sollen fällig geworden sein für die 60.000 Quadratmeter.

Wir erinnern uns, dass 2008 der Wert noch mit 1,8 Millionen Euro taxiert wurde und auf dieser Basis der Erbbaupachtvertrag über 65 Jahre abgeschlossen wurde. Nun soll laut Bild der Grundstückswert neu berechnet worden sein. Als (noch) Berliner Steuerzahler kann ich das nur okay finden, auch wenn mir das Wissen darüber fehlt, ob der Wert marktgerecht ist. Wichtig für die Hobby-Immobilienmakler unter uns: Hier geht es nicht um ein Grundstück zur Wohnbebauung, sondern das Gelände ist als Sportfläche ausgewiesen. Bitte erspart uns in den Kommentaren den Vergleich zum Quadratmeterpreis für Eigenheim-Grundstücke in Köpenick :)

Als großes Glück stellt sich hier das Timing heraus, denn Union hat den Verkauf unter Dach und Fach gebracht, bevor es zu den Neuwahlen für ganz Berlin kommt, ist in diesem speziellen Fall also nicht von einer Lame-Duck-Regierung abhängig.

Das Denkmal bleibt, der Rest wird neu, Bild: 1. FC Union Berlin
Das Denkmal bleibt, der Rest wird neu, Bild: 1. FC Union Berlin

Mehr oder weniger große Hot Takes zur Diskussion um das Stadion gibt es auch. Aber die beschränken sich dann schon eher auf Überschriften und weniger auf die Texte an sich. Wenn die Berliner Zeitung/Kurier schreibt „Union befindet sich im Spagat zwischen Ponyhof und Profit“, dann runzele ich erst einmal die Stirn, weil die Welt sich da nicht einfach in Schwarz und Weiß einteilen lässt. Aber der Text beschreibt vor allem das mögliche Gefühl, dass es Fans womöglich viel zu schnell gehen könnte und die dieser Entwicklung misstrauen.

Früher war nicht alles gut, sondern vieles schlecht

Aber zurück zur Überschrift „Union befindet sich im Spagat zwischen Ponyhof und Profit“. Weder schwimmt in Union aktuell im Geld (es bleibt halt nicht viel hängen, was ein Grundproblem im Profifußball ist), noch war früher Ponyhof bei Union. Die vermeintlich gute, alte Zeit, deren Wegfall bedauert wird, war bei näherer Betrachtung vor allem eines: nicht gut.

Klar, kann auch ich fußballromantisch von den Grasbüscheln auf der Tribüne erzählen. Und davon, wie Spiele abgelaufen sind, was wir gemeinsam erlebt haben. Aber wir wissen auch, dass der Fußball teilweise schwierig anzusehen war, wir die sportlichen Misserfolge irgendwie ertragen mussten und vor allem der Verein immer aus einer Notlage heraus operiert hat. Das war eben kein Verfolgen einer Strategie. Beziehungsweise erblickten die Strategien selten das Ende ihrer Lebenszeit, so dass man auch schauen konnte, was erreicht oder nicht erreicht wurde.

Straße statt Waldweg, Bild: 1. FC Union Berlin
Straße statt Waldweg, Bild: 1. FC Union Berlin

Und genau das ist für mich bei dem ganzen Bauvorhaben der Unterschied. Hier wurde und wird geschaut, wie der 1. FC Union Berlin am Standort Alte Försterei aussehen soll. Wie dort gearbeitet werden soll, sowohl im Sport als auch in der Organisation. Aber auch wie Union gelebt werden soll. Nicht nur an Spieltagen. Das ist am Ende das Beeindruckende am Bauen. Schon der Entwurf kann Verhaltensweisen bestimmen und lenken. Man kann Dinge ermöglichen oder verhindern. Aktuell ist es beispielsweise so, dass der Sport und die Organisation sich permanent begegnen. Einfach weil die Räume in der Tribüne täglich vom Sport genutzt werden. Ich bin gespannt, ob das auch mit dem neuen Trainingszentrum so sein wird.

Ansonsten geht es mir natürlich genauso wie vielen anderen Unionfans: ich bin sehr neugierig. Und es ist nahezu unerträglich für mich, bis März zu warten. Mir ging es bei der Mitgliederversammlung nämlich ein bisschen so, als ob ich als Kind auf den 24. Dezember hinfiebere, es dann zur Bescherung kommen soll und mir gesagt wird: „Sebastian, Geschenke gibt es erst zu Ostern.“ Die Beschreibung hinkt natürlich wie jeder gute Vergleich, aber illustriert mein Gefühl trotzdem sehr stark.

Das sind die Berichte zu den Fandiskussionen:

Oliver Ruhnert hat am Dienstagabend in Friedrichshagen sein Buch vorgestellt und es gibt sowohl bei Bild als auch in der Morgenpost (aus einer Vorlage der Nachrichtenagentur) Berichte dazu.

Oliver Ruhnert im Kino Union in Berlin-Friedrichshagen bei der Buchvorstellung, Foto: Matthias Koch

Ansonsten sind die Spieler im wohlverdienten Urlaub bis zum Trainingsstart am 5. Dezember. Im Kicker spricht Athletiktrainer Martin Krüger etwas über die Belastung der vergangenen Wochen (speziell bei den Nationalspielern) und die Chance dieser fußballfreien Zeit.

Und sonst so?

Die BZ berichtet vom Prozess gegen den Unionfan, der beim Europapokalspiel gegen Haifa eine Israelfahne anzünden wollte und dem weiteres antisemitisches Verhalten vorgeworfen wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Männerfußballfreie Zeit bedeutet nicht unionfreie Zeit. Deshalb gibt es am Samstag eine Buchvorstellung.

Der Eiserne Virus berichtet von einem traurigen Jubiläum bei der Essenausgabe am Fanhaus.

Und wer Lust auf eine schöne Auswärtsfahrt hat: Am Sonntag um 13 Uhr spielen die Frauen in der Regionalliga in Bischofswerda auf dem Laola-Bolzplatz.

In eigener Sache: Bis zum Start der Bundesliga werden wir nur noch zweimal in der Woche schreiben, nämlich Montag und Freitag. Wir hoffen, dass das für euch okay ist.

13 Kommentare zu “Bei der Stadiondiskussion ist auch Verklärung der Vergangenheit dabei

  1. Lars Seefeld

    Natürlich ist das okay, habt eine schöne und hoffentlich entspannte Zeit. Auch ihr habt sie verdient! :-)

  2. Matikovski

    Absolut in Ordnung.
    Das Parkhaus entsteht An der Wuhlheide / Wuhle. Der Animation entsprechend wäre an der Wuhle etwas Straße. Von der Lindenstr./An der Wuhlheide wird der Blick auf unser Wohnzimmer leider verbaut.
    Vielen Dank für euren Blog.

  3. Erst einen roten Knopf in den Raum stellen (Grundstückspreise in Kö) und dann den Raum verlassen? Ok, morgen ist Freitag, aber ich habe schon einen Preis herausgefunden :D

    :) Klar ist das okay.

  4. Was mache ich bloß mit der ganzen Freizeit? Einen Teil werde ich wahrscheinlich für Vorfreude nutzen ? Euch und allen Lesern eine schöne Zeit ????

  5. völlig iO. entspannt mal. danke für die täglichen Beiträge :-)

  6. Berlinbaum

    Danke Sebastian für die Einordnung! Früher war es psychologisch überlebenswichtig, aus der Not eine Tugend zu machen. Dieses Abgeranzte, Unfertige, immer mit einem Bein über dem Abgrund Tänzelnde, das gehörte jahrelang zum Unionerdasein dazu, und wenn man damit nicht irgendwie klarkam, wurde man auch kein Unioner. Folgerichtig wurde es Teil der Union-DNA. Und natürlich verklärt die Erinnerung. Früher war ja nicht nur Union besser, sondern eigentlich alles… (Augenrolleys)

    Aber eines gibt mir auch Hoffnung beim Blick zurück. Nämlich der Umstand, dass wir immer das Beste draus gemacht haben, uns immer weiterentwickelt haben. Und genau so wird es auch mit dem neuen Stadion sein. Wir sind der Verein, wir sind dafür verantwortlich, wie sich alles, also auch die Stadionstimmung an Spieltagen, entwickeln wird. Der Gewinn an Neuem wird den Verlust an Altem überwiegen. Und für das andere gibt es die Erinnerungen.

  7. Das ist mir, wie auch schon im Podcastteil zum Thema, zu sehr von oben herab und fast schon verächtlichtmachend. Es geht um mehr als bloße Nostalgie.
    Die alten Zustände waren gewiss kein Ergebnis zielgerichteter Planung, auch viel Not war dabei, aber als Nebenprodukt entstand, was ich als Wesen des Vereins bezeichnen möchte. Mehr darauf gerichtet, miteinander sein zu können, als den Erfolg als oberstes Gebot zu haben. Die Brüche des Unfertigen nutzen, nicht als Wandtattoo in der Start-up-Küche des eigentlich doch nach dem Gold Schielenden, sondern als wahrhaftige Chance des wirklich Authentischen.

    Dieses Wesen ist nicht starr und unveränderbar und weder Beteuerungen noch Parolen noch Manifeste bestimmen, wie es sich verändert, die Zustände und Bedingungen aber tun es.
    Muss man fürchten, dass sich Unions Wesen ändern wird an zentralen Punkten? Nein, aber man kann, es gibt viele gute oder schlechte Gründe dafür.
    Kann man das alles vom Tisch wischen, als Gemecker von Nostalgikern, die offenbar nicht kapiert haben, dass der Erfolg nun mal das oberste Gebot ist?
    Ja, kann man offenbar, wie man lesen und hören kann.

    • @mars Ehrlich gesagt war mein Beitrag null in die Richtung gemeint. Ich wollte vor allem zeigen, dass es jetzt möglich ist, diesen Standort tatsächlich in seiner Gesamtheit zu entwickeln. Das bedeutet überhaupt nicht, dass die Zeit des pragmatischen Durchwurstelns abgewertet wird und auch die Eigenschaft nicht mehr benötigt wird, Situationen anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Und schon gar nicht ist es der Ruf nach Profit über allem, den ich hier von mir gebe. Ich finde es aber gut, wenn der Standort Alte Försterei jeden Tag die Heimat von Union sein kann (Manschaften, Mitarbeiter, Fans und Mitglieder). Und ich sehe in den aktuellen Planungen, dass genau das möglich ist. Über die konkrete Ausgestaltung weiß ich genauso viel wie alle anderen und möchte deswegen nicht weiter darüber spekulieren.

  8. Was ist mit dem aktuellen Stadionerlebnis? Habe nicht den Eindruck, dass das aktuelle Erlebnis auch nur irgendwie ranzig sei. Sebastian, bin ich da im Dissenz mit Dir, oder hattest Du das aktuelle Stadionerlebnis einfach gar nicht im Fokus, als Du den Text schriebst?

    • @mathias Ich glaube nicht, dass ich das Wort ranzig benutzt habe.

    • @mathias nunja für viele ist das Stadionerlebnis aktuell gar nicht möglich wie es einst war, einfach daraus begründet dass man keine Karten bekommt oder einfach bangen muss.

  9. Musiclover

    Der Vorbericht für das Spiel der Frauen ist online und die Info zum Spiel gegen Hansa.

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