Blog

„Hoffnung zu haben ist der Grund, noch Filme zu machen“

Gestern haben wir an dieser Stelle über einen Film berichtet, der Menschen zeigt, die in scheinbar aussichtsloser Lage dennoch – im Fußball Hoffnung schöpfen. Dieser Satz könnte auch die abstrakte Zusammenfassung eines weiteren Beitrags in der politischen Reihe von 11mm sein, ‚Yesil Kirmizi‘ (Rot Grün) von Ersin Kana. Anders als in ‚The Workers Cup‘ geht es hier um professionelle Fußballer, aber beide Filme sind ähnlich bedrückend. Die Farben im Titel des Films sind die des Klubs Amed SK aus Diyarbakir im kurdischen Gebiet in der Türkei, das der Filmemacher vor zwei Jahren während und nach einem spektakulären Lauf im türkischen Pokal (der wie die Champions League strukturiert ist) begleitet.

Doch der sportliche Erfolg der Mannschaft ist nicht wirklich die Geschichte, die der Film erzählt (auch wenn viele schöne Tore im Film vorkommen). Vielmehr geht es um den (Bürger)krieg des türkischen Militärs gegen die PKK, der in Diyarbakir stattfindet; um die Ablehnung, die dem Verein entgegen schlägt, seit er seine kurdische Identität prominenter darstellt und darum, wie die Mannschaft von unter anderen Deniz Naki damit umgeht, unter diesen Bedingungen Fußball spielen zu wollen und zu müssen.

kana
Regisseur Ersin Kana während eines Vorgesprächs, das auch als Podcast verfügbar ist; Photo: Stefanie Fiebrig

Der Film hält sich nicht zurück, deutlich zu zeigen, wie dramatisch die Situation in Diyarbakir ist. Gezeigt werden nicht nur in Trümmern liegende Gebäude sondern auch blutige Aufnahmen davon, wie ein Begräbnis beschossen wird. Auch im engeren Kontext des Sports gibt es drastische Gewaltszenen, als nach einem Spiel Ameds in der dritten türkischen Liga Anhänger und Offizielle von Ankaragücü Funktionäre angreifen.

Auslöser für die Feindseligkeit, die Amed sowohl von gegnerischen Vereinen als auch vom türkischen Verband entgegengebracht wird ist, dass der Klub sich seit 2013 – als es noch einen Friedensprozess gab – nicht mehr Diyarbkirspor, sondern Amedspor (und nach einem Einspruch des Verbandes gegen diese Form Amed SK) nennt. Amed ist der kurdische Name der Stadt, die auf türkisch Diyarbakir heißt. Mit diesem Namenswechsel und der größeren Plattform, die der Verein durch Siege gegen höherklassige Mannschaften bekam, wurde er zu einem exponierten Vertreter kurdischer Identität in der Türkei.

Dabei definiert sich Amed nicht als kurdisch-nationaler Verein und legt sich nicht etwa im Stil von Athletic Club aus Bilbao auf, nur kurdische Spieler zu verpflichten. So sind die ‚türkischen‘ Spieler Ameds wesentliche Protagonisten des Bestrebens des Films, eine Mannschaft zu zeigen, die vor allem gemeinsam Fußball spielen und den Menschen ihrer Stadt Freude und Hoffnung geben will.

Diese Hoffnung, auch ohne Anlass dazu im gegenwärtigen Geschehen in der Türkei, nennt Kana als den Antrieb, seinen Film zu machen. Und Hoffnung in aussichtslosen Situationen zu schaffen beschrieb der Grüne Bundestagsabgeordnete Öczan Mutlu als den Wert, den Fußball haben kann.

Spieler und Funktionäre von Amed SK stellen die Politisierung des Vereins, die aus dieser Gemengelage erwächst, als eher widerwillig dar. Der Slogan, ‚Kinder sollen nicht sterben, sondern ins Stadion kommen,‘ mit dem Verein und Fans gegen den Krieg protestieren, zeigt das. Indem der türkische Fußball-Verband Amed für diesen Slogan sanktioniert, und indem er Verein daran festhält, werden beide unweigerlich zu Akteuren mit politischen Positionen.

Öczan Mutlu war im Podcast und im Nachgang des Films als Diskussionspartner vor Ort; Photo: Stefanie Fiebrig

Der nicht nur in Deutschland bekannteste Fokus-Punkt der Auseinandersetzung ist Deniz Naki. Der frühere St. Pauli Spieler wurde nach dem Sieg Ameds gegen das hoch-favorisierte Bursaspor für 12 Spiele dafür gesperrt, Solidarität mit den kurdischen Opfern des Konflikts ausgedrückt zu haben, und fehlte so unter anderem im Pokal-Viertelfinale gegen Fenerbahçe. In Diyarbakir brachte das Naki viele Sympathien, im ‚türkischen‘ Teil der Türkei wurde er dagegen, wie Regisseur Kana sagt, zu einer „Hassfigur. Diese Rolle habe, so der Filmemacher weiter, Naki leider auch angenommen und sich mit Trotz und Sturheit geweigert, Konzessionen zu machen. Inzwischen ist Naki in der Türkei lebenslang gesperrt, gab es Mordanschläge auf ihn auch in Deutschland und befindet er sich in einem Hungerstreik.

‚Yesil Kirmizi‘ ist eine eindringliche point-of-view Reportage eines Fußballklubs, der in einer dramatischen Situation eng an seine Stadt gebunden ist und der zeigt, warum es auch und gerade, wenn Fußball nur Fußball sein soll unmöglich ist, den Sport für unpolitisch zu erklären.

Direkt auf YouTube könnt ihr den Film mit englischen Untertiteln sehen:

1 Kommentar zu “„Hoffnung zu haben ist der Grund, noch Filme zu machen“

  1. […] “Hoffnung zu haben ist der Grund, noch Filme zu machen” […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert