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Die gemeinsame Erklärung von Union und Polizei klärt nichts auf, ist aber extrem wichtig

Kurz vor Anpfiff in Kaiserslautern haben Union und die Berliner Polizei am Freitag Abend eine gemeinsame Erklärung zum umstrittenen Polizeieinsatz am Stadion vor dem Benefizspiel gegen Austria Salzburg veröffentlicht.

Das sind die Kernpunkte:

  • Auslöser des Einsatze soll gewesen sein, dass die Polizei davon ausgegangen sei, der Fanmarsch würde über den Waldweg geführt und nicht über das Stadiongelände: „In der für die Einsatzkräfte unerwartet veränderten Lage gingen diese davon aus, ein ihrer Meinung nach unberechtigtes Eindringen verhindern zu müssen.“
  • „In dieser Situation kam es seitens einzelner Teilnehmer des Fanmarsches zu vereinzelten Straftaten und seitens der Polizeikräfte zum vereinzelten Einsatz von Reizstoff.“
  • Die Fanbetreuer sollen zwischen Fans und Polizei vermittelt und die Lage beruhigt haben
  • „Die Darstellung, dass 250 Anhänger des Heimvereins die Einsatzkräfte massiv angegriffen hätten, hat sich nicht bestätigt.“
  • „In den gemeinsamen Erörterungen wurde ebenfalls festgestellt, dass der Kräfteansatz dem Besucheraufkommen des Spiels entsprach.“


Foto: Matze Koch

Ist das jetzt die Wahrheit?

Wer sich erhofft hat, eine objektive Darstellung der Ereignisse vom Ende des Fanmarsches vor dem Stadion zu erhalten, dürfte sich verwundert die Augen reiben. Denn beim vermeintlichen Auslöser ist Union der Polizei extrem entgegengekommen. Die Route von Fanmärschen ist Bestandteil von Sicherheitsbesprechungen und es gibt keinen Anlass zu glauben, dass das dieses Mal vergessen wurde. Dafür relativierte die Polizei den Vorwurf ständiger Straftaten zu „vereinzelte Straftaten“, lobte Fanbetreuer Lars Schnell statt ihn wie zuerst der Untätigkeit zu beschuldigen und erklärte, dass der ursprünglich genannte Einsatzgrund eines Angriffes von 250 Unionfans gar nicht stattgefunden hat.


Foto: Matze Koch

Beim Punkt „Zahl der eingesetzten Polizeikräfte“ kam wiederum Union der Polizei entgegen und rückte von der eigenen Darstellung einer „außergewöhnlich hohen Polizeipräsenz“ ab. Wir erinnern uns, dass gegen Salzburg ca. 300 Beamte im Einsatz waren. Ich verweise an dieser Stelle auf die Polizeistatistik der Zahl der eingesetzten Beamten bei Profispielen mit durchgeführter Fantrennung und deutlich höherer (meist doppelter) Zuschauerzahl im Gegensatz zum Benefizspiel gegen Austria Salzburg (9601 Zuschauer):

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Quelle: Berliner Abgeordnetenhaus/Schriftliche Anfrage von Hakan Tas (Die Linke) vom 12.05.2015

Was soll diese gemeinsame Erklärung?

Ohne zu wissen, was im Hintergrund in dieser Woche unionintern und mit der Polizei alles abgelaufen ist, so ist diese gemeinsame Erklärung extrem wichtig für beide Seiten. Die Polizei hat damit einen Weg gefunden, ihren eigenen Einsatz öffentlich darstellen zu können, ohne sich weiter der Falschdarstellung bezichtigen zu lassen. Union konnte damit die eigene Position klarstellen und entkommt so der Falle, von Polizeigewerkschaften, Populisten und Parteien in den Berliner Wahlkampf 2016 gezogen zu werden. Wir erinnern uns an das Beispiel Bremen, in dem das dortige Parlament ein Gesetz verabschiedet hat, wonach Polizeieinsätze bei Großveranstaltungen (in dem Fall treffen die Kriterien eigentlich nur auf Fußballspiele von Werder Bremen zu) vom Veranstalter mit zu bezahlen sind. Und das obwohl der Veranstalter keinerlei Einfluss auf die Polizeieinsätze hat.


Foto: Matze Koch

Bringt die Erklärung gleich etwas für Union?

Das sind die übergeordneten mittel- und langfristigen Gründe für Union. Es gibt aber auch sehr kurzfristige und dringende Gründe, warum der Verein ein sehr starkes Interesse an dieser gemeinsamen Erklärung hatte. Nächsten Sonntag steht bereits das nächste Heimspiel gegen 1860 München an und die Sicherheitsbesprechungen für diese Partie zwischen Veranstalter (Union), Gast (1860) und der Polizei sind gerade im Gange.

Ich brauche nicht viel Phantasie, um mir ausdenken zu können, in welche Richtung die Forderung der Polizei gegangen wären. Um den Ernst der Situation mal deutlich zu machen, zitiere ich aus den Durchführungsbestimmungen des DFB:

alkoholimstadionQuelle: DFB (pdf)

Für Union steht: Die Polizei hat sich in wesentlichen Punkten korrigiert. Das nächste Heimspiel kann so stattfinden, als ob es den Polizei-Einsatz vor dem Salzburgspiel nicht gegeben hätte.

Für die Polizei steht: Sie ist gesichtswahrend aus dem Vorfall herausgekommen.

Für uns alle steht: Es wird so schnell keine vorschnellen Pressemitteilungen geben. Die rechtliche Aufarbeitung des Einsatzes wird durch die Justiz vorgenommen (Ich empfehle in dem Zusammenhang die Mitgliedschaft bei der Eisernen Hilfe). Und zum nächsten Heimspiel gibt es kein alkoholfreies Bier oder andere verschärfende Maßnahmen.

Die Erklärung ist Ergebnis der höchsten Diplomatiestufe

Wer den Text der gemeinsamen Erklärung aufmerksam liest, wird sehr schnell merken, wie sehr wahrscheinlich jedes einzelne Wort mehrfach abgestimmt wurde. Oder um es mit dem Kurier zu sagen: „Trotz des klaren Eingeständnisses der Polizei-Fehler liest sich die Presseerklärung so, als sei sie endlos hin-und hergeschickt und bis zur höchsten Diplomatiestufe bearbeitet worden.“ Daran dürfte deutlich werden, wie wichtig dieses Dokument auch für Union ist und was es für eine Leistung darstellt, die Polizei zu dieser Erklärung bekommen zu haben. Bei allem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden geht es auch um die weitere Zusammenarbeit zwischen Verein und Polizei, die uns allen zugute kommt, wenn sie nicht von Konfrontation geprägt ist.

10 Kommentare zu “Die gemeinsame Erklärung von Union und Polizei klärt nichts auf, ist aber extrem wichtig

  1. Honigkuchenpferd

    Sehr gut kommentiert. Setzen, Eins Plus mit Sternchen :-)

  2. Top! :)

  3. Es wurden einige Unioner damit viele andere der Diplomatie geopfert. Die Staatsmacht konnte ungeschoren das Gesicht waren. Ihr glaubt doch nicht ernsthaft das die Polizei irgendwelche Lehren gezogen hat.
    Das der Einsatz der Polizeibeamten verhältnismäßig War ist wohl ein Witz. Bei Ligaspielen kommen doppelt soviele Fans und die Polizei ist, zumindestens 2013, mit teil weiße weniger Personal vor Ort.

  4. Borstel65

    Ein ganz linker Kuhhandel mit gewalttätigen Polizisten.
    Da wird dann noch den eigenen Jungs kräftig in den Arsch getreten.
    Schämt Euch.

  5. diese mitteilung ist in meinen augen ein eingeständnis der abhängigkeit gegenüber einer institution, die niemanden im unklaren darüber lässt, diese willkür auch gerne einzusetzen und die sich im gefühl befindet, am längeren hebel zu sitzen.
    mit wahrheit hat das nicht das geringste zu tun.
    und weil union angst hat, catering-einnahmen könnten beschnitten werden, verlässt der verein den pfad der aufrichtigkeit.
    was ist daran jetzt toll oder wichtig?
    so ändert sich nichts und die polizei kann weiter fröhlich handeln, wie es ihr gerade passt… nur dass sie jetzt zusätzlich noch rabiat einschreiten wird, wenn jemand es wagt, ihre aktivitäten zu filmen.
    das ist ja mal ein herrlicher rechtsstaat…

  6. So verkauft man die Union Seele und das auch noch an jemanden dem die Union Seele sch…. egal ist.

  7. Honigkuchenpferd

    Das ist meiner Meinung nach das erste Mal, dass die Polizei ein Fehlverhalten gegenüber von Fußballfans zugibt. Mit dem Eingeständnis die Lage falsch dargestellt zu haben und somit auch eine Fehleinschätzung der Kräfte vor Ort zu zugeben, gibt die gemeinsame Erklärung den möglichen Klägern gegenüber dem Polizeieinsatz ein gutes Argument an die Hand.
    Das ist der Kern.

  8. Gut kommentiert?! Ja und nein. Geht es hier wirklich um alkoholfreies Bier??
    UNION wird immer wieder in solche Situationen kommen, da man sich gewagt hat das DLF/dfb- Sicherheitskonzept nicht zu unterschreiben, sich traut einen Gegendarstellung zur Pressemitteilung der Polizei abzugeben, sich traut neue Wege zu gehen. Es wäre naiv zu glauben UNION kann unabhängig agieren. Im Ligabetrieb sind wir in ständigen Abhängigkeiten und somit zu derartigen gemeinsamen Presseerklärungen gezwungen. Man muss Kompromisse machen. Kann man gutheißen – muss man aber nicht.

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