Blog State of the Union

Wegen solcher Spiele gehen wir zu Union

Meine Stimme war weg nach dem 2:2 gegen Duisburg. Das lag aber nicht nur am Singen und Brüllen, sondern vor allem an einer aufziehenden Erkältung. Aber die Schlussminuten mit dem Tor in der Nachspielzeit von Florian Hübner haben mich darin bestätigt, auch in zweifelhaftem gesundheitlichen Zustand zum Spiel gegangen zu sein. Mein großes Kind, dass meine über 10 Jahre andauernden Bemühungen ihn zum Unioner machen zu wollen vor Kurzem mit dem Kauf eines Bayerntrikots beantwortete, brüllte wenig Anständiges zum Schluss, als aus unserer Sicht die Erdanziehungskraft auf den einen oder anderen Duisburger stärker wirkte als auf den Rest der Menschheit.

Meine Lieblingsszene war allerdings nicht der Jubel des Torschützen am Ende, auch nicht die trotzig wütenden „Auf die Fresse“-Rufe nach dem Treffer. Es war Rafal Gikiewicz, der mit seinem Freistoß das 2:2 vorbereitete, aber zum Jubeln zu weit weg war und sich alleine feierte. Er zeigte auf sich, damit jeder sehen sollte, wer das Tor vorbereitet hat. Aber obwohl 20.000 Menschen auf den Platz schauten, dürfte nur eine Minderheit dieses witzige Schauspiel mitbekommen haben.

Jubel direkt nach dem 2:2, Foto: Tobi/unveu.de

Wenn wir allerdings die herrliche Emotion nach dem Treffer und die Erleichterung über den Ausgleich beiseite schieben, muss ich klar sagen, dass es niemals überhaupt dazu hätte kommen dürfen. Duisburg hatte zwar gezeigt, dass die Mannschaft spielerisch gut drauf ist, aber der letzte Pass kam fast nie an. Gefährliche Aktionen vor dem Tor von Rafal Gikiewicz waren eigentlich nicht vorhanden. Die Gäste kamen nie in den Strafraum. Und hätte Union nicht zwei Mal den Ball unsauber gespielt (beim ersten Mal vertändelte Kenny Prince Redondo im Spielaufbau den Ball, beim zweiten Mal war es ein Fehlpass von Manuel Schmiedebach kurz vor der Mittellinie), der MSV würde weiter auf sein erstes Tor warten.

Florian Hübner nach seinem Tor, Foto: union-berlin.com

Dieses „dem Gegner nichts anbieten“ von Urs Fischers Team mag zwar über einen Großteil des Spiels auf Nicht-Unioner langweilig wirken, aber genau das macht die Zweite Liga aus. Verteidigen können die meisten Mannschaften, aber einen Gegner auseinander  spielen nur ganz wenige. Dieses Warten auf Umschaltsituationen wie beim 1:2 ist das Spiel der Zweiten Liga. Kontrolliertes Spiel nimmt den meisten Teams den Wind aus den Segeln. Union hat nach dem Slapstick-Tor zum 1:1 kurzzeitig die Sicherheit und  Spielkontrolle verloren und den MSV stark gemacht. Mich hatte das ein wenig an vergangene Union-Zeiten erinnert, als die Mannschaft ab und zu mal den Kopf verlor und so wütend nach vorne stürmte, dass es hinten noch gefährlicher wurde. Es ist noch einmal halbwegs gut gegangen. Vielleicht hilft dieses Erlebnis aber auch dabei, in Zukunft die Konzentration weiter hoch zu halten. Denn eigentlich will ich gar nicht so oft nach dem Spiel hören: „Dit is wieder mein Union!“ Also zumindest nicht im Zusammenhang mit einer weggegeben Führung.

Und jetzt verlasse ich die nüchterne Betrachtung und möchte einfach mal nur Andy Gogia abfeiern, der gestern auf der rechten Seite ein tolles Spiel gemacht hat. Nicht, weil er mit einmal Arschwackeln nach einem gar nicht mal so guten Pass von Felix Kroos das 1:0 gemacht hat. Sondern weil er mit seinen Dribblings immer wieder die Duisburger Ordnung gestört hat, wenn er an einem Gegenspieler vorbeigegangen ist. Und erst heute morgen auf AFTV habe ich gesehen, dass sein abgefälschter Schuss in der ersten Halbzeit an die Latte gegangen ist. Meine Szene des Spiels für Andy Gogia war allerdings wie kurz davor den langen Ball von Manuel Friedrich runtergenommen hat. Das sah so selbstverständlich aus, aber er hat ihn nicht nur runtergenommen, sondern  auch sofort mitgenommen und ist ins eins gegen eins gegangen. Das ist schon eine besondere Qualität.

Andy Gogia im Spiel gegen den MSV Duisburg Foto: Michael Hundt/Matze Koch

Hier sind die Spielberichte der Berliner Medien, die sich natürlich dem Ausgleich in letzter Minute widmen:

Fotos vom Spiel gibt es hier:

Und sonst so?

Der DFB hat die Strafe für die Rauchtöpfe in Sandhausen ausgesprochen:

Peter Kurzweg hat auf Instagram eine Botschaft an die Unioner geschrieben: „Auch wenn die Situation für mich bei Union nicht immer einfach war, habe ich mich nie hängen lassen, habe immer Vollgas gegeben und hatte ein schönes Jahr in Berlin. Trotzdem ist es für mich wichtig, öfter auf dem Platz zu stehen. Union Berlin bin ich dafür dankbar, dass ich nun den Schritt nach Würzburg gehen kann. Ich will in dieser Saison so viele Spiele wie möglich machen und freue mich auf das Jahr bei meinem neuen alten Verein.“

Was mir gestern noch gut gefallen hat: Dass Union das provisorische VIP-Zelt auf dem Parkplatz „Camping-Schlosserei“ genannt hat.

Foto: Stefanie Fiebrig

12 Kommentare zu “Wegen solcher Spiele gehen wir zu Union

  1. Hab in der Halbzeitpause nem Kumpel geschrieben das mich Gogia in den Wahnsinn treibt….der lebende fließende Übergang von Kreis- in Weltklasse. Wenn wir schon bei Spielern sind: kann mir jemand sagen auf welcher Position Felix gestern gespielt hat und was seine Aufgabe dort war?

  2. Nach 15 Jahren bin ich gestern zum ersten Mal früher gegangen. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Erst lästert einer neben mir, warum jetzt eigentlich Neger bei Union spielen dürfen ( gemeint war ein Jugendspieler, der das Werbebanner im Mittelkreis wegräumte). Auf die Nachfrage was der Kommentar solle, bot er mir an, mir gleich eine zu drücken. Als dann einer ein paar Reihen vor mir beim Singen dem Chinesen vor ihm absichtlich minutenlang ins Ohr schrie, dass der sich Hilfe suchend umsah war mir das genug. Wieder mischte ich mich ein und hatte gleich mehrere die sich amboten sich stattdessen um mich zu kümmern…

    Schon beim Pauli Spiel, wo ich mal zur Abwechslung in der Kurve stand, gab es Stress mit Typen die meinten man dürfe sich 45 Minuten vor Anpfiff nicht Mal eben hinsetzen. „Dit ist n Stehplatzstadion, steh sofort uff“. Und das obwohl um uns herum alles frei war…

    Die Stimmung hat sich verändert. Viel aggressiver ( ja Platz wird weniger, das führt zu Stress) aber auch wieder viel fremdenfeindlicher.

    Dieses allgemeine „endlich kann ich öffentlich wieder sagen wie braun ich denke“ stört mich derart, dass meine Konzentration nicht mehr bei Union ist. Das nervt.

    Ich will Union den so Denkenden nicht überlassen und lasse mich nicht vertreiben. Aber ich bin erschüttert, dass niemand sonst da einschreitet…

  3. Es wurde noch ein ähnlicher Fall im unionforum geschildert, dass der Duisburger Torschütze Sukuta-Pasu rassistisch beleidigt wurde. Die aktuellen Vorkommnisse im Land scheinen leider auch den Dummköpfen bei uns wieder Mut zu machen…

    Zum Spiel: ich lese ziemlich viel Positives darüber Inder Presse, vom Urs und auch hier… unsere Stimmung war gestern ziemlich gedrückt, da es ganz schön viel Unvermögen zu sehen gab incl. leichter Fehler, schlechter Pässe, wenig Bewegung usw… und uns mit weniger Glück am Ende auch die Niederlage nicht verwundern hätte brauchen.

  4. Björn Grau

    Muss mich mit Blick auf die Ränge leider D. anschließen. Einige Rufe nach Sukuta-Pasus Tor und nach seiner gelben Karte infolge der Rudelbildung im Sektor 4 waren widerlich. Und das offene Tragen von Tattoos mit eisernen Kreuzen oder Hinweisen auf Stolz und Ehre oder von einschlägigen Klamottenmarken ist auch selbstverständlicher als noch vor wenigen Saisons. Der gesellschaftliche Rechtsruck ist hör- und sichtbar in der AF.

  5. Björn Grau

    Und zum Spiel:
    Warum der Wechsel Kroos-Redondo, der doch spürbar Unruhe gebracht hat?
    Und warum ist unser Keeper nach dem Spiel so ausgerastet?

  6. @Björn: Ich fand, die Unruhe war bereits vorher da. Wir hatten in der zweiten Hälfte Duisburg das Spiel überlassen und so erhoffte ich mir von der Einwechslung, dass Union nun endlich wieder nach vorne spielen würde. Lief bekanntlich anders…

  7. Jedenfalls ist die Redondo-Variante in die Hose gegangen: Nach vorne ohne Effekt, hinten am Gegentor maßgeblich beteiligt. Ohnehin sind die Einwechslungen ohne positive Wirkung gewesen.

    2 schwache Spiele hintereinander, insbesondere die Offensive betreffend. Mein Eindruck ist: Wir verlassen uns gerade stark auf eine gute Defensive und darauf, dass es vorne 1-2 Einzelaktionen vielleicht richten. Das ist in Summe zwar effektiver als sich auskontern zu lassen wie letzte Saison, aber nicht schön anzusehen und daher unbefriedigend.

  8. Ich stand beim Spiel im Sektor 4 und habe leider auch einige rassistische Kommentare sowohl zu Balljungen als auch Sukuta-Pasu gehört.

    RG ist nachdem Spiel nochmal mit der…24? (nicht ganz sicher) aneinander geraten, glaube die haben sich nochmal über das Gerangel im Fünfer unterhalten, welches das 1:1 ermöglichte.

  9. @ D., Björn Grau –

    mir ist diesmal gegen Duisburg mehrfach Publikum unangenehm aufgefallen. Beim Sticker kaufen am WS-Container gegenüber der Abseitsfalle stand einer vor dem Container biertrinkend in einem schwarzen Polohemd mit „Staffel Sachsen“-Aufnäher in den einschlägigen „nationalen“ Farben. Ich frage mich warum die Ultras solche Idioten nicht sofort wegschicken.

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