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Die wollen nicht nur spielen.

Die Sache mit den Paralleluniversen ist die: Meint man zuvor, man kennte sich aus, ist man hinterher wieder schlauer.

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Hocherfreut war ich, als mir angetragen wurde, den Lieblingstorwart bei seiner Freizeitgestaltung zu fotografieren, und gesagt habe ich jajaja und nochmals ja, Fotos machen kann ich gut, Sport kann ich gut – und Selbstüberschätzen kann ich nicht nur gut, das ist meine Königsdisziplin. Ich setzte mich geradewegs in eine Bahn nach irgendwo, wo ich noch nie war, stieg aus und blinzelte in den Himmel. Das jajaja war schon deutlich leiser geworden.

Schuhe aus. Strümpfe aus. Hosenbeine hochgekrempelt. Bei der Veranstaltung, die zu fotografieren ich beabsichtigte, handelte es sich um ein Beachvolleyballturnier. Mager, weißwadig, ungelenk und zerzaust wie Rumpelstilzchen einer energiesprühenden Sportlerfamilie gegenüberzustehen ist überraschender Weise nicht halb so angenehm wie man gemeinhin denkt. Große Menschen. Ach was, ich untertreibe. Einssiebenundneunzig ist nicht groß, einssiebenundneunzig ist einschüchternd. Ein Hund legt in solchen Momenten die Ohren an den Hinterkopf und macht sich ganz, ganz flach. Er sucht unauffällig aus den Augenwinkeln die Örtlichkeit nach einem stillen Plätzchen ab. Unter dem Tisch. Im Gesträuch. Nebenan. Fernab. Dorthin verschwindet er rückwärtsgehend und geräuschlos. Kluger Hund. Beneidenswerte Kreatur.

Ich war schon ganz, ganz flach, und irgendwas war auch mit meinem Ohren, nur gab es keine Gesträucher, die groß genug gewesen wären.

Jan und Sven Glinker. Ein Fußballtorwart und ein Ex-Volleyballnationalspieler, die fanden, sie sollten mal zusammen ein Beachvolleyballturnier gewinnen. Sommerpause meint bei Leistungssportlern nicht tatsächliches Pausieren, Sommerpause bedeutet: heute trainieren wir mal was anderes. Genau an sowas denke ich ja auch immer als erstes, wenn ich Freizeitgestaltung höre.

Während die beiden Sportler Gesundes tranken, bekam ich mein Brausebier und verwandelte Zigarettten in Asche. Klar wie der Parsteiner See traf hier Unvereinbares aufeinander. Nicht, dass man mich falsch versteht: die Glinker-Brüder sind zwei ausnehmend sympathische, umgängliche und höfliche Menschen, auch wenn einer von beiden niemals mehr Worte spricht als unbedingt nötig. Aber ein Sportlerleben ist kein normales Leben. Halböffentliche Privatheit ist kein normales Leben.

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Als Jan gebeten wird, er möge zur Erbauung der Boulevardzeitungsleserinnen Berlin-Brandenburgs das nächste Match mit freiem Oberkörper spielen, lehnt er das freundlich, aber bestimmt ab. Ich bin ihm dankbar dafür. Der Medienprofi unter den Fußballspielern hätte mitgemacht. Ein Mensch hingegen, der noch einen Funken von Normalität spürt, sagt nein.

Ich habe also Jan Glinker getroffen. Kennengelernt hab ich ihn nicht, und im Grunde ist das beruhigend.

10 Kommentare zu “Die wollen nicht nur spielen.

  1. MalerMario

    Beruhigend ?
    Ja, denn das Leben liegt noch vor Dir ;o)
    Ich habe heute auch was Schaues erlebt, von dem ich dachte, es wird nie was und nicht wußte, warum.
    Ich bin eingeladen worden. Zum essen, mit meiner ganzen Familie, obwohl nur ich….eigentlich…also
    Na jedenfalls freuen wir uns auf diesen Abend.
    Es ist insofern etwas Besonderes, als das ich nicht etwa gern woanders esse….IWO. Nee aber wenn es einem nicht gut geht und so ein kleiner Sonnenstrahl einen kitzelt, dann glaubt man wieder. An alles und besonders an das Gute.

  2. ganz gewiss liegt das leben noch vor mir. naja, teile davon auf jeden fall :) aber ne richtige pressefotogräfin werd ich wohl nicht mehr.

    auf´s bekochtwerden freu ich mich übrigens auch schon. ich war so frei, deine telefonnummer rüberzureichen.

  3. MalerMario

    Ist schon schön, wenn die Innerlichtenbergerströmungen so gut funzen !
    Für den Abend haben wir auch schon eine, aber sowas von eine Überraschung in petto. Das hat noch keiner zum Essen mitgebracht ;o)

  4. mein Sohn ist nun ganz grün vor neid und ich glaub er will jetzt dich als Elternteil, du bist viel cooler als sein oller Papa, der kennt sein fußballgott nur ganz ganz flüchtig.

    Das einzige was mich vor einem sofortigen Auszug seinerseits bewahrt – Glinker und ich teilen uns den Vornamen.

    Hast du aber mal Glück gehabt Steffi und ich erst.

  5. ohne die verdienste von jan schmälern zu wollen: erklär dem kind einfach, dass sein oller papa dafür schon weitaus wichtigeres fotografiert hat ;)

    im ernst, ich glaub, es ist viel besser, wenn man seine fußballgötter nur ganz flüchtig kennt.

  6. Jep. Distanz wird überhaupt unterbewertet.

  7. Wie so oft hat nolookpass mal wieder mit seinen wenigen Worten sehr viel Wahrheit gezaubert.

    Ansonsten wollte ich noch sagen, dass ich manchmal neidisch bin auf Deine selbst erlebte Nähe, steffi. Wenn ich sowas wie hier lese, dann kommt das vor. Es geht dann aber auch wieder vorbei. Würde aber nicht passieren, wenn Du sowas wie hier nicht bloggtest. Deshalb sage ich mal unprätentiös Danke.

  8. Ick war mal Siebenter bei den DDR-Meisterschaften im Volleyball, schätz mal 72, 73 im damaligen Karl Marx Stadt. Mein Bruder war 89 DDR Meister im Tontaubenschießen und hatte sich damit zur WM qualifiziert.
    Die Wiedervereinigung hatte ihm den WM-Titel gekostet, er war plötzlich vereinslos und mußte auch noch zum Bund.
    Eine gewisse Distanz schätzen wir beide, aber ansonsten gehts so.

  9. nun gut meine liebe Steffi, dann führe ich dich künftig nicht mehr in Versuchung, sondern erlöse dich aus der Nähe. Gibt ja noch andere Fotoknipser, die darob nicht gleich in Seelenpein ausbrechen.

  10. @nolookpass ich weiß ;)

    @TrainerBaade ich bin verwirrt. aber bitte, gerne!

    @Milan grad in bezug auf Dich find ich distanz nun wieder entbehrlich. die nähe zu barkeepern und kühlen getränken schätze ich nämlich ungemein ;)

    @bunki ich wusste, Du würdest es absichtlich mistverstehen wollen. das ist, weil Du immer alle leute kennst und vergessen hast, wie es ist, wenn man nicht alle leute kennt.

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