Blog State of the Union

Union muss seinen Geburtstag in schlechter Gesellschaft verbringen

Union spielt heute in Leipzig. Und damit zum ersten Mal ohne Publikum gegen das dort ansässige Konstrukt. Das heißt auch, dass der Protest, der Spiele gegen „Rasenballsport“ begleitet, im Stadion wohl nicht zu sehen sein wird. Mir fehlt es in dieser Zeit der Geisterspiele zwar noch viel mehr, im Stadion hinter der eigenen Mannschaft zu stehen, aber das ist trotzdem eine eigene Kategorie des Verlusts in dieser Zeit, in der dem Fußball vieles fehlt.

Mit dieser Ansetzung zeigt die DFL jedenfalls wieder Talent, Union an signifikanten Daten ekelhaft süße Brause ins Bier zu schütten. Denn nach der Begegnung mit „Leipzig“ zum ersten Bundesligaspiel vor anderthalb Jahren fällt diese Partie heute auf den 55. Geburtstag des Vereins.

Wie sich dieses – oder vielleicht doch lieber ein anderes – Spiel zu diesem Datum in nicht-pandemischen Zeiten angefühlt hätte, können wir uns jetzt aber nur wehmütig vorstellen.

Hoffen wir, dass es nicht zu lange dauert, bis wir das (ebenso wie 100 Jahre Stadion an der Alten Försterei zu feiern) in nicht allzu weiter Ferne nachholen können.

Union Vereinsgeburtstag
Unions letztes großes Jubiläum: Der 50. Geburtstag des Vereins.

Wenn man sich den in diesem Tweet gezeigten Bericht in der Berliner Zeitung zur Gründung des Vereins anschaut, kann man allerdings nur ahnen, warum dieses Ereignis auch mehr als ein halbes Jahrhundert später noch interessiert.

Abgesehen von allem anderen dürfte das Spiel heute Abend aber sportlich ganz interessant werden. Ja, man sollte daraus, dass Union angesichts der bisherigen Leistung durchaus realistische Hoffnung auf Punkte haben kann, keine zu hohen Erwartungen ableiten. Aber es würde eben auch niemanden mehr überraschen, wenn es der Mannschaft gelingt auch in diesem Spiel etwas mitzunehmen. Und ich wäre überrascht, wenn sie es nicht schafft, auch für diesen Gegner unangenehm zu bespielen zu sein (in a good way).

„Rasenballsports“ letztes Spiel ist dabei eine ganz interessante Blaupause. Denn wir haben ja gerade erst gesehen, wie Wolfsburg und Union mit nicht ganz unähnlichen Stärken aufeinander getroffen sind. Und Wolfsburg ist es gegen „Leipzig“ gelungen, lange die bessere Mannschaft zu sein.

Wie sie das auch mit einer taktischen Umstellung geschafft haben, erklärt Constantin Eckner gut in der Rasenfunk Schlusskonferenz zum letzten Spieltag. Ich bin gespannt, wie Union und Urs Fischer mit dem heutigen Gegner umgehen werden. Denn als entscheidendes Mittel haben sich für Wolfsburg hohes Pressing und ein aggressiv vorschiebendes Mittelfeld erwiesen. Beides kann Union auch haben, zeigt es in dieser Saison aber meist nur in kurzen Einlagen, während man meistens weiter hinten den Gegner aktiv attackiert. Wie viel hohes Pressing man wagt, ist also eine taktische Entscheidung für das Trainerteam. Die andere ist, wie Union mit Leipzigs Flügelspielern umgeht, die nominell Flügelverteidiger sind, aber die offensivste mögliche Interpretation dieser Rolle zeigen. Spannend wird hier, wer sie verteidigt (Unions Flügelverteidiger oder Offensivspieler), und wie Union versucht, Räume hinter ihnen für eigene Angriffe zu nutzen.

Die angesprochene Folge des Rasenfunks ist zuerst mit einem anderen Titel erschienen, als jetzt darüber steht. Der ursprüngliche hatte aber rassistische Konnotationen, weshalb Max ihn geändert hat und das so erklärt:

Ich finde das ist ein sehr gutes Beispiel für einen selbstkritischen, transparenten Umgang mit der traurigen Tatsache, dass wir rassistische Prägungen haben, die sich manchmal in unserem Verhalten niederschlagen.

Die Berliner Medien und Urs Fischer über die Situation von Florian Hübner

Die Berliner Medien beschäftigen sich heute vor allem mit Hertha, das gestern 3-0 gegen Hoffenheim verloren hat. Aber der Kurier schreibt darüber, was Union mit dem Europapokal zu tun hat, und die Morgenpost darüber, was das Spiel heute über Unions Niveau aussagt.

Die BZ geht auf Florian Hübner ein. Der hat sich, wie Urs Fischer schon am Montag auf der Pressekonferenz zum Spiel berichtete, in einem „heftigen Zweikampf im Training“ schwerer verletzt und musste schon dann in der Charité untersucht werden. Noch ist unklar, wie und wie schwer er sich verletzt hat, die BZ berichtet aber von einer möglichen längerfristigen Zwangspause.
Update von 14:30 Uhr: Der Kicker gibt was die Verletzung betrifft Entwarnung.

Bei dieser Pressekonferenz sagte Urs Fischer auch etwas darüber, wie Florian Hübner damit umgeht, dass ihm nach dem Spiel gegen Leverkusen vorgeworfen wurde, einen Gegenspieler rassistisch beleidigt zu haben (ab Minute 36 im Video). Der Vorwurf gehe Hübner nahe und „beschäftigt ihn, beschäftigt uns alle“, sagte Fischer, und dass die Sache nun geklärt werde und man dann hoffentlich mehr wisse.

Im Vereinsfernsehen von Union gibt es auch ein Gespräch von Christian Arbeit mit Athletiktrainer Martin Krüger, das gar nicht so leicht in ein paar Worten zusammenzufassen ist, und in dem Krüger durchaus interessante Dinge über die physische Verfassung und Vorbereitung der Mannschaft sagt.

Union Frauen

Die Union-Frauen können wegen der Pandemie in einer ohnehin stark fragmentierten Liga seit langem nicht spielen. Nun hat die Regionalliga Nordost festgelegt, wie sie die Saison beenden möchte: Mit nur einer Hinserie, je nach dem Zeitpunkt, ab dem wieder gespielt werden kann, mit beiden Staffeln kombiniert oder getrennt mit einer Art Playoff-Runde zur Ermittlung der wichtigen Positionen.

Rekordtorschützin Jenny Trommer. Screenshot: Instagram.

Bei Union gibt es indessen ein Interview mit Jenny Trommer, die vor zehn Jahren zu Union gekommen ist und inzwischen mit erst 25 nicht nur zu den erfahreneren Spielerinnen im Team gehört, sondern auch Rekordtorschützin des Vereins ist.

Und sonst so

A propos Sachsen: Die Polizei dort hat bei einer Routineverkehrskontrolle eines Fans von Dynamo Dresden Aufkleber, die er in seinem Rucksack dabei hatte, beschlagnahmt. Davon, und davon wie dagegen vorgegangen und die Polizei bewegt wurde, die Aufkleber wieder herauszugeben, berichtet die Dresdner Fanhilfe. Danke an den Millernton für den Hinweis auf diese Geschichte.

21 Kommentare zu “Union muss seinen Geburtstag in schlechter Gesellschaft verbringen

  1. Tschechow

    Sehr schön (und viel souveräner und subtiler als „Rattenball“ u.a. gängige Synonyme für das Konstrukt):

    „Leipzig“ konsequent in Anführungszeichen setzen!

    Danke dafür, Daniel.

  2. Christian

    Irgendjemand muss es ja sagen, also bringen wir’s hinter uns: Da war nichts Schlimmes am ursprünglichen Titel der Rasenfunk-Sendung.

    • Doch. Weil es ein Stereotyp von Menschen mit Migrationshintergrund reproduziert, das dazu führt, dass sie rassistisch gesehen und unfair behandelt werden und sich über sie lustig macht.

    • Schon wieder diese Selbstkasteiung. Dann gehören die Ranjid-Parodien von Kaya Yanar also verboten? Da sind wir dann wieder bei der Frage: Was darf Satire?

    • Unionjohn

      https://11freunde.de/artikel/wolle-rose-kaufen/2855038
      Da war es noch lustig… und jetzt geht’s natürlich garnicht mehr?!

    • „Vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung… – Mir nicht.“

      Ist es ein großer Skandal, diese Formulierung zu verwenden oder die Referenz im Kopf zu haben? Ne. Aber es gibt schon valide Argumente dass das (wenn auch ziemlich niedrigschwelliger) Alltagsrassismus ist… und eigentlich geht es hier ja auch um den souveränen und selbstkritischen Umgang damit, den Max gezeigt hat, weil er das selber so sieht.

  3. @Daniel
    Ich nehm’s mal als mißglückten Versuch von Ironie, dass die böse DFL Union mit der heutigen Ansetzung den Geburtstag habe versauen wollen. Ernst gemeint wäre es kindisch, erinnerte an ähnlich-trumpistische Verschwörungstheorien zum Auftaktspiel der 1. Bundesligasaison letztes Jahr. Vor allem passt es nicht zu Deinem ernsthaften Engagement der letzten Tage, auch wenn man da nicht jede oft arg um die Ecke gedachtes Argument mitgehen muss. Aber vor allem war es Engagement und das ist richtig und zu respektieren.

  4. Na klar. Einmal Opfer, immer Opfer. Kann man sich drin einrichten. Armselig

  5. Hey uli49,

    ich habe für Dich als Serviceleistung mal einen eBay Link rausgesucht. Evtl. kannst Du da billig an etwas kommen, auf das Du dann jedes Wort legen kannst: https://www.ebay.de/b/Goldwaage/30786/bn_55203257

  6. Musiclover

    Ich glaube nicht, dass man bei der DFL dieses Datum bei der Ansetzung auf dem Schirm hatte. Man könnte ja mal bei Christian Arbeit nachfragen, ob der Verein einen Antrag auf Verlegung auf Dienstag gestellt hat….

  7. silberhacke

    in den 50ern war es im deutschen film und fernsehen verpönt, sich über nazis lustig zu, weil man sich dazu aufgerufen fühlte, das nazithema entweder gar nicht oder mit einem dicken moralischen anstrich versehen zu versenden. herausgekommen sind dabei dann die wunderbaren edgar-wallace-streifen, in denen deutsche schauspieler engländer mimen, die sie nicht waren und sich einen habitus überstreiften, den sie nicht füllen konnten. den humor hat man in der folge truppen wie monty python überlassen, die zwar auch keine deutschen, sich aber nicht davor fürchteten, das sog. deutsche mit leicht erkennbaren äußerlichkeiten zu karikieren. wenn ich mich nicht täusche, fand das ein großteil des publikums, sogar des deutschen, sehr sehr komisch und wollte mehr davon, weshalb sich ein gewisser alfred biolek aufmachte und die pythons für ihre fernsehshows nach deutschland holte.
    was ich damit sagen will: die kontextlose moralisch aufgeladene zensur fürhrt in eine trostlosigkeit, die die des nächtlichen dartmoors bei weitem überschreitet.
    oder auch: ich wolle rose!

    EISERN

  8. „Ich finde das ist ein sehr gutes Beispiel für einen selbstkritischen, transparenten Umgang mit der traurigen Tatsache, dass wir rassistische Prägungen haben, die sich manchmal in unserem Verhalten niederschlagen.“

    Also jetzt reichts aber… Als Ossi mit den Namen Kevin wurde ich im Westen auch verarscht, wenn ich ne Banane gegessen habe… Gab’s ja zu DDR-Zeiten kaum. Das nennt man Humor.

    Ich dachte, dass wäre ein Blog über Union? Leider verkommt das hier immer mehr zu… ach was weiß ich…

    • @Kevin Dieser Blogartikel hat 6500 Zeichen über Union, tut mir leid, dich gezwungen zu haben, auch diesen Satz zu lesen.

    • Das hat weniger mit Psychologie zu tun als vielmehr mit der Intention deiner Kommunikation. Ich will es auch gar nicht selbst wissen. Ich glaube nur, dass du es gut meinst, aber dir durch deine Kommunikation viel verbaust. Der Hinweis war allein wohlwollend dir gegenüber gemeint. Nichts anderes!

      Ja es ist ein gutes Beispiel. Da wollte ich auch nicht widersprechen. Ich finde allein, dass man, wenn man was erreichen will, eher auf andere Meinungen eingehen sollte, sonst erzeugt man beim Gegenüber eine Blockadehaltung und erreicht am Ende nichts.

  9. Daniel geht es dir beim Thema Rassismus/Alltagsrassismus darum zu zeigen, dass du dagegen bist oder geht es dir am Ende auch darum wirklich etwas bei dem Thema zu bewegen?

    Wenn das der Fall sein sollte, dann solltest du mal in dich gehen und darüber nachdenken, wie man andere Leute bei diesem Thema mitnimmt, überzeugt und auf sie eingeht. Denn nur dann werden sich da Erfolge einstellen. Aktuell fährst du mit deinem Vorgehen dort mit 200 km/h gegen eine Mauer und erreichst nichts außer herauszustellen, dass du gegen Rassismus bist. Ich hoffe und denke aber, dass das nicht dein alleiniges Ansinnen ist.

    • @Smooth Ich finde meine persönliche Psychologie ein ziemlich uninteressantes Thema, das man hier diskutieren kann.

      Zum „bei dem Thema etwas bewegen“: Heute kam das Thema Rassismus hier mit einem Beispiel für guten Umgang damit vor, das, nochmal, ziemlich unabhängig davon ist, wie schlimm man die fragliche Verfehlung findet. Edit: Und den Fall hab ich erwähnt, weil ich den Podcast um den es geht, sowohl heute als auch vorgestern verlinkt habe. Was genau findest du daran kontraproduktiv?

    • Jens Otto

      @ Smooth : volle Zustimmung, mich nervt die Art von Indoktrinierung und Missionierung und erinnert mich an meine Schulzeit in der DDR, dabei bin ich bei Daniel und den den anderen S.E.O.N.-Leuten, NUR STÄNDIG das Thema ist nun auch mal gut, und wie du es schon sagst: es erzeugt nicht nur bei mir das Gegenteil! Habe ich textilvergehen bis vor kurzer Zeit noch täglich gern gelesen, habe ich nun keine Lust mehr mir das anzutun und überfliege maximal den Blog!

  10. Ist keine Zwangslektüre hier, mal ehrlich. Wenn man sich durch die Meinung im Blog angegriffen fühlt, dann hilft der Vergleich mit Propaganda und Autokratie nicht. Und nur weil jemand über den Umgang mit Thema XY laut nachdenkt, muss nicht gleich (sorry, Neudeutsch) Whataboutism ausgepackt werden.
    Ich bin auch nicht bei jedem Gesellschaftsthema gleichermaßen enthusiastisch, aber völlig frei in meiner Lektürewahl. Einen halben Daniel/Felix/Sebastian gibt es nicht, denn sie teilen einfach ihre persönliche Wahrnehmung der teilweise echt kontroversen Themen. Ich freue mich über den Mut eigene Gedanken zu teilen.

    Ich mag auch den Austausch hier unten in den Kommentaren, aber wir müssen uns nicht gleich ans Bein pinkeln. Ich bin tatsächlich überrascht, dass die pure Existenz dieser Themen so viele Menschen persönlich treffen bzw. vor den Kopf stoßen. Ist halt Teil von Sport (Menschen treffen auf Menschen) und FußballKULTUR. Ansonsten kann man auch die Spielberichte im Kicker lesen.

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