Blog State of the Union

Nichts ausschließen und noch weniger erwarten

Komplimente, die von außerhalb der eigenen Bezugsgruppe, der eigenen Bubble kommen, also nicht von Freund*innen, Familie oder direkten Kolleg*innen, sind meist die ehrlichsten. Derzeit fällt den Verantwortlichen der Bundesliga und hier natürlich den Trainern der anderen Mannschaften nichts anderes ein als Unions Erfolg anzuerkennen und zu loben.

So konkret wie BVB-Trainer Edin Terzic hat sich dies aber bisher noch kein anderer Übungsleiter eines Bundesliga-Konkurrenten getraut das auszusprechen: „In allererster Linie, ist es das, was Spitzenteams ausmacht. Jeder weiß was sie tun und keiner kann es verhindern“, sagte Terzic nach Unions Sieg gegen Borussia Dortmund am Sonntag.

Im Gegensatz von sonst oft bemühten (medialem bzw. öffentlichem) Narrativ, dass Unions Erfolg vor allem mit Überperformance und einer Menge Glück zusammenhängt, ist diese Einschätzung für uns als Fans genauso wohltuend wie nachvollziehbar. Natürlich reibe ich mir auch jedes Mal verwundert die Augen, wenn ich Ergebnisse sehe, die der 1. FC Union Berlin Wochenende für Wochenende fabriziert. Beim Blick auf das Spiel ist das komplett anders. Die Spielidee, die Union seit nun mehr einigen Spielzeiten auf den Rasen zaubert bzw. arbeitet, ist in fast jedem Spiel mehr oder weniger ähnlich. Alle Analyst*innen und Trainer kennen sie, dennoch ist der Geheimcode noch lange nicht entschlüsselt, den Urs Fischer mit Beginn seiner Amtszeit in die Wuhlheide gepflanzt hat wie ich bereits vor einigen Wochen geschrieben habe.

Auch internationale Medien versuchen sich immer häufiger an Erklärungsversuchen. Ein sehr schöner Ansatz ist von Raphael Honigstein in The Athletic formuliert worden: Union sei ein „team of pure collectvity and togetherness“. Das kann wohl mit einer eingeschworenen Bande, die seinesgleichen sucht, übersetzt werden. Einfach halt ein grandioses, selbstloses Kollektiv. Natürlich ist auch dies keine komplett neue Erkenntnis sondern etwas, dass sich u.a. durch Unions Vereins-DNA entwickelt hat.

Jeder Spieler weiß im System Urs Fischer (jaja, ich weiß, schon tausendmal geschrieben und gehört) was er zu tun hat und was eben nicht. Und so überrascht es dann eben auch nicht, wenn Union wie bei 11Freunde beschrieben bei einem Spiel wie am Sonntag mit der eigenen Spielweise (deutlich höhere Laufleistung, Zweikämpfe in den entscheidenden Räumen gewinnen) gegen ein Team wie den BVB elf Punktsiege erringt. Gegen ein Team, welches nach der eigenen DNA, der eigenen Identität und auch Spielweise sucht. Exemplarisch stand dafür das Duell Robin Knoche gegen Karim Adeyemi.

Jedes grandiose Kollektiv hat jedoch auch immer Einzelkünstler, die etwas herausstechen, da sie durch einzelne Aktion das Spiel entscheiden können. Das gute bei Union ist, dass vor dem Spiel nie klar ist, wer das sein wird. Mit dem Tipp Sheraldo Becker liegt man in der Regel zwar schon einmal nicht komplett falsch. Sherry ist in vielen Kategorien absolute Bundesliga-Spitze. Auch in Spielen wie am Sonntag, in denen nicht alles gelingt, ist er alleine durch seine Präsenz für gegnerische Verteidigungslinien eine permanente Bedrohung. Dennoch besteht keine Abhängigkeit von ihm.

Vor zwei Tagen war es bspw. Janik Haberer, der mit seinen zwei Toren schon nach etwas mehr als 20 Minuten im Stadion, auf den Rängen, eine Siegesgewissheit reifen liess, die angesichts der Qualität des Gegners als auch der erst wenig absolvierten Spielminuten einigermaßen absurd und dennoch nachvollziehbar war.

Einmal in Rückstand wird es derzeit für jedes Team auf der Welt schwer, dieses Union von Urs Fischer zu schlagen. Der Umstand, dass Union so häufig in Führung geht, könnte auch eine Erklärung für die xG-Werte sein, die ja seit Wochen zitiert werden um zu beweisen, dass Union komplett überperformed.

„Verfälschte“ Statistiken, Glück, Überperformance oder einfach nur ein Kollektiv (mit einer konkreten immer wiederkehrenden Spielidee), bei dem es egal scheint, wer letztendlich aufläuft. Was es  schlussendlich nun ist, was diese liebenswerte grandios aufspielende Bande gerade soweit oben stehen lässt, ist ja eigentlich egal. Genau wie es ebenso egal ist, wie weit der Weg dieses Teams noch gehen wird. Ich für meinen Teil würde nichts mehr ausschließen aber eben auch nichts erwarten. Verliebt sind wir ja eh schon…

Weitere Medienberichte über Union

Überregional gibt es natürlich dennoch noch ein paar weitere Erklärungsansätze für Unions Höhenflug.

und die Berliner Medien:

Und sonst so?

In der Montagsausgabe des Kickers gibt es ein sehr interessantes Portrait über Union-Manager Oliver Ruhnert zu lesen. Darin erfährt man auch vieles, was so glaube ich noch nicht allzu bekannt war. Im Kern geht es um Ruhnerts Spagat zwischen Bundesliga-Manager, Lokalpolitiker und Schiedsrichter in unteren Klassen.

Eine Aussage von Ruhnert lässt dabei zumindest soweit aufhorchen, dass sich der Kurier mit ihr beschäftigt:

„Mich als Manager in der Bundesliga wird es keine zehn Jahre geben“, verrät Ruhnert. Er plant den mittelfristigen Ausstieg als Selbstschutz-Maßnahme. „Mit diesem Job gehst du schlafen, und du stehst damit auf. Wenn ich merke, dass der Akku aufgebraucht ist, dann muss ich etwas anderes machen.“

Derweil hat sich der gegen den BVB angeschlagen ausgewechselte Jordan wohl nicht schwerwiegender verletzt.

Unions U21-Perspektivteam hat gestern in Dänemark gegen Aarhus GF mit 4:2 gewonnen.

Union hat bereits Ende letzter Woche als Verein einen Preis für herausragendes Engagement im sozialem Bereich gewonnen. Solche Ereignisse könnte Unions Kommunikation vielleicht auch mal ein bisschen öffentlichkeitswirksamer hervorheben. Weitere Infos zum Preis und auch einen Link zur Rede von Union-Präsident Dirk Zingler gibt es hier.

Immerunioner

Unser Goldjunge Steven Skrzybski scheint nach schwierigen Jahren gerade in Kiel sein Glück gefunden zu haben. Nach einiger Anlaufzeit läuft es in dieser Saison mal so richtig für das Union-Eigengewächs. In zwölf Spielen hat Stevie acht Tore erzielt und vier weitere Treffer vorbereitet. Weiter so!

Da gibts was auf die Ohren

Verdammt viele Podcasts, bei denen über Union gesprochen wird, haben gerade wieder eine neue Folge veröffentlicht.

Neben uns haben auch Taktik&Suff sowie Kiek an neue Episoden rausgehauen.

 

7 Kommentare zu “Nichts ausschließen und noch weniger erwarten

  1. Übrigens: in der Jahrestabelle 2022 liegt unser 1. FC Wunderbar punktgleich mit den Bayern auf Platz 2 :) Vielleicht sollten wir einen Saisonrhythmus wie in der MLS und Norwegen fordern ;-)

    https://www.transfermarkt.de/1-bundesliga/jahrestabelle/wettbewerb/L1

  2. So viel Text hätte es heute gar nicht bedurft!
    Als Zusammenfassung hätten die „drei Trainer“ gereicht! ;)
    Einfach nicht mehr zu fassen, was hier gerade passiert!
    u.n.v.e.u.

  3. Vielleicht lässt mich meine Erkältung auch ein bisschen schwerer denken als sonst, aber ich checke die von dir zitierte Till Oppermanns aussage nicht ganz.
    In welcher Korrelation steht denn das häufige in Führung gehen zu den niedrigen xG Werten? (Aktuell Platz 16 mit 1,26)
    Weil nach einer Führung weniger zweite, dritte Tor gegangen wird?

    • Felix Morgenstern

      Ja, genauso habe ich die Aussage interpretiert. Wenn man in Führung geht, muss man sich ja auch nicht noch mehr Großchancen herausspielen… Es „reicht“ quasi erstmal die Führung zu verteidigen. Eiserne Grüße

    • Top, danke für die fixe Antwort. Passt auch mehr zur spiel dna effezient zu bleiben. Da war Schalke auch ein seltener Ausreißer. Eisern

  4. „Solche Ereignisse könnte Unions Kommunikation vielleicht auch mal ein bisschen öffentlichkeitswirksamer hervorheben. “
    Warum? In welcher Art und Weise?

    • Ryan Stecken

      Warum nicht? Ist doch nichts schlechtes, wenn man gut in der Öffentlichkeit dasteht. Das macht den Verein vielleicht noch attraktiver für Sponsoren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert