Blog State of the Union

Union kündigt eine virtuelle MV an und der Aufsichtsrat macht einen konservativen Antrag

Der 1. FC Union Berlin spielt heute in der Bundesliga gegen den FC Bayern. In der letzten Saison hat dieser Satz an sich noch etwa mehr gekribbelt. Dass er das jetzt weniger tut, liegt einerseits daran, dass die Mannschaft in der Zwischenzeit ziemlich deutlich gemacht hat, dass sie in diese Liga gehört. Und andererseits auch daran, dass wir das damit verbundene Erlebnis immer noch nicht wieder haben.

Union spielt also heute gegen Bayern, und natürlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass dabei ein zählbares Ergebnis für Union heraus kommt. Andererseits haben die Bayern in dieser Saison immerhin drei ihrer zehn Spiele nicht gewonnen. Und passenderweise gibt auch die Projektion von FiveThirtyEight einem Bayern-Sieg eine 71% Chance. Eine sportliche Vorschau auf das Spiel aus Bayern-Perspektive mit einer Würdigung von Unions Leistungen bisher gibt es bei Mia san rot, einem Blog, dessen Chuzpe in der Auswahl eines Themas für eine Adventskalender-Serie ich bemerkenswert finde: Wunschtransfers von Spielern, die Bayern nicht bekommen hat…

Im Programmheft und auf der Webseite des Wuhlesyndikats gibt es derweil einen an Karl-Heinz Rummenigge adressierten Text, der sich der Ungleichheiten in der Bundesliga annimmt.

Das schreiben die Berliner Medien vor dem Spiel:

Virtuelle Mitgliederversammlung

Soviel zum aktuellen Sport. Gestern hat Union aber auch eine Einladung zu einer virtuellen Mitgliederversammlung veröffentlicht, und sie dann wieder offline genommen, weil das offenbar ein paar Tage früher als gewollt passiert ist.

Trotzdem konnte man schon einen Blick auf die geplante Tagesordnung werfen. Weil die digital verteilte Veranstaltung, wie der Verein schreibt, nicht den gewohnten emotionalen und gemeinsamen Charakter hat, beschränkt sie sich auf wenige Punkte, es fehlen die Ehrungen und Auszeichnungen.

Es fehlen aber auch Diskussionen oder Entscheidungen über eingereichte Anträge zu Satzungsänderungen, etwa einen, der den Verein in der Form von den Mitgliedern zugänglich gemachten Jahresabschlüssen zu mehr Transparenz in Bezug auf seine Finanzen verpflichten wollte.

Satzungsänderungs-Satzungsänderung

Stattdessen steht auf der Tagesordnung eine Meta-Satzungsänderung, die der Aufsichtsrat einbringt. Die sieht vor, das Prozedere für Satzungsänderungen umzugestalten und die Hürde dafür herauf zu setzen. Zum einen würde dafür ein neues Gremium geschaffen, eine ständige Satzungskommission. Und zum anderen würde sich ändern, wer der Mitgliederversammlung Satzungsänderungen vorschlagen kann: Nicht mehr jedes individuelle Mitglied, sondern:

  • das Präsidium
  • die Ständige Satzungskommission
  • ein Quorum von mindestens fünf Prozent der Mitglieder.

Die Satzungskommission selbst würde nicht direkt durch die Mitgliederversammlung gewählt. Sondern sie setzt sich zusammen, indem

  • vier Mitglieder durch die Fan- und Mitgliederabteilung,
  • drei Mitglieder durch den Aufsichtsrat,
  • zwei Mitglieder durch das Präsidium,
  • ein Mitglied durch den Ehrenrat,
  • ein Mitglied durch den Leiter des Geschäftsbereichs Nachwuchs- und Amateurfußball und
  • ein Mitglied durch den Leiter des Geschäftsbereichs Profifußball

entsendet werden.

Diese Neuerung dürfte kontrovers aufgenommen werden. Der Aufsichtsrat argumentiert in seiner Begründung für den Antrag, dass die Satzung des Vereins nicht der Ort ist, an dem sich an Aktualitäten orientierte Änderungen niederschlagen sollten. Stattdessen solle die Satzung dem Handeln des Vereins einen stabilen Rahmen geben.

Allerdings ist auch nicht offensichtlich, welchen anderen Rahmen als die Satzung es für Forderungen wie die erwähnte nach mehr wirtschaftlicher Transparenz geben könnte.

Ein anderes Thema ist, ob oder wie sehr diese neue Struktur die direkte demokratische Beteiligung der Mitglieder im Verein schwächt. Der Aufsichtsrat argumentiert, dass ein direktes Antragsrecht weiter besteht. Dass ein Antrag aber von fünf Prozent der Mitglieder, aktuell also knapp 2000 Mitgliedern, unterstützt werden muss, bevor er es auf die Tagesordnung einer MV schafft, ist klarerweise eine hohe Hürde. Es war zwar auch bisher schon, wie sich etwa auf der letzten MV gezeigt hat, schwierig, Zustimmung für Anträge zu bekommen, die nicht durch die Vereinsgremien unterstützt werden. Aber diese Voraussetzung bedeutet, dass für eine Satzungsänderung im Vorfeld viel Mobilisierung notwendig ist. Das kann, je nachdem, worum es in so einem Antrag geht, auch polarisierend sein. Ich bin mir nicht sicher, dass das dem Verein gut tut.

union Mitgliederversammlung
Unions Präsident Dirk Zingler bei der MV 2018, Photo: Matze Koch

Umgekehrt könnte man aber auch sagen, dass es mit der Satzungskommission ein breit aufgesetelltes Gremium gibt, das Änderungsanträgen, die ihre Mitglieder für sich gewinnen, Gewicht verleihen kann.

Die Weise, in der dieses Gremium besetzt wird, ist jedenfalls strukturkonservativ. Was auch der Idee der Satzungsänderung entspricht. Es wäre aber trotzdem wünschenswert, dass wenn sich der Verein ein neues Gremium gibt, dieses in seiner Besetzung ein bisschen diverser und repräsentativer ist als die bestehenden.

Und zuletzt: Es hinterlässt einen vereinsdemokratisch etwas fahlen Geschmack, dass bei der anstehenden MV nur über diesen Antrag, der das Prozedere für Satzungsänderungen völlig neu gestalten würde, entschieden werden soll, und nicht über Anträge, die auf den bisher geltenden Wegen eingebracht wurden.

13 Kommentare zu “Union kündigt eine virtuelle MV an und der Aufsichtsrat macht einen konservativen Antrag

  1. Maria Draghi

    Ich würde empfehlen, mal abzuwarten, wie die echte Einladung in Gänze aussieht. In der bislang geleakten Fassung scheint mir doch eine ganze Menge zu fehlen; beispielsweise noch weitere Satzungsänderungsanträge.

    • Das ist zu hoffen, dass es nur ein „Versehen“ und kein vollständiger Entwurf war. Allein, ich glaube nicht daran. Na ja, finale Einladung muss spätestens am 16.12. rausgehen, wenn die MV am 27.1.2021 stattfinden soll.

  2. Vielen Dank für die gute Zusammenfassung zur Einladung zur virtuellen MV, Daniel.

    Neben den inhaltlichen Themen stellen sich auch formaljuristische Fragen:

    1. Auf welcher rechtlichen Basis hat das Präsidium entschieden, fristgerecht eingereichte Anträge bei der Tagesordnung nicht zu berücksichtigen. Weder die Satzung noch das Gesetz der Bundesregierung zur Erleichterung der Durchführung von MVs sehen vor, dass Anträge willkürlich ausgewählt werden dürfen.

    .2. Woraus leitet sich ein Antragsrecht für den AR ab ? Das ist in den Aufgaben des AR in der Satzung nicht vorgesehen. Die Satzung ist in §13 eher so auszulegen, dass nur Mitglieder Anträge einreichen dürfen.

    Und zu guter Letzt: die Verschiebung in das 3. Quartal des Geschäftsjahres erlaubt eigentlich weder die Satzung noch das entsprechende Gesetz. Der Gesetzgeber hat explizite Alternativen benannt (virtuelle MV, Umlaufverfahren usw.) und der Verein hatte genug Zeit sich vorzubereiten. Ist nicht schlimm, war aber auch schon nicht „compliant“.

  3. Maria Draghi

    Wenn in der Einladung nicht alle eingereichten Satzungsänderungsanträge dargestellt werden wäre die MV nach meinem Verständnis anfechtbar. Aus eigener Erfahrung habe ich allerdings schon mal Bekanntschaft damit gemacht, dass der Verein einen S.-Änderungsantrag vergessen hat. Warten wirs mal ab.

    Ich bin mir allerdings sicher, dass es auch nach der offiziellen Einladung ganz erheblichen Redebedarf geben wird.

  4. „Strukturkonservativ“ ist ein schönes und treffendes Wort für diesen Plan seitens des Vereins. Hier wird der Mitbestimmungsgedanke, der z.B. in Abgrenzung zu RB Leipzig so gerne hochgehalten wird, doch einigermaßen durch Bürokratie und Komplexität beschnitten.
    Hätte ich so nicht erwartet.

  5. Danke an die Einordnung, vor allem Dank an Daniel für die Einordnung und an Maria Draghi, Jacek und Der Sepp für die Kommentare, auf der einen Seite frage ich mich wie so etwas gravierendes überhaupt vorab öffentlich werden kann und dann, noch gravierender DAS es so ein Ansinnen Anträge und damit Rechte von Mitgliedern derart einschränken zu wollen überhaupt gibt, ich wäre dafür den Initiatoren (ja anscheinend der Aufsichtsrat) eine Missbilligung auszusprechen, wenn nicht sogar eine Ablösung des Aufsichtsrats nötig wäre!

  6. Vielen Dank für die Einordnung, Daniel! Allerdings veröffentlicht Union ja eher nichts mal eben so versehentlich. Insofern stellt sich mir die Frage, warum man das absichtlich machen sollte? Um vorzufühlen, wie die Idee ankommt? Nur so ein Gedanke, auch wenn er nicht recht zum eher meinungsstarken Präsidium passt…

    • Es kommt schon immer mal vor, dassUnion etwas aus versehen zu früh online stellt. Zum Beispiel die Verpflichtung von Christian Gnetner letztes Jahr.

  7. E.G. (Altunioner)

    Da hat sich der AR aber was Feines einfallen lassen. Wie sagt der Berliner/die Berlinerin: “Nachtigall ick hör dir trapsen“. Diese Verquickung und Verzahnung von AR und Präsidium ist mittlerweile ungesund und steht konträr zu den Werten unseres Verein’s. Die müssen da eine scheissende Angst vor mehr Transparenz ihres Zahlenwerkes vor den Mitgliedern haben. Anders lässt sich dieses aktionistische Vorsprechen des AR für mich nicht erklären. Ich glaube auch nicht, dass die Einladung zur virtuellen Mitgliederversammlung zufällig veröffentlicht wurde, eher sehe ich darin ein Antesten.

    Fazit: Das Recht auf Informationen zum Thema Finanzen sollten sich die Mitglieder nicht so leicht aus der Hand nehmen lassen. Das auch unter dem Aspekt, dass unser Verein da so seine Erfahrungen aus der Vergangenheit besitzt. Das sollten auch DZ und sein Sprachrohr nicht vergessen haben.

    Zum Verhalten der Berliner Medien wurde hier ja schon viel geschrieben. Ich sag da nur Berliner Mettbrötchenfraktion. Eiserne Grüsse und bleibt hoffentlich weiterhin alle gesund.

  8. Maria Draghi

    Das war für mich ohne jeden Zweifel ein Versuchsballon. Ich würde aber trotzdem zunächst empfehlen, die Füße stillzuhalten bis die offizielle Einladung raus ist.

  9. Die 5%-Hürde ist unverschämt. Nicht mal in politischen Parteien ist die Hürde für derartige Anträge so hoch. Da will jemand Union als von den Mitgliederen getragenen Verein beenden.

  10. […] wir erinnern uns daran, dass vor der Corona-geprägten Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr kurzzeitig ein Meta-Satzungsänderungsantrag im Raum stand. In diesem Antrag wurde die Schaffung einer Satzungskommission vorgeschlagen, die der primäre Weg […]

  11. […] Antrag des Aufsichtsrates, der ein ähnliches Gremium, wie jetzt als Ausschuss einberufen, noch als ständige Kommission in der Satzung verankern wollte. Dieser Antrag wurde noch vor Verschickung der Einladungen zur virtuellen Mitgliederversammlung […]

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