Blog State of the Union

Keiner wird es wagen

Diese Union-Mannschaft hat uns in im vergangenen Jahr schon auf verschiedene Weisen beeindruckt. Mit souveränen Derbysiegen, hart erkämpften Punkten gegen Abomeister, dominanten Auftritten gegen große Namen der Liga und ultra-dramatischen Last-Minute-Siegtoren. Aber irgendwie fand ich das 3-1 am Samstagnachmittag gegen Hoffenheim dann doch noch einmal auf eine eigene Art und Weise beeindruckend.

Danilho Doekhi lässt wieder das Stadion explodieren. Photo: Matze Koch. Danilho Doekhi lässt wieder das Stadion explodieren. Photo: Matze Koch.

Denn Union kam aus einer langen Wettbewerbspause, in die man zwar mit einer hervorragenden Hinrunde, aber eben auch ein paar potentiell verunsichernden Niederlagen im Gedächtnis gegangen ist. In der daran gearbeitet werden sollte, den Spielstil der Mannschaft weiterzuentwickeln. Wobei aber fraglich war, wie unmittelbar und weitreichend diese Anpassungen in den anstehenden Pflichtspielen umgesetzt werden würden. Und dann lief in dieser wackel-anfälligen Situation auch noch die erste Halbzeit sehr unglücklich. Kurz: Es wäre nicht ungewöhnlich gewesen, wenn Union dieses Spiel verloren hätte.

Aber Union hat das Spiel nicht verloren. Statt sich von dem Rückstand zur Pause verunsichern zu lassen, hat die Mannschaft in der zweiten Halbzeit ‚einfach‘ noch intensiver gespielt. Sie hat noch mehr Zweikämpfe gewonnen, direkter nach vorne gespielt und sich mit Präsenz rund um den Strafraum immer weiter Torgelegenheiten erarbeitet, bis der Ausgleich, die Führung und die Entscheidung gefallen sind. Und Danilo Doekhi hat jetzt schon zum zweiten Mal für einen legendären Moment gesorgt, diesmal sogar mit beiden Toren jeweils nach Flanken von Christopher Trimmel.

Dabei war in meinen Augen die erste Halbzeit durchaus nicht schlecht. Union hatte da nicht wirklich eine neue Spielanlage gezeigt, aber einige gute Ballgewinne (Genki Haraguchi!) gehabt, und ist damit auch zu zwei, drei guten Chancen gekommen – selbst abgesehen von dem Elfmeter, den Jordan an den Pfosten gesetzt hat. Aber Hoffenheim hatte eben auch drei gute Chancen. Die letzte davon hat Ihlas Bebou genutzt, nachdem Hoffenheim einen Konter gefühlt zu einfach spielen konnte, das aber auch sehr gut gemacht hat. Ebenfalls gefühlt trifft Bebou übrigens in jedem Spiel gegen Union, in Wirklichkeit aber nur in drei von acht Spielen (er spielte mit Hoffenheim und Düsseldorf gegen Union).

In der Halbzeit hat sich dann an den Systemen und der Taktik der Mannschaften gar nicht so viel geändert. Union hat sein Konzept aber eben wie erwähnt noch konsequenter und mit mehr Präsenz umgesetzt. Und auf diese Weise kann diese Mannschaft, wie wir inzwischen schon oft gesehen haben, eine Wucht entwickeln, die zu der Atmosphäre an der Alten Försterei passt.

Die Stimmung konnte ich leider aufgrund meines Exils nur aus der Ferne vermuten. Aber auch in der platonischen Höhle, die eine Sky-Übertragung für Fußball-Erlebnisse darstellt, wirkte sie sehr sehr gut. Inklusive eines neuen Lieds, das zu Beginn der zweiten Halbzeit angestimmt wurde. Wumme hatte als letztes Lied in der Pause Yellow Submarine von den Beatles gespielt und das war der Startschuss.

Liedtext zu Liedtext zu „Vorwärts, vorwärts Fußballclub Union“ im Kurvenflyer zum Spieltag

Neben all den guten Dingen an diesem Spiel gibt es aber leider auch wieder einen Bericht über ekelhaftes Auftreten von Nazis und Rassisten in unserem Stadion.

Transfernews

Union steht offenbar kurz davor, Josip Juranovic von Celtic als neuen Rechtsverteidiger zu verpflichten. Berichte darüber gibt es seit dem Wochenende und aktuell auch in den Berliner Medien

Dieser Transfer ist auch wieder einer, der zeigt, dass Union in Sphären angekommen ist, die neu für uns sind. Juranovic ist 27 Jahre alt, also mitten in den besten Jahren der Standard-Fußballerkarriere, spielt bei einem Top-Club einer kleineren Liga und ist Stammspieler einer Nationalmannschaft, die in den letzten zwei WM-Halbfinals stand. Dass Union so einen Spieler verpflichten kann, ist immer noch neu.

Aber es ist eben auch pragmatisch wertvoll. Denn Union ist in der Lage, in der zweiten Hälfte der Saison diese nicht nur gelungen ausklingen zu lassen. Sondern es geht noch um echte Erfolge: Ligaplatzierungen, die einen Unterschied machen, prestigeträchtige und historische Europapokalspiele, mögliches Weiterkommen im Pokal. Es geht noch um etwas. Also ist es wichtig, Julian Ryersons Wechsel (der trotzdem weh tut) mit jemandem zu kompensieren, der Potential für die kommenden Jahre hat, aber auch sofort helfen kann. Das ist auch wichtig, weil Christopher Trimmel eben nicht alle Spiele machen kann – jedenfalls nicht so, dass er dabei maximal effektiv ist.

Dass der Wechsel bevorsteht, wird von Celtics Seite (Trainer Ange Postecoglu) auch schon bestätigt.

Und sonst so?

Die Berührungsängste mit Rasenballsport Leipzig scheinen bei Union insgesamt nicht mehr so groß zu sein. Denn der Nachwuchs hat freiwillig ein Testspiel mit dem Franchise aus Leipzig vereinbart. Das berichtete die Bild am Freitag.

23 Kommentare zu “Keiner wird es wagen

  1. Ich hatte leider auch eine ekelhafte Begegnung mit einem Stadionbesucher, der bei den abschließenden „Sieg“-Rufen immer stramm den rechten Arm nach oben riß. Hat er dann nach kurzer Ansprache zwar sein lassen, aber mir hat’s trotzdem ganz schön die Stimmung verhagelt.
    Vielleicht kann man auch mal gemeinsam überlegen, ob dieser Ruf unbedingt sein muß oder ob es nicht Alternativen zum Feiern eines Sieges gibt. Habe leider im Laufe meiner Jahre bei Union auch hin und wieder erlebt, daß Leute den „Sieg“ um Heil-Rufe ergänzen.

    • Ich habe bei diesem Ruf auch immer ein sehr ungutes Gefühl.
      Meine Bezugsguppe sing deshalb immer – Wir gewinnen sowieso, Eisern Union.-
      Und wir werden immer mehr an der Mittellinie.

    • Elisa Martha

      Danke, dass auch du dich stark gemacht hast und nicht ignorierend weggeschaut hast

    • kleinkeul

      Wir haben bei uns in der Gruppe ‚jewonn‘ stall dem zweideutigen Sieg eingeführt. Leider verbreitet es sich nicht so wie gehofft. Vielleicht is es für euch auch eine Alternative.
      Eisern

  2. Vielleicht kann man Max Kruse zurück holen und nur bei Elfmeter einwechseln.
    Peinlich, wie Sibatcheu bereits den zweiten kläglich vergeigt hat.

  3. Leider hat Union nur deshalb gewonnen, da vor dem 2:1 per Kopfball die Ecke nicht hätte gegeben werden dürfen. Zuvor war Abseits!

  4. „Union Walzer“ im Kurvenflyer
    „Wenn der Einsatzwagen brennt und der Bulle leise flennt …“
    Primitiver geht’s ja nicht mehr.
    Das ist nicht das Niveau, das unseren Verein auszeichnet oder liege ich da falsch ?

    • Musiclover

      Du scheinst nicht zu wissen, von wann dieses Lied ist. Klassiker!

    • hallo Musiclover, natürlich weiss ich das als Ü60, aber wir sind nicht in den 70er oder 80er Jahren in der DDR, sondern wir sollen es heute singen.

    • Meine Güte, zieh dir nen Rock an. Wir können auch sämtliches altes Liedgut vergessen und nur noch genderneutrale Heititei Chants schmettern…??

    • Mein Gott, akzeptiert doch einfach mal eine andere Meinung. Mir geht’s nicht um sämtliches altes Liedgut, sondern nur um das eine. Ich finde den Text in der heutigen Zeit unpassend, mehr nicht.
      PS: ich bin Unioner und ziehe mir keinen Rock an; Gendern finde ich übrigens auch doof, aber das soll jeder so halten wie er will.
      UNVEU

  5. Grad Ryerson als Biene Maja gesehen… Trikot steht ihm nicht

  6. Elisa Martha

    Mir gruselt es nach Abpfiff auch immer vor den „Sieg“ Rufen. Denn da hat man über die Jahre hinweg einige erhobene rechte Arme zu sehen und „Heil“ Rufe zu hören bekommen. Schlimm :(

    Was mich erschüttert und wirklich nachdenklich macht, ist die Ignoranz mit der viele andere Stadionbesucher:innen solchen Ereignissen gegenüberstehen. Aus Angst vor eventueller Gewalt? Aus Gründen „geht mich nichts an, ist ja nicht mein Kumpel“? Oder schlichtweg, weil jede:r ein anderes Empfinden für solche Dinge hat? Also dass manche so etwas wirklich nicht mitbekommen, weil sie nicht so sensibel auf bestimmte Dinge reagieren?
    Ich wünsche mir, dass wir weiterhin alle gemeinsam gegen Rassismus und Faschismus einstehen und dem einen Namen geben, nämlich: Nazis raus aus den Stadien!

  7. Maria Draghi

    „takes penalties too…“ Ironie oder Schadenfreude, egal. ?

  8. Ich verstehe, dass man aufgebracht ist, wenn gegnerische Spieler vor der Waldseite provokant jubeln. Mir sind auch nur zwei Spieler in Erinnerung, die das machen: Bebou und Diaby. Das rechtfertigt aber nicht, ihn beim N-Wort zu rufen mit Attributen, die ins Klo gehören. Leider hab ich bei den Pfiffen nebenbei nicht genau orten können, wer das war. Ist traurig, aber leider wahr (Waldseite).

    Ach ja, könnten wir wieder Einwegbecher einführen? Nach dem 2:1 hat mich ein Becher getroffen und mir war dann kurz schwarz vor Augen.

  9. Was war denn nach dem Spiel auf der Waldseite los? Die Spieler frieren sich den sonstwas ab und die Waldseite zieht einfach gefühlt dutzendmal den Singsang durch.
    Da sollte der Vorsänger etwas besser reagieren. War ja dann auch ziemlich kurz als die Spieler noch mitmachten.

  10. Daniel vom Schlachthofviertel

    Mir wird auch immer etwas komisch in der Magengrube, wenn wir „Sieg!“ rufen. Aber bislang habe ich mich dann doch immer von der Masse mitnehmen lassen. Wir können das gerne ersetzen.
    Nazis und Rassisten gehören nicht in unser Stadion und in überhaupt kein Stadion!
    Ich hoffe, dass wir einander unterstützen, wenn wir gegen rechte Äußerungen einschreiten. Das muss immer sofort passieren. Durch Schweigen fühlen sich solche Ärsche (mir fällt kein passenderes Wort ein) bestätigt.

  11. Weil ein paar Trottel sich bloß stellen und den Schlachtruf „Sieg“ mißbrauchen, soll man ihn gar nicht mehr bringen? Das ist beides fast genauso dämlich.
    Solange diese Personen Widerstand bekommen und dadurch vielleicht sogar mal anfangen zu grübeln, ist doch alles ok. Das Leben beinhaltet nun auch mal unangenehme Situationen.

  12. Christopher87

    Das Sieg Gebrülle gehört nach so einem Spiel genauso zum Fußball wie die Pfeife zum Schiedsrichter. Das in frage zu stellen ist doch lächerlich. Genauso wie Lieder die gesungen werden . Mein Gott lasst die Kirche im Dorf .
    Es wird immer so sein das gewisse Leute gewisse Dinge für sich auslegen .
    Ich bin kein Veganer !!! Doch ich fordere ja auch nicht Veganer raus aus unserem Stadion .
    In einem Kommentar im Internet ist man immer laut . Doch wichtiger wäre in solch einem Verhalten im Stadion einzuschreiten und seine Stimme Kraft zu verleihen . Und wenn man Angst hat ?! Frage ich mich wo vor denn bitte ?? Schläge zu kriegen ? Ist doch Quatsch . Vielleicht kriegt man mal eine gefangen , dich genau dann spätestens werden genug Menschen einschreiten um den schwächeren zu schützen!!! Davon bin ich fest überzeugt !

    Lasst uns gemeinsam Eisern sein

  13. Ich möchte auch bitte, dass sich nie etwas ändert, was schon immer so war und Dinge als „dazugehörig“ bitte zu akzeptieren sind, weil eine gewisse Anzahl von Menschen sagt, dass das nunmal so zu sein hat. Nichts hinterfragen und überdenken, lieber im Stadion prügeln und sich Dinge auslegen. Und dann alles so lassen, damit sich diejenigen, die sich vor Veränderung fürchten, nicht bewegen müssen und sich bequem in ihrer Dorfkirche zurücklehnen können.

    Das muss doch mal drin sein. Wir lassen Euch schließlich auch in Ruhe Gemüse essen. Nehmt uns bitte nicht auch noch den Nervenkitzel, dass wir einmal pro Woche fast Sieg Heil rufen dürfen…

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