Blog State of the Union

Höhere und Hoheits-Gewalt ruinieren in Rotterdam einen Europapokal-Abend

Als ich gestern hier im Blog etwas von Wut und Enttäuschung über die Auswärtsfahrt nach Rotterdam geschrieben habe, konnte ich noch nicht wissen, wie sehr diese Emotionen das „Erlebnis“ bei Unions drittem Auswärtsspiel in dieser Europapokal-Saison bestimmen würden. Denn vor allem der Einsatz von Gewalt durch die Polizei und eine katastrophale Einlass-Situation, wegen der viele Unioner:innen gar nicht oder stark verspätet ins Stadion kamen, sorgten für unfassbar viel Ärger, Frustration und Unverständnis. Und die Störungen im Bahnverkehr durch Sturm und massenhafte Zugausfälle und Verspätungen, wegen denen viele später als geplant nach Rotterdam kamen, waren dabei letztlich das geringste Problem.

Wie auch Christian Arbeit auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte, müssen diese Vorfälle aufgearbeitet werden. Denn das Versagen des Einlasses hatte, soweit es den Beobachtungen und Berichten von vor Ort zu entnehmen ist, mehrere Komponenten. Die erste war wohl, dass wegen der Vorfälle in den Tagen vor dem Spiel mehr Union-Fans zu dem zentralen Treffpunkt am Alten Hafen gekommen sind, als unter anderen Umständen der Fall gewesen wäre. Die shuttle Busse, die von dort zum Stadion waren auf die ein oder andere Weise unzureichend, sodass es zu dem Fanmarsch kam, auf dem sich die Übergriffe der Polizei ereignet haben.

Was deren Auslöser war, ist nicht klar. Nach der Version der Polizei (nachzulesen etwa in der niederländischen Zeitung AD), sei es zu tätlichen Übergriffen der Union Fans gekommen: „Eine kleine Gruppe von Anhängern war damit [die Gruppe anzuhalten und enger aufrücken zu lassen] nicht einverstanden und begann, die Bereitschaftspolizei zu verprügeln. Und das sollte man nicht tun, denn dann schlägt man zurück.“

Diese Version der Ereignisse ziehen Union-Fans und die Eiserne Hilfe deutlich in Zweifel. Im Gegenteil, gerade die Ultras hätten stark deeskalierend agiert.

Und allerwenigstens ist Angesichts der Verletzungen durch Schlagstöcke und Bisswunden durch Polizeihunde die Verhältnismäßigkeit der Gewalt wegen „Vandalismus, Beleidigung und Besitz von Feuerwerkskörpern“ höchst fragwürdig.

Die Polizei berichtet auch davon, anderswo in der Stadt 50 Union-Anhänger, die auf Konfrontation mit Feyenoord aus gewesen seien, in Gewahrsam genommen zu haben.

Außerdem führten diese Ereignisse dazu, dass der Fanmarsch erst spät am Stadion eintraf. Auch das ist aber keine Erklärung für das, was dort am Einlass zum Gästeblock dann noch schief ging. Hunderte Union-Fans warteten dort auf viel zu wenige Drehkreuze und Ticket-Kontrollen. Über weite Strecken schien es dabei überhaupt nicht vorwärts zu gehen, sodass viele Unioner:innen große Teile des Spiels nicht im Stadion sein konnten.

Ein ebenso großer Organisations-Fail ist, dass die Tickets mancher Fans an Eingängen für einen falschen Block gescannt wurden, sie danach aufgefordert wurden, die wieder zu verlassen und in die den Tickets entsprechenden Blöcke zu wechseln, sie dort aber nicht eingelassen wurden, weil die Tickets eben noch einmal gescannt und dabei nicht akzeptiert wurden. Hinzu kommen Fälle, in denen Unioner:innen mit Tickets für andere Bereiche als den Gästeblock nicht ins Stadion durften – Berichten nach zum Teil dadurch „identifiziert“, kein Niederländisch zu sprechen.

Eine Zusammenfassung der Ereignisse versucht dieser Twitter-Thread (hier am Stück zu lesen):

Christian Arbeit nannte das alles „in der Gesamtheit einfach inakzeptabel“, und es ist unmöglich, ihm darin nicht zuzustimmen.

Weniger Berichte gab es von Übergriffen von Feyenoord Hooligans auf Unioner:innen gestern abseits des Stadions – was nicht sagen soll, dass es dazu nicht gekommen ist, sondern nur, dass davon in Veröffentlichungen und sozialen Netzwerken nicht zu lesen war.

Das schreiben die Berliner Medien über das Spiel und die Probleme rundherum:

Falls sich jemand wundert, dass bis hierher gar nicht vom Spiel an sich die Rede war, das Union mit 1-3 verloren hat: Auch ich bin erst während der zweiten Halbzeit ins Stadion gekommen und habe das Spiel als sportlichen Wettkampf daher so gut wie gar nicht mitbekommen.

Union Ultras Feyenoord Rotterdam Pyro
Pyrotechnik und Stimmung in der zweiten Halbzeit. Photo: Matze Koch

Was ich gesehen habe: Nach dem schnellen 2-0 Rückstand hatte Union mit dem Anschlusstreffer durch Taiwo Awoniyi durchaus die Chance, Zählbares aus Rotterdam mitzunehmen. In der zweiten Halbzeit versuchte die Mannschaft, auf den Ausgleich zu drängen, und kam ihm mit den Chancen von Sheraldo Becker und Andreas Voglsammer recht nahe. Einer der aus dem dafür eingegangenen Risiko resultierenden Konter bedeutete dann die Entscheidung. In den Äußerungen von Trainer Urs Fischer und den Spielern war dann auch viel Enttäuschung über die Leistung zu hören.