Blog State of the Union

Union gibt gleich zwei Antworten auf die Frage nach Konsequenzen aus der schlechten sportliche Leistung

Union machte in der sportlichen Leitungsebene gestern Tabula Rasa:

  • aus dem Sportgeschäftsführer Lutz Munack wird der Geschäftsführer Nachwuchs und Amateurfußball (Vereinsmitteilung)
  • der Vertrag mit Helmut Schulte als Leiter der Lizenzspielerabteilung wurde aufgelöst und die Position entfällt bei Union (Vereinsmitteilung)
  • Chef-Trainer André Hofschneider wird zur neuen Saison eine neue Aufgabe als Trainer im Verein bekommen
Trainer André Hofschneider, Foto: Stefanie Fiebrig

Dirk Zingler wirkte sehr angefasst, als er sich zu den Personal-Entscheidungen in der Profi-Abteilung äußerte: „Was die menschliche Komponente betrifft, ist das ein Tag im Profifußball, der zum Kotzen ist. Der gesamte Tag ist eine Katastrophe für mich.“ Hintergrund ist, dass er als Präsident bereits wahnsinnig lange mit André Hofschneider und Lutz Munack zusammenarbeitet und man sich schon sehr gut kennt. Man habe aber für den sportlichen Bereich den Plan für die abgelaufene Saison analysiert, was gut und was schlecht gelaufen ist (abseits von den für alle sichtbaren Ergebnissen der Profimannschaft). In der Pressemitteilung des Vereins ist daraus dieser Satz geworden: „Die Analyse umfasste Strukturen, Entscheidungswege und auch die personelle Besetzung von Positionen. Wir haben in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit kurzen, schnellen Entscheidungswegen und klaren Verantwortlichkeiten gemacht. Das wollen wir mit diesen Veränderungen wieder erreichen.“

Daraus kann man alles und nichts lesen und viel konkreter ist Dirk Zingler auch im Gespräch nicht geworden. Keine genauen Aussagen darüber, ob vielleicht der Informationsfluss vom Profiteam bis hin zum Präsidium zu langsam oder unvollständig war. Das lässt viel Interpretationsspielraum. Wichtiger aus meiner Sicht ist, dass Union auf die Frage, wie man aus dieser sportlich enttäuschenden Saison rausgeht, zwei verschiedene Antworten gegeben hat: Der Verein geht an die Struktur (die Organisation des Profisports wird neu gestaltet) und die Personen, die bisher dort gearbeitet haben, müssen ihre Posten räumen.

Präsident Dirk Zingler beim Heimspiel gegen Heidenheim: Foto: Stefanie Fiebrig

Auch wenn es keiner direkt sagt, so dürfte die nicht besonders trennscharfe Aufgabenverteilung zwischen Leiter der Lizenzspielerabteilung und dem Sportgeschäftsführer, die zumindest nach außen kaum zu vermitteln war, als strukturelles Defizit ausgemacht worden sein. Hier dürften Reibungsverluste entstanden sein. Und wenn Dirk Zingler sagt, er möchte als Präsident wieder näher ranrücken an den Profibereich, dann will er wieder mehr mitbekommen, welche Themen Mannschaft und Trainer bewegen. Die vergangenen 5 Wochen, in denen er im Hotel dabei war, im Bus mitgefahren ist und in der Kabine war, seien da für ihn sehr aufschlussreich gewesen. Manchmal ist es der Umkehrschluss, der bei Union zu verstehen hilft. Der würde hier bedeuten, dass aus Sicht des Präsidiums nur unvollständige Informationen angekommen sind in dieser Saison. Oder um es mit einem Satz aus der Pressemitteilung zu beantworten: „Die Bereiche Profifußball und Nachwuchs- / Amateurfußball werden künftig getrennt voneinander von zwei Geschäftsführern verantwortet. Diese berichten jeweils direkt an das Präsidium.“

„Näher an die Mannschaft rücken“ bedeutet nicht, dass Dirk Zingler zukünftig beim Spiel auf der Bank sitzen oder weiter im Bus mitfahren und in der Kabine dabei sein wird. „Wenn der Präsident dabei ist im Hotel, in der Kabine, im Bus ist das ein Eingeständnis des Scheiterns“, sagt er dazu. Das sei eine Ausnahmesituation zum Saisonende gewesen, um als Verein näher zusammenzurücken und alles für den Klassenerhalt zu tun. Aber prinzipiell sei es falsch. Es entspricht nicht seinem Verständnis davon, wie er das Präsidentenamt ausüben möchte.

Wenn Dirk Zingler von Mitarbeitern spricht, dann sagt er, dass diese Fehler machen können und dürfen. Das ist eine Binsenweisheit, aber es hilft, sie häufig auszusprechen: Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht. „Fehler sind manchmal systembedingt oder eine Frage von Qualität“, sagt der Präsident.

Dirk Zingler, Lutz Munack, Helmut Schulte, Foto: Matze Koch

Die Personalentscheidungen begründet er mit einem neuen Impuls, den man sich davon erhoffe. Das persönliche Vertrauen in André Hofschneider und Lutz Munack ist weiter vorhanden. Deutlich sichtbar daran, dass Lutz Munack weiter Mitglied im Präsidium bleibt und, auch das vielleicht eine Kuriosität im Profifußball, als Mitglied des Präsidiums auch über seine faktische Degradierung vom Geschäftsführer Sport zum Geschäftsführer Nachwuchs und Amateurfußball mitentschieden hat. Es spricht laut Zingler für Munack, dass dieser im Sinne des Vereins als Präsidiumsmitglied und nicht als Angestellter in diesem Gremium Entscheidungen treffen würde.

Vielleicht ausschlaggebend für die Degradierung von Lutz Munack und André Hofschneider dürfte gewesen sein, dass beide beschädigt aus dieser Saison gegangen sind. Der Trainer hatte unfassbares Pech mit vielen Entscheidungen und vieles vom Misserfolg wird zu sehr mit Munack verbunden, selbst wenn er bei bestimmten Punkten nur indirekt dafür verantwortlich war. Es dürfte schwer vorstellbar gewesen sein, mit beiden glaubhaft zu signalisieren, dass sie für die neue Saison den Weg kennen, der zum Erfolg führt und alle ihnen folgen sollten. Oder anders gesagt: Wenn Mannschaft, Zuschauer, Mitglieder, Sponsoren und so weiter nicht die Überzeugung haben, dass der Weg mit Munack und Hofschneider der richtige ist, wird der kleinste Misserfolg zu ähnlichen Verwerfungen und Unmut wie in der Rückrunde führen.

Das sind die Analysen der Berliner Medien zu den strukturellen und personellen Konsequenzen bei Union:

Hier die Kommentare dazu:

Heute um 13 Uhr wird auf einer Pressekonferenz der Geschäftsführer Profifußball vorgestellt (live auf AFTV). Dessen erste große Aufgabe wird die Verpflichtung eines Trainers sein.

Wir haben gestern im Podcast etwas detaillierter die Personal-Entscheidungen durchdekliniert: Teve331 – Braunschweig hätten auch wir sein können

Wer Lust hat, sich in feinen Infografiken zur Union-Saison zu verlieren, sollte mal bei der Morgenpost vorbeischauen:

Und sonst so?

Steffen Baumgart hat beim SC Paderborn eine Ausstiegsklausel im Vertrag (Westfalenblatt).

9 Kommentare zu “Union gibt gleich zwei Antworten auf die Frage nach Konsequenzen aus der schlechten sportliche Leistung

  1. Jürgen

    Ich finde den Kommentar von Jan Reinold im Kicker recht interessant, da er auch auf die Verantwortung von Dirk Zingler hinweist und dessen Haltung hinterfragt:
    http://www.kicker.de/news/fussball/2bundesliga/startseite/723881/artikel_mammutaufgabe-fuer-neuen-union-manager.html

  2. Gerade diesen Kommentar fand ich schwer verdaulich. Das macht ihn zwar zum sehr guten Kommentar, doch inhaltlich gab es bereits min Podcast und im Eintrag oben die Antwort: Größere Nähe hat zunächst einmal mit Kommunikation zu tun. Sollte die Struktur nun besser funktionieren, kann DZ sicherlich auch wieder defensiver auftreten. Denn ich glaube das war sein (heimliches) Ziel.

  3. Die Infografiken sind tatsächlich interessant. Zum Beispiel in Hinblick auf die Defensivschwäche auf Trimmels Seite. Andererseits hatten wir offenbar super Zweikampfwerte und wenig Torschüsse zugelassen. Das hat sich nicht immer so angefühlt. Vielleicht weil wir in den entscheidenden Situationen gar nicht in Zweikämpfe kamen und oft mit weiten Bällen überspielt wurden?
    Vielleicht kann Daniel da ja noch ein bisschen was draus destillieren.

  4. Tarantandy

    „Der Trainer hatte unfassbares Pech mit vielen Entscheidungen“?
    Das vielleicht auch, aber ich meine, er war seiner Aufgabe schlicht nicht gewachsen. Das, und nicht das Pech, war der entscheidende Grund für sein Scheitern. Wir alle waren skeptisch ob seiner Einsetzung als Cheftrainer, und leider hat es sich voll bewahrheitet.

  5. Der Kommentar im Kicker ist viel zu polemisch und stichelt mehr sinnlos im Feuer herum, als scharf zu analysieren oder die Situation einzuordnen. Ich würde mich anstelle von DZ ebenfalls gegen einen solchen Begriff wehren!
    Hilfreicher war hingegen der Bericht im selben Blatt, der mir noch einmal die Augen geöffnet hat, was Transferpolitik in der Vergangenen Saison bedeute und wie diese funktionierte mit:
    Marc Torrejon, Marcel Hartel, Grischa Prömel, Akaki Gogia, Christoph Schösswendter, Peter Kurzweg, Atsuto Uchida

  6. Mal von Schösswendter abgesehen (von dem man sich ja im Grunde gar kein Bild machen konnte), fand ich die Transfers gar nicht so daneben. Nur hatte ich den Eindruck, die Spieler konnten selten ihr volles Potenzial abrufen. Ob nun wegen falscher/unklarer Position (Gogia), Formkrise (Hartel), unregelmäßigen Einsätzen (Prömel, Kurzweg), Fitness (mangelnder Uchida) oder warum auch immer. Torrejon machte mir zwischenzeitlich sogar einen stabileren Eindruck als Leistner.

  7. framlin

    @Basti, da stimme ich Dir absolut zu.
    Von daher war ich (mal abgesehen von den nachvollziehbaren strukturellen Überlegungen) schon etwas erstaunt, dass der Leiter der Lizenzspielerabteilung (der vermutlich für die Kaderzusammenstellung zuständig war) gefeuert wurde, während sein Chef, der für das Große und Ganze, also z.B. den Trainer verantwortlich gewesen sein dürfte, im Präsidium bleibt.

  8. Gorilla-im-Nebel

    Macht Ihr jetzt eigentlich noch einen Saison-Abschlusspodcast nachdem sich die Ereignisse so überschlagen… Die PK heute lieferte zumindest genug Stoff dafür…

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