Blog State of the Union

Toni Leistners Abschied und die Frage, wer denn darüber froh sein soll

Toni Leistner hat gestern das gemacht, was ihm ebenso wie den anderen Abgängen durch den Saisonverlauf verwehrt geblieben ist. Er hat sich verabschiedet.

Twitter: @ToniLeistner

Ich bin etwas über diesen Satz gestolpert: „Einige werden mich vermissen und andere wiederum sind froh, dass ich endlich weg bin.“ Sportlich kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand über den Weggang des Verteidigers froh ist. Und insgesamt kann ich von außen sagen, dass Leistner immer deutlich gemacht hat, was er will und was nicht. Es muss dem Verein nicht gefallen, dass er im vergangenen Sommer wechseln wollte (die kolportierte gebotene Ablöse von rund 3 Mio Euro war absolut okay). Es muss dem Verein nicht gefallen, dass Leistner kurz nach der Keller-Entlassung bei einer Dynamo-Dresden-Talkshow war (der Termin war langfristig abgesprochen, Union wusste das und Leistner stand zu seiner Zusage, auch wenn sich für Union die Rahmenbedingungen geändert hatten). Es muss dem Verein auch nicht gefallen, dass er seinen Vertrag nicht verlängern wollte. Aber zumindest nach außen war er immer geradeaus. Und das ist eine Eigenschaft, die es in der vergangenen Spielzeit sicher häufiger im Team gebraucht hätte. Dass er das nicht mehr in dem Maße in das Team einbringen konnte, lag vielleicht am Anfang an ihm (er hat beispielsweise seine Funktionen im Mannschaftsrat aufgegeben), doch in der Zeit nach Kellers Entlassung an einer Art öffentlicher Enteierung (Stichwort Pressemitteilung zur Beendigung der Vertragsgespräche und kurzzeitige sportliche Nichtberücksichtigung für die Startelf), die ich von meinem Verein gerne so nicht mehr sehen möchte. Aber diesen Punkten kann man schon entnehmen, dass sich Leistner und Union nicht nur in Frieden trennen.

Dafür gab es fast durchweg positives Feedback von den Union-Anhängern:

Screenshot: Twitter

Schaue ich mir die Bilder an, die Leistner von seiner Unionzeit gepostet hat, dann würde ich auf jeden Fall sagen, dass er in dieser Zeit einige Haare gelassen hat. Mit der aktuellen haarlosen Optik rauscht er umso martialischer in die Kopfballduelle. Ich werde diese Ruhe bei seinen Kämpfen in der Luft vermissen, bei denen ich mir in den vergangenen zwei Jahren eigentlich nie darüber Gedanken gemacht habe, dass er auch nur ein Kopfballduell verlieren könnte.

Wir haben ansonsten noch etwas Nachberichterstattung zu Urs Fischers Vorstellung als neuer Cheftrainer:

In den Zusammenhang passt natürlich das Bild, das Lars Dietz auf Instagram von seiner Vorbereitung gepostet hat. Es sagt ganz deutlich: „Hej Trainer, ich bin bereit!“ Die Daumenhaltung des Defensivspielers ist … nun ja … interessant ?

View this post on Instagram

#preparation ???? ??

A post shared by Lars Dietz (@ldietz7) on

Kristian Pedersen, der sich um seinen Stammplatz in der Vergangenheit wenig Gedanken machen musste (und sich auch um seine Zukunft bei Union nicht mehr so viele Gedanken macht), postet dagegen so etwas aus Dubai:

https://www.instagram.com/p/Bje71fwlyJp/

Und sonst so?

Union braucht einen neuen Testspielgegner, weil Westbrom nun doch nicht am 21.Juli an die Alte Försterei kommt (Kurier).

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet, dass die 3. Liga ab nächster Saison auch Montagsspiele bekommen wird (Kicker). Ob die wie in der Zweiten Liga für jeden Montag angesetzt werden, ist noch nicht bestätigt. Der Blick in den Rahmenterminkalender des DFB (pdf) lässt das aber vermuten.

Bei Dynamo Dresden herrscht Unmut bei den Ehrenspielführern des Vereins. Dieter Riedel, Hans-Jürgen Kreische und Klaus Sammer wollen nicht hinnehmen, dass der in der DDR als IM für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig gewesene Eduard Geyer neben ihnen hängt. Das Dresdner Präsidium zeigt sich durchaus zurecht über den Zeitpunkt der Debatte verwundert (Mitteilung von Dynamo Dresden), schließlich wurde Dieter Riedel und Eduard Geyer zeitgleich 2014 diese Ehrung zuteil und die Fakten zu Geyers IM-Tätigkeit sind auch schon länger bekannt. Das Präsidium verschweigt dabei allerdings, dass schon fast ein halbes Jahr ein entsprechender Antrag beim Ehrenrat des Vereins vorliegt und die ehemaligen Spieler wegen der Untätigkeit sich an die Medien gewandt haben (Dresdner Neueste Nachrichten).

So weit ist das eine lokale Angelegenheit. Interessant wird sie aus meiner Sicht dadurch, dass das Präsidium versucht, die gute alte Politik-hat-im-Sport-nichts-zu-suchen-Karte zu spielen, indem es sagt: „Bei der Ernennung zum Ehrenspielführer werden ausschließlich sportliche Kriterien herangezogen. Die gegen Eduard Geyer erhobenen Vorwürfe spielten 2014 für das Präsidium der SGD keine Rolle mehr, da er die Betroffenen persönlich um Entschuldigung gebeten und eine umfassende öffentliche Aufarbeitung bereits stattgefunden hatte.“ Das ist schon so viel Quatsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Vielleicht bleiben wir bei den Fakten. So behauptete Geyer stets, kein Geld für diese Tätigkeit bekommen zu haben und sie sei im Zusammenhang mit den Auslandsreisen als Leistungssportler zu betrachten. Damit hat er einen Punkt, den jeder, der sich die Realität in der DDR genauer betrachtet, auch nachvollziehen kann (wenn auch nicht alle das mittragen würden). Allerdings existieren Quittungen über Geldleistungen vom MfS. Und das ist der Punkt, der wohl das Trio um Dieter Riedel so aufbringt und diesen sagen lässt: „Er lügt nach wie vor“ (Sächsische Zeitung).

Abgesehen davon ist es selbstverständlich nicht möglich, nur einen Teil der Biographie einer Person zu betrachten. Ich kann nicht als Verein sagen, dass ich nur Eduard Geyer als Sportler betrachte und den Rest beiseite lassen. Alles zusammen macht die Person aus. Ob mir das als Verein gefällt oder nicht. Und wenn es einen Konflikt wie diesen zwischen den Ehrenspielführern gibt, dann muss ich als Verein mich damit auseinandersetzen und kann nicht sagen, es sei alles schon gesagt und damit versuchen, einen Schluss-Strich zu ziehen. Davon geht der Konflikt nicht weg. Und ein Verein wie Dynamo Dresden kann diesen Konflikt auch aushalten, da genau dieser Konflikt für die überwiegende Mehrheit der Dresdner Vereinsmitglieder und Anhänger zur eigenen Biographie dazugehört. Ich würde mal behaupten, dass der Großteil der ostdeutschen Bevölkerung mit diesem Konflikt lebt/leben muss. Mit seiner Ignoranz des Themas hat das Präsidium jetzt dafür gesorgt, dass Riedel, Kreische und Sammer ihre Ehrenspielführerwürde zurückgeben wollen und darauf bestehen, dass ihre Plakate im Stadion abgehängt werden (MDR).

13 Kommentare zu “Toni Leistners Abschied und die Frage, wer denn darüber froh sein soll

  1. Jan Grobi

    Laut den Gesetzen der Bundesrepublik verjährt jede Straftat außer Mord nach spätestens 25 Jahren. Wenn also nach nunmehr 28 Jahren immer noch die Staasi-Karte gezogen wird um Leistungen zu schmälern, ist das feige. Ja, man muss kein Freund von solchen Leuten werden.
    Ehrenspielführer mit krimineller Vergangenheit gibt es eh genug (siehe DFB)

    • @Jan Grobi Da die Frage, die in Dresden diskutiert wird, vor allem eine moralische Frage ist, die viel mit einem Gefühl von Gerechtigkeit, aber weniger mit Recht zu tun hat, würde ich sagen, dass das nie verjährt. Es ist eine Diskussion, die immer wieder neu geführt werden muss, weil man den Rahmen dafür immer wieder neu verhandeln muss. Es ist schon ein Unterschied, ob wir das beispielsweise heute diskutieren oder vor zehn oder 28 Jahren. Aus meiner Sicht geht es hier nicht darum, die sportliche Leistung zu schmälern. Hier geht es darum, dass bestimmte Leute, nicht im gleichen Atemzug mit jemanden genannt werden wollen, der ihr Vertrauen missbraucht hat, um es mal aus der persönlichen Sicht zu sagen. Dass der DFB jetzt nicht der integerste Verein ist, wissen wir alle. Aber das hat ja mit Dynamo Dresden erst einmal wenig zu tun.

  2. framlin

    Zur sportlichen Einschätzung von Toni Leistner.
    Ich sehe die nicht zu 100% positiv. Klar, im Kopfballspiel ist er sicherlich überragend. Aber Fussball wird nun mal nicht überwiegend mit dem Kopf gespielt. Der Ball rollt ab und zu ja auch auf dem Rasen und da hatte Toni Leistner doch die ein oder andere (Konzentrations-)Schwäche.
    Noch wichtiger ist für mich (vor allem bei Dreierkette) aber die Tatsache, dass ich den Eindruck hatte, dass kreatver Spielaufbau, nicht *die* Stärke von Toni Leistner ist.
    Das hat sich aus meiner Sicht vor allem unter Hofschneiders Spielweise negativ bemerkbar gemacht.
    Vieleicht verlange ich (als passiv konsumierender Zuschauer) ja zu viel, aber erst ein kreativer Spielaufbau macht einen wirklich guten Verteidiger komplett. Wenn einem Innenverteidiger nichts anderes einfällt, als den Ball zu seinem Nebenmann zu schieben, wenn er im Mittelfeld keine unmittelbare Anspielstation sieht, geht die Chance in den gegnerischen Strafraum und dort zu Torchancen zu kommen, schnell gegen null ….

    • das seh ich mindestens ein bisschen anders. Ja, Toni Leistner hat in dieser Saison ein paar unnötige Fehler am Ball gemacht. Aber insgesamt ist er im Aufbau deutlich besser, als ihm oft zu Gute gehalten wird. Dass Union im Aufbau Probleme hatte, lag eher daran, wie die Staffelungen im Mittelfeld aussahen. Da gab es oft nur eine Anspielstation, die dann leicht zuzustellen war. So musstne die Innnenverteidiger sogar zu gute Pässe spielen (gewissermaßen), nämlich oft direkt ins offensive Mittelfeld. Toni Leistner war da jedenfalls eher selten das Problem

  3. micha774

    Er, Leistner, hat aber auch Anteil am schlechten Saisonverlauf. Klar, er ist ein guter Innenverteidiger, hat sich aber in meinen Augen überschätzt und dann die beleidigte Leberwurst gegeben.

    Stuttgart, Köln, England waren angeblich im Gespräch aber alle holten andere Spieler.

    Das es am Ende in der Außendarstellung negativ lief ist aber nicht allein Leistners Schuld.

    Ich hätte ihn gern weiter bei uns gesehen insofern verstehe ich nicht warum man sich nicht auf weitere ein oder 2 Jahre einigen konnte. Da ist dann wohl viel Vertrauen verloren gegangen.

  4. framlin

    @Daniel: Das ist (ohne dass ich wirklich viel davon verstehe) genau das, was ich meine.
    Wenn man Ballbesitzspiel bevorzugt und den Ball von hinten nach vorne *spielen* will, braucht man eine Idee (einen Spieler mit Idee), wie man das Mittelfeld überbrückt, wenn z.B. „der Sechser“ nicht angespielt werden kann, oder das Mittelfeld generell zugestellt ist.
    Du scheinst dafür das eigene Mittelfeld verantwortlich zu machen (ala „der Achter“ hat sich zu einfach zustellen lassen), ich stell mir das für nen Gegner aber „relativ einfach“ vor, ein gegnerisches Mittelfeld auszuschalten. Ich hatte (speziell in der Rückrunde) das Gefühl, dass die Gegner von Union das auch recht häufig als bewährtes Mittel erfolgreich eingesetzt haben.
    Und wenn der Abwehr dann nichts anderes einfällt, als sich gegenseitig den Ball zuzuschieben, hat man zwar viel Ballbesitz, aber das wars dann auch schon.
    In dem Fall muss man dann eben einen Weg finden, das Mittelfeld zu überspielen (evtl. aussenrum, oder mit nem langen präzisen Diagonalpass oder so) und dafür braucht es einen kreativen Menschen mit Überblick und technischen Qualiäten in der Innenverteidigung.
    Man kann ja nicht „den Zehner“ dafür verantwortlich machen, oder?

    • das ist alles nicht unbedingt falsch. Aber es war bei Union in dieser Saison eben auch immer wieder Leistner, der genau solche Bälle gespielt hat, wie du sie forderst (viz eg das Tor gegen Regensburg). Konkret war es bei Union oft so, dass einer der Sechser zurückgefallen ist. Dann stand die Aufbauformation von Union um die Defensivordnung des Gegners herum, mit dem anderen Sechser im mindestens einfachen Deckungsschatten und dem Zehner ziemlich isoliert im Mittelfeld. Weil es selten funktioniert hat, dass der zurückfallende Sechser seine Bewegung so dosiert hätte, im Moment, in dem er den Ball bekommt, die Defensivordnung aufzubrechen, gab es dann oft keinen konstruktiven Aufbau durch die Mitte, sondern wurden die Außenverteidiger die fast alternativlose Option (neben langen Bällen). In dieser Situation können die Innenverteidiger spielmachend nicht gut aussehen, das liegt dann aber an der Mannschaftstaktik, nicht an ihnen individuell.

  5. framlin

    Ok, versteh ich. Aber bedeutet das denn nicht, dass von hinten raus *spielen* grundsätzlich ne schlechte Idee ist, wenn man keine außerordentlich kreative 6er-10er-Kombination hat, die sich den gegnerischen Zustellaktivitäten andauernd zuverlässig entziehen kann?

    • ne diszipliniert und sinnvoll geplant freilaufen reicht schon

    • so wie Grischa Prömel geht es übrigens auch einem Mittelfeldspieler von Uruguay:
      „Bemerkenswert ist hierbei, dass der zweite
      Sechser Rodrigo Bentancur durch das Abkippen
      seines Kollegen praktisch aus dem Spiel genom-
      men wird. Er positioniert sich inmitten der geg-
      nerischen Staffelung und ist in weiterer Folge in
      einer Eins-gegen-Vier- beziehungsweise Eins-ge-
      gen-Sechs-Situation gefangen, wodurch seine
      Mitspieler ihn fast nie anspielen können.“

      Aus der sehr empfehlenswerten Spielverlagerung Vorschau

  6. framlin

    Inwieweit spielt denn der Trainer eine Rolle dabei, undiszipliniertes und vor allem planloses Freilaufen zu verhindern?

    • Die Trainerin spielt natürlich eine zentrale Rolle, auch wenn Freilaufverhalten auch eine individuelle Qualität ist (-> Busquets).

  7. Weiß man eigentlich schon wohin die 4 Spieler gehen werden oder hängen die noch in der Luft? Und was ist, wenn sie am Ende keiner verpflichtet?
    Zu den Daumen von Dietz: man merkt, dass Sebastian kein Jogger ist ;op immer schön die Hände locker lassen…

Kommentare sind geschlossen.