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Kein Wort mehr über …

Die Liste der Vorwürfe gegen ihn ist so lang, dass sie einem Staatsanwalt Munition für ein mehrstündiges Plädoyer liefern würde. Erstens, gerade in England besonders brisant: Er ist ein Schwalbenkönig. Zweitens, und da wären wir wieder bei den Übersteigern, denn die gibt es immer noch, wenn auch zweckgebundener als früher: Er macht seine Gegner lächerlich. Drittens: Er ist weinerlich und schaut nach Fouls oft aus der Wäsche wie ein kleiner Rotzlöffel, dem man seinen Lolli weggenommen hat. Viertens: Er hat diesen ekelhaft austrainierten Oberkörper. Fünftens: Und überhaupt.

[Jens Kirschneck: Geniale Nervensäge, 11Freunde]

Ich saß mit  Freund V. in Porto an einem Tresen. Den „Don“ im Rücken, auf der Leinwand vor uns das letzte WM- Qualifikationsspiel der Portugiesen. „Soll ich leiser machen?“ , fragt uns der Barmann, weil wir die einzigen Gäste waren. Darauf  wir „Nee, lass, wir wollen das auch sehen.“ Und dann Auftritt Cristiano Ronaldo. Übersteiger, Übersteiger, Solo, Übersteiger – Ball weg. Unbekümmert, großfressig, selbstverliebt. Cristiano gegen die anderen. Völlig egal, dass die das gleiche Trikot tragen. Aber ein Artist. Ich meine: Zirkus, Magie, Kaninchen-aus-Hut-Artist. Der Barmann, leuchtenden Auges,  „Kuckt euch den Jungen an!“, erklärt uns, dass dieses enorm schlecht erzogene Kind das neue nationale Heiligtum ist. Und ich, frisch abgestiegen in die Oberliga: Wie jetze? DAS ist Fußball? Nee, oder? Das ist doch ganz ne andere Sportart, was der da mit dem Ball macht …

Das fiel mir ein, als ich neulich ManU gegen Chelsea gesehen hab. Die ganze erste Halbzeit dachte ich: unfassbar, dieser kleine Angeber. Der ist wirklich und wahrhaftig noch besser geworden. Und dann verschießt er den Elfer, man weiß das eigentlich vorher, kann wieder an die Gerechtigkeit glauben, an Gott meinetwegen. Man möchte Cristiano Ronaldo versöhnlich ein Tempotaschentuch rüberreichen und etwas mehr Contenance anmahnen.  Der wegge Lolli – man erinnert sich. Aber am Ende gewinnt ManU trotzdem. Ihmzumtrotz. Und augenblicklich gewinnt auch  das Gör seinen Übermut zurück und drängelt sich fast noch vor seinen Chef, als es ans Medaillenverteilen geht. Nun könnte es sein, er hat an dem Abend was gelernt. Mannschaftssportart und so. Der portugiesischen Nationalmannschaft würde ich das sehr wünschen.

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