Blog State of the Union

Die Vorwürfe gegen Unions Nachwuchsleistungszentrum sind ernst genug, sich kritisch zu hinterfragen

Die Vorwürfe gegen das Nachwuchsleistungszentrum von Union, die mit einer Recherche von MAZ und Buzzfeed öffentlich geworden sind, stehen aktuell weiterhin als das große Thema um Union im Raum.

Einer der beiden Autoren des Artikels, Laurenz Schreiner, war im (übrigens allgemein immer wieder empfehlenswerten) Podcast Hörfehler zu Gast und hat dort über den Hintergrund der Recherche, deren Umfang und die Einschätzung ihrer Ergebnisse gesprochen.

Wirklich neue Informationen in der Sache über den Text hinaus gibt es dabei zwar nicht. Und es bleibt auch dabei, dass sich die Diskrimninierungs-Vorwürfe nicht auf konkrete Nachweise stützen können, sondern sich aus den zitierten Berichten und der Beobachtung der Zusammensetzung der Kader bestimmter Nachwuchsmannschaften von Union ergeben. Außerdem sagt Laurenz Schreiner, dass der Vorwurf, Union habe eine Quote von türkisch- und arabischstämmigen Jugendlichen in Nachwuchsmannschaften etabliert, mit der Recherche nicht objektiv belegt sei: „Der Begriff Quote wurde ja auch aufgerufen in dem Brief (den Eltern über ein anonymes Postfach an den BFV geschickt haben). Da wurde ja gefragt, ob es eine Ausländerquote gibt“, sagt Schreiner. Als Indiz dafür, dass es einen Versuch gab, den Anteil von Spielern mit diesem Hintergrund zu reduzieren, dienen dann die Veränderungen im Kader und bei den Neuzugängen für die angesprochenen Jahrgänge.

Gesichert nachweisen lassen sich die schwerwiegenden Vorwürfe damit eben nicht. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob eine Erklärung von André Hofschneider, wie die Eltern sie gefordert haben, oder das Gespräch, das Union ihnen angeboten hat, sie hätten ausräumen können. Denn dabei geht es nicht nur um objektiv aufklärbare Ereignisse, sondern auch um die zugeschriebene und tatsächliche Motivation von Entscheidungen. Und die ist nicht so einfach offen zu legen.

Nachwuchsleistungszentrum Union Berlin
Plakate von Unions Nachwuchsleistungszentrum am Bruno-Bürgel-Weg. Photo: Matze Koch.

Das gilt auch für Union selbst. Der Verein bestreitet, dass Herkunft ein Kriterium bei der Bewertung und Auswahl von Spielern im NLZ ist. Dass bei den Betroffenen der Eindruck entstanden ist, dass das der Fall ist, sollte aber Anlass genug sein, sich in diesem Aspekt kritisch zu hinterfragen. Weil das in Bezug auf eigene Vorurteile nicht einfach ist, könnte es dabei auch helfen, externe Beobachter einzubeziehen und sich nicht nur auf die eigene Selbsteinschätzung zu verlassen.

Über die Arbeit des NLZ haben übrigens vor einigen Monaten Lutz Munack und Janek Kampa im Podcast der Union-Stiftung gesprochen.

Die Vorwürfe an Union sind nicht gleichzusetzen mit dem Rassismus-Skandal beim FC Bayern

Eine wichtige Anmerkung macht Laurenz Schreiner in dem Gespräch übrigens noch: Was Union an rassistischer Diskriminierung vorgeworfen wird, bewegt sich nicht auf dem selben Level wie die Rassismus-Affäre im NLZ des FC Bayern. Dort hatten sich mehrere Mitarbeiter Nachrichten mit krassen rassistischen Beleidigungen geschickt und war das unwidersprochen geblieben oder sogar positiv kommentiert worden. Man habe keine Hinweise gefunden, dass es solche Zustände bei Union gegeben habe, sagt Laurenz Schreiner.

Allerdings ist in den Berichten von Spielern, die in dem Artikel vorkommen, enthalten, dass ein Trainer von Union „zu einem schwarzen Torwart gesagt habe, er mu?sse mit seinen Fu?ßen bis an die Latte springen können. Schließlich sei er schwarz.“ Diese mutmaßlich getätigte Äußerung, die in die Friedhelm-Funkel-Kategorie von Rassismus fällt, gehört zu den konkreten Vorwürfen, die Union in seinen veröffentlichten Antworten auf die Anfrage der Journalisten unbeantwortet gelassen hat.

Darüber, dass sich auch wenn man den Diskriminierungs-Vorwurf für einen Moment ausklammert, ernsthafte Fragen für Unions NLZ aus den Berichten ergeben, haben in den vergangenen Tagen Felix und Sebastian hier schon geschrieben. Und einen guten und interessanten Beitrag aus der Perspektive eines ehemaligen NLZ-Spielers und Unioners gab es in diesem Kommentar unter dem gestrigen State of the Union. Darin werden einige der Kritikpunkte am Umgang und der Kommunikation mit Spielern im NLZ aufgegriffen.

Ich denke, dass das ein sehr großes und vielschichtiges Thema ist. Dass es in der aktuellen Diskussion mit den Diskriminierungs-Vorwürfen vermischt ist, macht es nicht einfacher, es anzugehen. Trotzdem muss eine Auseinandersetzung damit stattfinden, welche Belastungen im Versuch, junge Menschen zu Leistungssportlern auszubilden, notwendig sind. Und auch darüber, welche Belastungen dieses Ziel denn wert ist. Denn wenn das Argument zur Rechtfertigung von Druck ist, dass der eben notwendig sei, um in den Gegebenheiten von Profisport|fußball zu funktionieren, kann und sollte die Antwort zum Teil auch sein, diese Gegebenheiten zu hinterfragen.

In den Berliner Medien findet sich zu dem Vorgang ein Kommentar in der Berliner Zeitung, der die Position des Vereins unterstützt.

Union in der Bundesliga

Aktuell steht im Sport für Union das Spiel gegen Leverkusen am Samstagnachmittag an. Die Pressekonferenz dazu findet heute um 13 Uhr statt:

Und sonst so

Zum Schluss noch zwei schöne Dinge: Joe aus England hat seine Lego-Alte-Försterei fertig gebaut. Und die ist schon ziemlich beeindruckend gut geworden:

Und Richard, ein Unioner aus Portland in den USA, hat sehr schöne Union-Aufkleber zu verteilen:

Das Motiv gibt es außerdem auch als T-Shirt, zusammen mit vielen anderen tollen Entwürfen von Richard.

11 Kommentare zu “Die Vorwürfe gegen Unions Nachwuchsleistungszentrum sind ernst genug, sich kritisch zu hinterfragen

  1. silberhacke

    ob ich den begriff SELEKTION im zusammenhang mit einer debatte über HERKUNFT verwende, würde ich mir zwei mal überlegen.

  2. silberhacke

    vom gefühl her

  3. silberhacke

    naja bei mir gehen dann gleich so ketten ab – selektion abstammung rampe usw. – ist halt in meinem kopf
    ich weiß, dass du den begriff in anderem sinn verwendest, aber den von mir beschriebenen sinn gibt es eben auch, und deshalb hätte ich mich wahrscheinlich für einen anderen begriff entschieden.

    • Ok, jetzt habe ich verstanden, welche Assoziation du meinst. Die hatte ich nicht, hab den Text jetzt geändert.

  4. silberhacke

    ist vielleicht bisschen überzogen, aber ich danke dir! liest sich auch weicher – weniger konsonanten – mega!
    beste grüße

  5. Musiclover

    Warum sollte Union eine Quote in den Nachwuchsmannschaften haben? Das macht doch gar keinen Sinn. Das Ziel von Union ist die Ausbildung der besten Nachwuchsfussballer aus der Region, zum eigenen Vorteil. Schon der Gedanke an eine Quote lässt doch tief blicken. Da scheint der Verstand ausgesetzt zu haben.

  6. Olaf Forner

    Es bleibt dabei.
    Im Moment wird sehr einseitig auf den 1. FC Union geschaut
    Und überhaupt nicht auf Betreuer Eltern und Manager.
    So lange der 1. FC Union als Trittbrett für Nachwuchsspieler gut war , damit andere Vereine mit der Kohle winken könnten.
    Da war das nie Thema.
    Jetzt wo die, die um die Talente herum agieren hier bei Uns den sportlichen Erfolg ihrer Schützlinge und daraus natürlich auch finanziellen Erfolg wittern,da springt man an, ohne überhaupt zu hinterfragen.
    Stand jetzt hat kein Spieler selber wirkliche Vorwürfe dargelegt.
    Da ist genug Material um jornalistisch zu agieren.

    • Senger, Alexander

      Hallo Olaf Forner,
      Völlig richtig!!!! Ich schließe mich voll Deiner Meinung an. Hatte mich gestern schon zu den Anwürfen geäußert. Klar ist, daß man sich immer aus diversen Gründen mal hinterfragen muss, um auch nicht betriebsblind zu werden. Man muss schon aber fragen, wem nutzt diese ganzen Anschuldigungen und Diskussionen, in unterschiedlicher Form einer inzwischen journalistischer Schlammschlacht, sich äußert? Und wenn ein Migrant sich aus unterschiedlichen Gründen, bei UNION nicht wohlfühlt, was ja sein kann, dann kann er doch gerne bei Berliner Vereinen, mit Migrantenhintergründen spielen, wie BAK oder Türkymspor, FC Internationale, ITALIA, oder auch bei den Blauen von VICTORIA oder eben auch HERTHA, oder anderen Vereinen. Es ist jeder junge Fußballspieler, sicherlich bei UNION willkommen., der sich auch mit UNION identifizieren kann und will und unseren Werten anschließen kann. Aber Fakt ist, wir waren und sind der 1. FC. UNION Berlin, unter den rot-weiss-roten Farben unserer Stadt Berlin und wir haben immer mit Migranten und Ausländern gespielt, aber eben auch in erster Linie, mit jungen Berliner und Brandenburger Fussball-Jungens, die sich mit uns identifizieren können und wollen. Vergessen wir mal nicht die Zeit, Richtig, wo uns die Talente, ob zu DDR-Zeiten oder auch nach der Wende, in der 3-Liga, oftmals weggekauft wurden oder eben zu anderen höher spielenden Vereinen verlassen haben. Und noch einmal meine Frage, wem nutzen diese Anwürfe gegen unser NLZ des 1. FC. UNION, was sich ständig doch auch weiterentwickelt und wo sicherlich auch Fehler passieren? Wo aber sicherlich interessierte junge Menschen, die Fußball spielen wollen, entsprechend qualifiziert ausgebildet werden. Eisern UNION! Eisern Berlin! Ein Dank an Lutz Munark und den vielen Trainern, die sich bestimmt große Mühe, bei der Ausbildung geben. Und Olaf Forner bleib gesund und Dank, für Dein ehrenamtliches Engagement, in nicht einfacher Zeit. Alex a. Pankow

  7. Der Stein

    Interessant ist, wie die BLZ es einordnet. Neutral und sachlich.

    https://www.berliner-zeitung.de/sport-leidenschaft/auslaenderquote-brutaler-druck-wie-sind-die-vorwuerfe-an-union-einzuordnen-li.158409

    Das die Kommunikation besser sein könnte, geschenkt. Bisher haben wir Vorwürfe ohne Beweise. Anschuldigungen ohne belegbare Fakten. Und eine gewisse Quatsch Quote. Mirkrationshintergrund sehen wir bei Union
    Spielern (in den U-Teams) recht häufig, ein gute und bunte Mischung.

    Vorsicht muss man immer dort walten, wo Interessen entgegen stehen. Kein Verein schmeißt seine Talente weg. Eltern hingegen können, gerade heutzutage, sehr enttäuscht reagieren – zu oft übersteigt die Hoffnung, dass Talent der Spieler. So etwas sieht man in Schulen, Kindergärten, Ausbildungsstätten und Co.

    Wenn das Kind nun nicht der nächste Ronaldo oder Trimmel ist, dann platzt bei einigen nicht nur der Traum des Kindes – sondern eben auch der Traum der Eltern. Manchmal ein Schock – die Wahrheit ist: die wenigsten Spieler schaffen es zum Profisportler. 50 sind es ins Deutschland (jedes Jahr).

    Darum ist eben so wichtig, dass die Kinder (wie bei Union) darauf vorbereitet werden.

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