Blog State of the Union

Ein Spiel, in dem alles passiert

Was war das für ein Fußballspiel?! Bei all den phantastischen Erfolgen von Union in den vergangenen Jahren und all den dramatischen Spielverläufen mit langem Zittern oder späten Toren – so ein Spektakel wie gegen Royale Union St. Gilloise ist nicht, was diese Union-Mannschaft normalerweise produziert. Aber normal ist in dieser Union-Ära sowieso nichts. Das letzte 3-3, das mir einfällt, gab es im November 2020 gegen Frankfurt, und auch das war dramatisch. Aber damals war niemand im Stadion, das Ereignis hat also auch nicht wirklich stattgefunden. Und vor allem war es kein Achtelfinale im Europapokal. Im Stadion an der Alten Försterei erleben wir gerade legendäre europäische Nächte. Wirklich. Ich glaube nicht, dass es nur an wenig Schlaf liegt, dass ich Gänsehaut habe, während ich das schreibe.

Union Berlin Europa
Josip Juranovic feiert sein Tor zum 1:1 mit Diogo Leite. Photo: Matze Koch

Dass dieses Spiel untypisch für diese Union-Mannschaft ist, war danach dann auch allerorten zu hören – im und um das Stadion, in den Stimmen aus dem Team in den Medien und bei AFTV (unter denen interessanterweise Michael Parensen ist) und im Tenor der Spielberichte und Analysen wie der von Till Oppermann beim RBB. Und oft war das kritisch gemeint und bezog sich auf die uncharakteristischen Fehler von Union, die es USG erlaubt haben, in Führung zu gehen. Wieder und wieder. Krass war dabei vor allem der Ballverlust von Christopher Trimmel vor dem 1-2. Dass der Schuss zum 0-1 wegen eines Abfälschens auf absurder Flugkurve ins Tor fiel war ein bisschen Pech, aber auch einer unklugen Abwehraktion geschuldet. Das 2-3 hingegen war in erster Linie ein wirklich guter Konter, der die mangelhafte Absicherung Unions gegen solche Situationen perfekt ausgenutzt hat. Das war bitter, weil diese Stärken von USG ja allzu gut bekannt waren.

Der Blick auf diese Fehler sollte aber nicht verstellen, warum sie eigentlich so ärgerlich waren: Weil Union ansonsten ein sehr gutes, druckvolles und wenigstens phasenweise dominantes Spiel gemacht hat. In den ersten 25 Minuten kam USG so gut wie gar nicht mit Ball über die Mittellinie und Union auch zu einigen guten Chancen. Wie phantastisch wäre es eigentlich gewesen, wenn nach einer Ecke durch Kevin Behrens zum Eisern! Union! Crescendo das 1-0 gefallen wäre?

Das passierte aber eben nicht, sondern Behrens fälschte den Schuss von Boniface unhaltbar ab. Das geschah zu einem Zeitpunkt, an dem das Momentum von Union etwas verloren gegangen war. Dieses Momentum kam dann auch bis zu Josip Juranovics tollem Freistoßtor nicht wirklich zurück, sondern es folgte eine Phase, in der Union keinen Ansatzpunkt fand, um USG’s tiefen 532-Block auszuhebeln.

Etwas gemischter, oder chaotischer, und von ‚Nickligkeiten‘ geprägt war dann der Start der zweiten Halbzeit, zu dem Union aber auch wieder zu Chancen kam, etwa durch Morten Thorsby. Union drückte, Union konterte, Union kam zurück (mit einem etwas glücklichen VAR-Elfmeter), Union konterte nochmal. Für die verbleibende Zeit, noch vor dem Rückspiel und im eigenen Stadion das nötige Ausgleichstor zu schießen, zeigte dann, dass man auch für die vielzitierte Brechstange einen der eben schon erwähnten Ansatzpunkte braucht. In diesem Fall bot USG einen solchen an, indem sie in der 89. Minute bei einem langen Ball in den Strafraum schlecht verteidigten und Sven Michel mit seinem typischen Gespür und technisch starkem Abschluss traf. Und Jamie Leweling und Josip Juranovic hatten noch Chancen zum 4-3, die letzte Sekunden vor dem Pfiff. Aber das hätte uns vielleicht auch wirklich überfordert

So konnte man am Ende sagen: Glückliche Tore, und Tore die uns glücklich gemacht haben. Gefeierte Tacklings, und Fouls die gepfiffen werden oder nicht und uns empören. Eine nicht perfekte, aber aufopferungsvolle (siehe Sven Michel und den Schlag, den er nach seinem Tor abbekommen hat) Leistung der Mannschaft. Dieses Spiel hatte alles.

Das galt vor allem auch für die Ränge. Da gab es einen schön anzusehenden Gästeblock, vor allem bei der Pyro-Aktion vor Spielbeginn, aber auch den Abend über. Diese Pyro war übrigens schon deshalb großartig, weil sie für einen ikonischen Moment sorgte, als unsere Mannschaft vom Pyro-Nebel umhüllt auf dem Platz stand.

Es gab eine Stimmung auf Waldseite und Gegengerade, die manchmal die frustrierenden Momente auf dem Platz widergespiegelt hat, aber auch die Come-backs der Mannschaft gefeiert und, oder mitangezündet hat. Und es gab eine wirklich ausgesprochen schöne Choreo mit einer sehr hübschen Idee und charmanter Umsetzung.

Choreo Union Berlin Europapokal
Die von den ‚Hammerhearts‘ aufgezogene Choreo zu Spielbeginn. Photo: Matze Koch.

Und schließlich wurde nach Abpfiff noch eine ganze Zeit lang dieses Spiel, diese Mannschaft und dieser Verein gefeiert – und Kraft und Vorfreude für das Rückspiel in einer Woche gesammelt.

Presseschau

Der Tenor der Presseberichte zum Spiel ist gemischt:

Auch bei The Athletic gibt es einen Text über das Spiel, und der ist sehr schön und poetisch, und damit definitiv einen Euro für ein (zeitweises) Abo wert.

Und sonst so

Der Ticketverkauf für das Auswärtsspiel in Dortmund läuft seit heute Mittag.

Außerdem legt Union Einspruch gegen die Auswärtssperre der UEFA ein, wie Dirk Zingler am Rande des Spiels sagte. Dazu in den kommenden Tagen hier mehr…

15 Kommentare zu “Ein Spiel, in dem alles passiert

  1. Der ewige Gesang nach Abpfiff war so gut und niemand wollte aufhören. Mit das Beste seit langem, auch das Lied mit Damir überhaupt.

    • Zum Kurvenbrecher wird der Damir-Song, wenn er gesanglich noch etwas ans Original herangerückt vorgetragen wird. Dann gibt’s kein Halten mehr!
      unverbindlicher Link zur San Lorenzo Version: https://m.youtube.com/watch?v=JhkRgJmmOhA

    • Ich mag das Damir-Lied auch, aber die San Lorenzo-Version hat definitiv mehr Energie – vielleicht können die musikalischen Vordenker der Ultras da noch mal feinjustieren. ;)

    • Musiclover

      Kiek an, schon über 10 Jahre alt.

    • Ich hätte da noch einige Textversionen für die erste Zeile:
      Damals mit Olaf Seier noch Oberliga…
      oder
      Damals mit Benyamina noch vierte Liga…
      Das wird schon noch n Kurvenkracher bei uns (wenn alle den Text können – Hausaufgaben machen!) aber an den südamerikanischen Pepp kommen wir nicht so leicht ran. Aba dit wird schon noch.

    • Können auch mehrere Strophen werden.

      Oberliga – dritte Liga – vierte Liga – Bundesliga

  2. Maria Draghi

    Ist eigentlich etwas über die bewusstseinsverengende Wirkung schwefel- und magnesiumhaltiger Dämpfe bekannt?

    • Gorilla_im_Nebel

      Junge, Junge, June… wie eine kaputte Platte…

    • Maria Draghi

      Kann man auch andersherum sehen; dass die Platte „Pyro gehört dazu“ ständig wiederholt wird und man nicht anerkennen will, dass viele diese Meinung gar nicht teilen.

  3. Ja, es sind wirklich legendäre Europapokalnächte in unserer „Alten Försterei“. Da muss man sich kneifen und jeden Moment genießen.

    Danke Union

  4. „Lead Redakteur“ bei der BLZ, lol. Was soll das sein? Komischer Kommentar.

    Damir-Lied war ok, aber nach 10Min bissl ausgelutscht, fand ich. Kenne die Melodie auch nicht – hab wohl was verpasst?

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