Blog

Finnische Bescheidenheit.

Kein einziger finnischer Sportler sei ihr jemals sympathisch gewesen, schreibt Maria. Zu schweigsam, formuliert sie sinngemäß, und niemals, niemals lächeln sie. Als der völlig unbekannte, junge finnische Fußballspieler Jari Litmanen 1992 nach Amsterdam wechselte, dachten seine holländischen Kollegen ganz ähnlich über ihn. Sagt nichts, trainiert fleißiger als alle anderen und ist völlig frei von Humor. Aber, und das halten sich seine Mitspieler zugute, sie haben ihm einiges beigebracht in Amsterdam. „Ich esse meine Pommes seitdem nicht mehr mit Ketchup, sondern mit Mayonaise“ erzählt Litmanen, gefragt, was er an den Niederlanden vermisst, und grinst.

Finnischer Filmabend beim 11mm-Festival 2013 mit Jari Litmanen

Das Rasenstück vor dem Kino Babylon, das dort statt eines roten Teppichs liegt, ist nicht allzu lang. Trotzdem dauert es seine Zeit, bis Jari Litmanen endlich im Foyer steht, zur Deutschlandpremiere seiner verfilmten Biografie „Kuningas Litmanen“. Er schreibt Autogramme, lässt sich mit Fans fotografieren, vor ihm läuft eine Filmkamera, Mobiltelefone zeigen sein Gesicht im Display. Litmanen ist geduldig, freundlich und signiert, was signiert werden soll. Derweil herrscht gespanntes Stühlescharren im oberen Oval, wo er zur Pressekonferenz erwartet wird. Nach drei knappen Sätzen heißt es plötzlich „… und jetzt ohne weitere Vorrede Ihre Fragen.“ Große Stille. Vorn sitzt Jari Litmanen, blickt erwartungsvoll ins Rund und ist durchaus auskunftswillig, aber niemand traut sich, die erste Frage zu stellen. „Vielen danke“, sagt er. Befreites Auflachen im Pressebereich, das Eis ist gebrochen.

Finnischer Filmabend beim 11mm-Festival 2013 mit Jari Litmanen

Wer ihn als exzellenten Fußballspieler entdeckt habe, möchte jemand wissen. Wann aufgefallen sei, dass er außergewöhnlich gut spielen könne? „Kann ich das?“, fragt er zurück und lächelt. Dann erzählt von seinen Trainern. An erster Stelle steht da sein Vater, der selbst finnischer Nationalspieler war. Louis Van Gaal beschreibt er als jemanden, dem er viel verdankt und den er nach wie vor sehr schätzt. Mitspieler, an denen er sich orientiert hat. Ohne, dass es auffällt lenkt Litmanen das Gespräch um, weg von sich, hin zu denen, die er bewundert. Das ist elegant und bescheiden.

Litmanen hat den Inhalt von „Kuningas Litmanen“ ganz maßgeblich mitbestimmt. Überlegt, wer diejenigen waren, die ihn geprägt haben. Zwei Jahre haben die Arbeiten an dem Film gedauert, abgebildet werden 25 Jahre seines Lebens. Dieser Blick zurück war seltsam, gibt er zu. Ehemalige Mitspieler oder gar die eigenen Eltern zu sehen, wie sie über ihn reden. Seine eigene Geschichte auf der großen Leinwand. Wie das für ihn war? „Leicht, weil ich die Geschichte ja kannte. Ich war mehr oder weniger Teil der Geschichte.“ Anfangs konnte er sich kaum vorstellen, wie aus dem vielen Filmmaterial, den zahlreichen Interviews und Spielszenen ein Film von anderthalb Stunden Länge werden soll. Eine gute, kompakte Geschichte ist am Ende herausgekommen, findet er und lobt wiederum nicht sich selbst, sondern den Regisseur, der das Puzzle zusammen gesetzt hat.

Auch an Orten, wo man sonst nicht hin kommt, öffneten sich dem Filmteam bereitwillig Türen. Es ist der Name Jari Litmanen, der sie öffnet. Von Anfang an ein Team Player ist er überall geschätzt worden, wo er gespielt hat. Geradezu liebevoll erzählen Spielerkollegen, Trainer, Manager und Betreuer über seine Marotten. Die Sauna-Gänge. Die Extra-Runden auf dem Trainingsplatz. Die Schuhe, die immer wieder repariert werden mussten. Stretching, stretching, stretching. Als einen gelassenen Mann beschreiben sie ihn. Dieser gelassene Mann nimmt wohl zur Kenntnis, dass sie ihn gelegentlich mindestens eigenartig finden, lässt sich davon aber nicht irritieren. Ist doch gut, wenn gelacht wird, meint er. Ähnlich gleichmütig reagiert er auf dem Spielfeld auf Provokationen. Eine einzige rote Karte für ein Foulspiel hat er in 25 Jahren kassiert. Und so ist das Lob, das er am zweithäufigsten hört: Fairness.

Es bleibt der Eindruck, dass Jari Litmanen vielleicht mehr als andere verinnerlicht hat, dass Fußball eine Mannschaftssportart ist. Sein anderes Team, die finnische Nationalmannschaft, hat ihn immer wieder geerdet. Als Nationalspieler mit 137 Einsätzen und 32 Toren hat er nicht ein einziges Mal an einem großen Turnier teilgenommen. „Wenn sich die Kollegen von Ajax Amsterdam, Barcelona oder Liverpool auf Europa- oder Weltmeisterschaft vorbereiteten, dachte ich, ja gut, ich fahre jetzt in den Sommerurlaub und werfe den Grill an.“ Eine Eishockey-Nation eben, auch wenn Litmanen kräftig daran gerüttelt hat. „Ich war immer stolz, Finne zu sein, aber nicht immer stolz, ein finnischer Fußballspieler zu sein. Aber so ist es eben, ich kann es nicht ändern.“

Er hat noch immer nicht abgeschlossen mit dem Fußball. Von der letzten Knieoperation hat er sich erholt und kann nicht mehr sagen, ob es eigentlich das rechte oder das linke Knie war. Eineinhalb Jahre liegt sein letztes Spiel zurück. In der Zwischenzeit hat er trainiert, nur für sich, „doing some stretching“. Er sei fit, meint er. Aber nach 25 Jahren habe das aber nun wirklich keine Eile. Eine Trainerkarriere? Es gibt so vieles im Fußball, was man machen könnte. „Ein paar Leute haben gesagt, es gäbe ein Leben außerhalb des Fußballs, aber ich weiß nicht …“ Das glauben sie ihm nicht, im Kino Babylon, und lachen schon wieder. Nein, extrovertiert ist Jari Litmanen sicherlich nicht. Aber doch einer, den die meisten instinktiv mögen, von Anfang an. Er macht es einem nicht besonders schwer.

5 Kommentare zu “Finnische Bescheidenheit.

  1. Danke für den Text.

    Und Danke auch an wen auch immer, dass ich als Fanboy mein Bild von Litmanen nach diesem Text nicht korrigieren muss.

  2. „Wer auch immer“ ist in dem Fall Jari Litmanen selbst :) Ich glaube, es ist tatsächlich ein Film für Fanboys, den Kaurismäki/Koskinen da gemacht haben.

  3. Hätte ihm zugetraut, dass er immer noch auf Torejagd geht…

    Wunderbarer Typ, saubere Geschichte. Danke dafür!

  4. […] Textilvergehen, der Blog mit dem charmanten Union-Podcast, treibt sich in dieser Woche beim 11mm-Fußballfilmfest rum und berichtet über das Spiel des Lebens nordkoreanischer Fußballer und finnische Bescheidenheit von Jari Litmanen. […]

  5. Schade, dass mann nicht sein letztes Tor als Profi-Fußballer in diesem Film sehen kann. Eine wirklich schöne Volley im finnischen Cup Finale.

Kommentare sind geschlossen.