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Tue Gutes und rede darüber

Conny Laudamus starb in der Nacht zum 2. Juni 2017 (Mitteilung des 1. FC Union Berlin). Dieser Text über Conny Laudamus, aktiv in der Fan- und Mitgliederabteilung und verantwortlich für das Lernzentrum beim 1. FC Union, erschien zuerst im Dezember 2012 im Köpenicker Magazin Maulbeerblatt.

Abseits der Spieltage ist es ruhig in der Hämmerlingstraße 88. Seitdem Fanshop und Geschäftsstelle umgezogen sind, wirkt das Gebäude fast wie eine Schule. Und streng genommen ist es das auch: Hier sind das Nachwuchsleistungszentrum und das Lernzentrum des 1.FC Union Berlin angesiedelt. Drin ist auch das Büro von Conny.


Foto: Stefanie Fiebrig

„Dr. Cornelia Laudamus“ steht auf ihrem Türschild. Sie ist Ingenieurin für Biotechnologie. Jemand, den man unter allen anderen Umständen siezen würde. Dieselbe Frau hat eben noch den bundesweiten Fangipfel mitorganisiert, einen Schulprojekttag durch die Alte Försterei begleitet und ist sich auch fürs Kuchenstücke-Verkaufen nicht zu schade. Das ist der Moment, in dem du verstehst, dass Respekt nichts mit siezen zu tun hat.

Niemand bei Union hat nur eine Aufgabe, selbst die Verteidiger müssen Tore schießen. Für die Mannschaft hinter der Mannschaft gilt das noch viel mehr. Conny arbeitet in der AG Soziales ehrenamtlich für die Fan- und Mitgliederabteilung des Vereins, ist aber auch im Nachwuchsleistungszentrum und im Lernzentrum tätig. Beides neben ihrer ganz normalen Arbeit, der Erwachsenenweiterbildung. Zu der gehören Bewerbungstraining, Teambuilding und Konfliktmanagement.

Unlängst hat sie in Neukölln junge Erwachsene in Mathe, Bio und Englisch unterrichtet und zum Hauptschulabschluss gebracht. Lauter Fähigkeiten, die ein Fußballverein gut gebrauchen kann – sei es im Rahmen der Anti-Gewalt-Trainings, die für Fans angeboten werden, oder bei der Hausaufgabenhilfe für den Fußballnachwuchs. „Ich bin schon der Meinung, dass der Verein im Bezirk auch soziale Verantwortung trägt.“ Und die nimmt sie wahr.


Foto: Stefanie Fiebrig

Die weniger unterhaltsame Seite ihrer Arbeit ist es, Fördermittel aufzutreiben oder Projektanträge zu formulieren. Überall da, wo es konkret wird, ist ihre Begeisterung dafür um so deutlicher zu spüren. „Fußball ist ein tolles Mittel, um bestimmte Sachen zu transportieren. Weil Fußball eine Faszination ausübt. Du hast die ganzen Gesellschaftsschichten im Fußball vertreten. Du hast auch Klienten in der Straßen- und Sozialarbeit, die absolute Fans von dem Verein sind, und die vielleicht bestimmte Sachen nicht machen können. Die es dann aber doch können, wenn du ihnen das ermöglichst. Wenn sie über Freikarten mit ihren Betreuern aus der Straßen- und Sozialarbeit als Gruppe hierher kommen.“ Conny hält nichts davon, wahllos Freikartenkontingente zu verteilen. Man muss sich um die Leute kümmern, wenn man sie einlädt, findet sie.

Vor acht Jahren hat Conny die Fan- und Mitgliederabteilung (FuMA) mitgegru?ndet, „damit uns nicht wieder das passiert, was damals beinahe passiert ist – dass die gewählten Menschen den Verein beinahe in den Ruin bringen.“ Die FuMA vertritt die Rechte der Fans im Verein. Was anfangs wie ein Feigenblatt der Mitbestimmung wirkte, ist inzwischen gefestigte Struktur. „Irgendwann war klar, wir sind da und gehen auch nicht wieder weg“, erklärt Conny. „Klar, bei Spielerkäufen fragt uns keiner“, sagt sie und lacht sich kaputt. Aber in Fanangelegenheiten findet die FuMA Gehör.

„Ich bin in erster Linie Fan“

Bei allem Engagement ist fu?r sie trotzdem klar: „Ich bin in erster Linie Fan.“ Hinterm Tor ist ihr Platz. „Das ist für mich die größte Strafe, wenn mich ein Projekt oder eine Aktion dazu zwingt, auf die Sitzplatztribüne zu gehen und das Spiel nur mit Sitzplatztribu?ne und Zelt zu erleben. Weil ich sonst immer zusehe, egal, ob ich jetzt Gruppen da habe oder sonst irgendwas, dass ich trotzdem zum Spiel im Block stehe.“

Fan sein ist aber nicht gleichbedeutend mit unkritisch sein. „Du wirst den Gedanken natürlich trotzdem nicht los. Du stehst im Block, und wenn irgendwas um dich herum passiert, irgendwelcher Blödsinn passiert, fühlst du dich immer mit dafür verantwortlich. Wobei – das wäre wahrscheinlich für mich auch dann so, wenn ich nicht in der Fan- und Mitgliederabteilung arbeiten würde. Wenn hinter mir jemand was schreit, was man nicht zu schreien hat, dann würde ich mich auch so umdrehen.“ Keine Politik im Stadion, sagt sie. Aber auch: „Rassismus hat im Stadion nichts zu suchen. Fußball ist was, das alle verbindet.“ Für sie ist das kein Widerspruch. Es ist Respekt voreinander, den sie einfordert. Nicht mehr, nicht weniger.

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